Lücke "mitte-links" in der Parteienlandschaft

Hallo zusammen,

es wurde ja in der LdN 399 u. a. über (aussichtsreiche) Kandidat*innen für den Grünen-Vorstand für die Neuaufstellung gesprochen, sowie den Rück- und Austritt einiger Köpfe der Grünen Jugend und das Schlaglicht, das dies auf den möglichen zukünftigen Kurs der Partei wirft.
Dies ist aus meiner Sicht ein Baustein in der Veränderung der Parteienlandschaft in Deutschland, die doch ziemlich in Bewegung ist, und zwar insgesamt signifikant nach rechts & konservativ. Das prägnanteste Beispiel ist aktuell sicherlich die m. E. (und in der Lage ja auch bereits wiederholt thematisierte) fast vollständig faktenbefreite und entgleiste Migrations- und Asyldebatte - allerdings könnte man auch fiskalpolitische, umwelt- und klimapolitische, sozialpolitische und andere Felder heranziehen.

Sollten jetzt nun auch noch die Grünen „offiziell“ und konsequent auf einen noch restriktiveren Asyl- und Migrationskurs einschwenken (s. aktuelle Wortmeldung von Kretschmann und die intern zunehmende Einflussnahme von Habeck, der da sicherlich weniger Berührungsängste hätte als bspw. Ricarda Lang), gibt es neben einer kaum noch als Partei funktionierenden Linken keine einzige Nicht-Kleinstpartei mehr, die noch halbwegs konsequent für progressive, moderat linke Politik steht. Kommentar aus Der Tag (DLF) aus dieser Woche: „Was die Ampel in der Migrationspolitik macht, ist rechts von Horst Seehofer“ - was erschreckenderweise stimmt.

Gibt es hier nicht ein großes Wähler*innenpotenzial? (Reform der Schuldenbremse & Investitionspolitik, zukunftsorientierte Migrationspolitik, menschliche + geregelte + faktenbasierte Asylpolitik, kluge und konsequente Klimapolitik; für Menschen denen der Rechtsruck Angst macht und für die dessen Substanzlosigkeit und Putin-Hörigkeit das BSW unwählbar machen - etc pp? Das fände ich mal interessant zu beleuchten - sowohl für bestehende Parteien im Zuge einer Aufstellung mit Blick auf die BTW nächstes Jahr, als auch für mögliche Neugründungen. Das fände ich ein sehr lohnenswertes Thema - sowohl für die Diskussion hier als auch für die Lage!

Wie nehmt Ihr das wahr?

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Ich sehe das ähnlich.
Allerdings würde ich auch erstmal abwarten. Kretschmann hat in der Partei eigentlich gar nichts zu melden und auch Habeck ist mit der aktuellen Situation sicher nicht glücklich.
Am Ende des Tages sind die Grünen immernoch sehr basisdemokratisch organisiert. Bevor man das Grundsatzprogramm umwirft, oder in offiziellen Forderungen oder Wahlprogrammen anfängt am rechten Rand zu fischen muss noch einiges passieren.

(Wenn jetzt zu viele der progressiven Kräfte die Partei verlassen kann das natürlich doch noch ein bisschen früher passieren :sweat_smile:)

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Tja, das hoffe ich, aber meine Hoffnungen erweisen sich meist als sehr sterblich. Ich hab mittlerweile eher die Vermutung, dass die ganz große Mehrheit sich einfach nicht mit Leuten anlegen will, die sich wehren könnten: Reiche, Rechtsextremisten, Russland. Mutig und engagiert wird man, wenn es gegen Arme und Ausländer geht. MMn haben die Grünen und insbesondere Habeck vor diesem Befund mittlerweile komplett kapituliert und richten die Partei entsprechend darauf aus mit Mehrheiten in so einer Wählerschaft an Kollateralnutzen zu schaffen, was möglich ist. Kann sein, dass links davon zwischeb 5-10% zu holen wären, aber grade diese Gruppe lässt sich kaum für eine gemeinsame Partei zusammen spannen, da gibt es zuviele Dogmatiker.

