Medikamentenmangel in D

Als Krankenhausarzt bin ich immer wieder erstaunt, welche einfachen Medikamente in Deutschland nicht verfügbar oder lieferbar sind. Aktuell besteht ein Mangel an Infusionen, was letztendlich nur ein steriles Mineralwasser ist. Siehe Rundschreiben unserer Klinik.

Letzte Woche bekam ich eine Warnmeldung, dass Schilddrüsen-Tropfen aus Österreich importiert werden. Durch eine andere Konzentration des österreichischen Präparates kann es zu Fehldosierung kommen.
Die Liste lässt sich beliebig verlängern… Es ist einfach nur absurd…

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[SatireOn]
Ihr könnt die Patienten doch mit Cannabis behandeln. Für dessen Produktion hat sich unser Gesundheitsminister schließlich eingesetzt.
[SatireOff]

Es ist schon eine Schande, wie wir unsere Pharmaindustrie zugrunde gerichtet haben. Mittlerweile werden fast alle Commodities in Asien und Vorderasien hergestellt und in Europa bestenfalls noch formuliert und konfektioniert. Der Grund ist einfach. Die Produktion in Europa ist wegen hoher Energie-, Bürokratie- und Personalkosten viel teurer ist als in Mega-Plants außerhalb Europas.

Heute können wir eigentlich nur noch Spezialchemikalien/-Medikamente hier herstellen, bei denen man mangels Alternative quasi jeden Preis verlangen kann.

Ich drücke euch die Daumen, dass der Engpass schnell gelöst werden kann. Vielleicht hilft ja AliExpress. :wink:

Die Folgen mögen vollkommen absurd wirken in einem der reichsten Industrieländer mit einer langen Tradition der Forschung an und Herstellung von Arzneimitteln - aber im Grunde genommen ist das Problem ja nicht neu und auch nicht überraschend. Letztlich zeigt sich hier eine der Kehrseiten der Globalisierung, die jahrzehntelang so gefeiert wurde.

Aber ob man sich deshalb unbedingt Sorgen um „unsere“ Pharmaindustrie machen sollte? Um mal in der gleichen satirischen Weise zu antworten: Wie wäre es denn mit der Einrichtung eines Spendenkontos für Bayer & Co?

Naja so schlecht geht es der Pharmaindustrie nicht. Zitat aus

„Der Pharmastandort Deutschland ist in Schieflage: Einerseits fahren die Firmen Rekordgewinne ein, andererseits können sie hier oft nicht mehr kostendeckend produzieren. Denn während sie für innovative Therapien enorme Preise abrufen können, wurde die Grundversorgung kaputtgespart“.

„Der deutsche Pharmamarkt ist sehr lukrativ für patentgeschützte Präparate, wurde aber im Generikabereich kaputtgespart.“
Also ist es wie immer kompliziert und nicht schwarz weiss!

On a related note: Auch Uniklinik-Mitarbeiter hier. Die Kliniken lassen sich heftigst von den Medizinprodukte-Herstellern abziehen, vielleicht müssen sie das aufgrund von Alternativlosigkeit auch, das kann ich nicht nachvollziehen. Die Stundensätze eines Technikers lässt Anwälte neidisch werden und einfachste Produkte wie Batterien werden mit sicherlich > 1000% Aufpreis verkauft. Schuld ist hier aus meiner Sicht der Vendor Lock-In Effekt. Wenn ich ein Siemens-Gerät gekauft habe bin ich auch darauf angewiesen, das von Siemens für Mondpreise warten zu lassen. Selbiges für GE etc. Ein einfaches Switchen auf einen Wettbewerber ist nicht möglich, weil es dann zu allen möglichen Reibungsverlusten an den Schnittstellen bzw. der Migration kommt.

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@flixbus, @Idefix2 ihr unterstützt was ich schon schrieb.

Commodities sind Allerweltspharmazeutika. Das sind bspw. Ibuprofen, sterile Nährstofflösungen, der Großteil der Antibiotika uvm… Dafür sind unsere Kosten hier einfach viel zu hoch.

Was man hier gut herstellen kann sind Spezialpharmazeutika zur Krebstherapie (Takeda), moderne Blutverdünner, Alzheimermedikamente usw… Das sind Dinge, die in kleinen Mengen für eher kleine Personengruppen hergestellt werden und bei denen Energie- und Personalkosten nicht den Preis diktieren. Stattdessen hat man hier mangels starker Konkurrenz eine sehr gute Chance den Preis zu diktieren.

Es ist nur so, dass der Bedarf solcher Medikamente vergleichsweise gering ist gegenüber den Commodities.

Um einen Vergleich zu bemühen. Das ist wie wenn wir in Deutschland sehr erfolgreich Flugzeuge herstellen können, dafür aber keine Autos. Das Flugzeug mag einer kleinen Minderheit vielleicht helfen, aber die große Masse benötigt ein Auto.