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Der CDU/SPD hängen die Corona Maßnahmen noch ziemlich nach. Es gibt das Eingeständnis, dass man es besser und gesellschaftsverträglicher hätte machen sollen. Die Aufarbeitung steht aber noch aus. Der Vertrauensverlust in die Politik war jedoch erheblich.
Neben Corona waren die Themen Energiewende, Migration und das Canceln von Wählergruppen entscheidende Faktoren, die die gesellschaftliche Spaltung voran getrieben haben.
Vor dem Hintergrund der allein heute aufgeschnappten Kehrtwenden und Schuldanerkenntnissen scheinen die grünen Positionen der letzten Jahre intern von Parteigrößen stark angezweifelt zu werden. Damit würde man doch die Vorwürfe bestätigen, die von der Gegenseite gemacht wurden - dann sollte man hier auch an einer Aufarbeitung interessiert sein oder verstehe ich das nur falsch?
Was sagt denn die grüne Parteibasis dazu?

Kellner: „haben uns am klimapolitisch Notwendigen orientiert, nicht daran was eine Gesellschaft in der Lage ist zu leisten“
Marieluise Beck: „Haben unterschätzt, wie der politische Islam Einwanderer beeinflusst und auch die eigene Gesellschaft…“
Brandtner: „es gibt viele Menschen im Land, die Angst haben wirtschaftlich abgehängt zu werden […] das müssen wir jetzt verhindern“

Ich beziehe mich mal rein auf den Titel des Treads und möchte die Notwendigkeit einer neuen Mitte Links Partei klar unterstreichen.
Ich bin 30 Jahre alt und wähle seit 10 Jahren treu Die Partei, weil mich keine andere Partei abholt. Das ist mein Protest, meine Nadel im Heuhaufen.
Wie schön öfters im Podcast thematisiert wird man nie vollständige Deckungsgleichheit mit dem Programm einer Partei erreichen. Das ist utopisch. Aber die Differenzen zu den bestehenden „großen“ Parteien empfinde ich als unüberbrückbar.

Ich identifiziere mich als links, stehe für einen Sozialstaat ein und bin für ein grenzoffenes Eurpoa. Geopolitisch können wir nur als ein geeintes Europa ein Gewicht gegen die USA, China oder BRICS erreichen.
Klimaschutz muss eine unbedingte Priorität haben, allerdings zusammen mit einer gesunden Wirtschaft gedacht werden. Nur eine folrierende, starke Wirtschaft sichert uns Wohlstand. Und eben jener Wohlstand treibt die Menschen an.
Ich zähle wahrscheinlich zu den „Besserverdiendenden“. Habe im vergangenen Jahr ein EFH als Altbau auf dem Dorf gekauft und zwei Kinder in die Welt gesetzt, denen es (nicht unbedingt besser) aber wenigstens genausogut gehen soll wie mir.

Zu den Parteien:
Ich hätte gerne die Grünen mit mehr Sensibilität für die Wirtschaft. Die haben klar die Wissenschaft im Rücken, aber mir fehlen die praltikablen übertragbaren Lösungen.

Ich hätte gerne eine SPD, die sich wieder hinter die Arbeiter stellt. Die sich dafür einsetzt, dass sich Arbeit lohnt und der Mittelstand auf eine solide Basis gesetzt wird, auf der man gut leben kann. Eine SPD, die nicht Steigbügelhalter für CDU Programme ist.

Ich hätte gerne eine CDU, der man den Populismus aus den Rippen geschnitten hat. Eine klare Distanzierung von Merz, Linnemann und der ganzen CSU. Selbst dann ist sie immernoch mitte rechts statt mitte links, aber das muss es fürs Gleichgewicht geben.

Ich hätte gerne eine FDP, die wieder mehr Gerhard Baum wagt und weniger Lindner.
Eine Partei, die klar wirtschaftlich orientiert ist, dabei aber immer den Ausgleich bedenkt.
Eine FDP, die die Vorteile von Migration und Work Life Balance anerkennt (um nur zwei Beispiele zu nennen).

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Genauso wie bei meinem Vorredner falle ich genau in diese, gerade größer werdende, Lücke. Die Grünen waren in den letzten Jahren meine letzte verbliebende Repräsentation. Natürlich habe ich auch viel Kritik an der Partei, aber man kann eben nicht zu 100% vertreten werden.
Mit dem aber nun eingeschlagenen Weg von Özdemir, Habeck und Co. wird die Partei für mich vermutlich unwählbar werden. Ich kann diesen konservativen bis rechtsgewandten Kurs mit besonderem Fokus auf Migration (an allen Zahlen und Fakten vorbei) nicht mit meinem Menschenbild und meiner absoluten Unterstützung für Sozialstaat und Freiheitsrechten in Einklang bringen.
Ich habe bisher nicht begreifen können, warum nun auch die Grünen meinen in die gleiche Richtung zu gehen, wo nun schon gefühlt alle anderen Parteien sind, anstatt ein Gegengewicht zu bilden. In meiner Wahrnehmung ist da doch ein riesen Wählerpotential in dem Bereich Mitte Links, oder täusche ich mich da so sehr durch meine Ansicht bzw. die meiner Bubble?
Ich habe wirklich keine Erklärung warum keine der größeren Parteien den Bereich der absolut progressiven Politik abbildet, die sich für mehr Sozialstaat, mehr für Arbeitnehmer, Wohnungsnot, Fachkräftemangel und und und einsetzt. Selbst den Konservativen nahe stehenden Wirtschafts-Think-Tanks sind ja mittlerweile schon der Meinung, dass dieses Land massive Investitionen braucht und die Schuldenbremse reformiert bzw. ausgesetzt werden sollte.
Ich suche weiter nach Gründen, Antworten und einer politischen Repräsentation. Vielleicht gibt es ja hier im Forum oder in der Lage Erklärungen.

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Ich sehe es auch ähnlich. Falls bei der nächsten BTW die Linke zahlenmäßig in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, fehlt absolut ein linkes Korrektiv bzw. überhaupt eine politische Kraft, die diese Themen setzen und Druck ausüben kann.

Ich erinnere mich gerade nicht mehr an die Stelle genau, aber wurde nicht sogar in der letzten Lage genau diese Lücke angesprochen? Zumindest in Bezug auf die Verteilungskämpfe oben/unten kam das doch kurz auf, wenn mein halb zuhöhrendes Ohr mich nicht getäuscht hat (hat aber definitiv noch detailliertere Besprechung verdient).

Ich habe aber auch das Gefühl, dass die Grünen zunehmend vor diesen Kämpfen kapitulieren (wie @JohanneSAC) schrieb, oder sie gar nicht erst annehmen. Das gilt auch nicht nur für Robert Habeck, auch Cem Özdemir bspw. scheint wenig Kraft oder Motivation für wirksame Änderungen zu besitzen.
So gesehen entsteht zumindest bei mir persönlich eine Lücke (und ich vermute es geht vielen so). Mit solchen Grünen, die „unter Bauchschmerzen“ diese politischen Rechtsverschiebungen mitmachen habe ich persönlich dann eben auch zunehmend Bauchschmerzen

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Generell stimme ich dem Problem mit der Lücke zu und diese Lücke wird extrem groß, wenn Habeck jetzt die Grünen weiter auf den Realo-Kurs trimmen sollte.
Man möge mal ins Wahlprogramm zur vergangenen Bundestagswahl schauen und wie links und progressiv die Schwerpunkte der Grünen dort gesetzt waren.
Die entscheidenden Themen waren sozialverträglicher Klimaschutz aka sozial-ökologische Transformation, soziale Sicherheit, faire Löhne, bessere Verbindungen auch auf dem Land für Menschen ohne Zugang zum eigenen Auto und Verbesserung der Lage von Eltern und Kindern.
Das sind durchgängig eher linke Themen und ich glaube auch deswegen haben die Grünen so gut abgeschnitten. Denn viele Alternativen gab und gibt es nicht. Bei der Linken bekam man trotz teilweise guten, jungen Personals Altlasten wie Wagenknecht, Ali, Ernst und Co, die jetzt im Containment BSW aufgeschlagen sind.
Wie das weitergehen soll, wenn man als Wähler:in genau die oben angesprochenen Themen oben auf der Agenda haben will, ist mir noch unklar.
Wir haben neben der CDU/CSU bereits die SPD-CDU und kriegen dann noch die Grüne-CDU? Wem soll das nützen?

Mitte-Links halte ich für fast überfüllt.

SPD, Grüne, BSW in Teilen und ganz Links die Linke.

Das Parteienangebot ist hier breiter gefächert als im Mitte-Rechts spektrum.

Hier verabschiedet sich gerade die FDP, übrig bleibt nur die Union. Von der rechtsradikalen Afd abgesehen.

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Das wäre ja genau die Frage: ist die SPD (edit: Tippfehler, hier stand erst FDP) noch mitte links in ihrer aktuellen Auslegung der Politik? Für mich persönlich sind sie nun schon länger eine CDU light, mit 1-2 Punkten in Richtung Sozialpolitik. Ansonsten kaum noch zu unterscheiden.

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Naja, der Punkt ist ja genau, dass der Ursprungspost anführt, wie die Grünen und SPD durch aktuelle politische Entwicklungen sich von Mitte-Links (teilweise) entfernen und dadurch diese Lücke entsteht. Die Prämisse ist also, dass SPD und Grüne mit dem aktuellen politischen Kurs, besonders in der Migrationspolitik, nicht mehr Mitte-Links abdecken.

Wo ist die Mitte und wo ist links und rechts. Vermutlich hängt es da dran. Wenn man selber weit links steht, sehen alle anderen aus wie Mitte/Rechts…

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Ob man generell von einer „Lücke“ sprechen kann, seh ich nicht wirklich.
Was aber definitiv passiert ist, dass sich die Themenlage, und diejenigen die die Themen setzten, verschoben hat.

Wenn man die Sonntagsfrage betrachtet, sind die Umfragewerte der Grünen seit 2015 kotinuierlich gestiegen, Themen die v.a. mit den Grünen assoziiert werden (wie Verkehrswende, Klimaschutz, Ernährung, grüner Wachstum, Gendern, Minderheitenrechte, Kiffen, LGBTQ… ) wurden in der Gesellschaft und Politik diskutiert, andere Parteien dadurch getrieben (z.B. Klimaschutzgesetz unter Merkel).
Man kann durchaus davon sprechen, dass die gesellschaftliche Diskussion „grün“ dominiert war (Stichwort „man darf ja nichts mehr sagen (ohne Widerworte zu erhalten)“ und „überall grüne Bevormundung“)

Mit Beginn der Ampel, der anhaltenden Wirtschaftskrise nach Corona und den Kriegen, plus CDU und AFD in Opposition, hat sich dies aber gedreht. Rechts setzt die Themen, Links muss reagieren. Das betrifft v.a. Migration, Sozialsysteme, Minderheitenrechte. Sprich aus der Gewohnheit, in den letzten Jahre die Mehrheitsmeinung hinter sich gehabt zu haben, ist jetzt in einigen Bereichen eine Minderheitenmeinung geworden.

Ich sehe aber dennoch nicht , dass dies in allen Bereichen geschehen ist, und es auch nicht in allen Politikfeldern bei Grünen und SPD in deren Parteiprogrammen einen klaren Rechtsruck gibt. Man sollte Partei / Parteiprogramm und Kompromisse in der Regierung zudem hier wirklich trennen.
Ich sehe den Rechtsruck aktuell tatsächlich hautsächlich im Bereich Migration und innere Sicherheit.

Richtig interessant wird die Situation, sollte es zu einer Union - SPD Regierung kommen, und lautstarke Opposition von linker Seite von den Grünen, und rechts von AFD kommt.

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Dann muss aber doch auch bitte mal jemand ausbuchstabieren, wie eine „florierende, starke Wirtschaft“ CO2-neutral funktioniert. Das hat halt noch keiner hingekriegt. Sonst hätten wir es ja gemacht. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Und eine gesellschaftliche akzeptierte Wohlstandsdefinition, die auf umweltneutralem Ressourceneinsatz fußt, müsste dann auch mal dazu.
Wie es unseren Kindern bei wissenschaftlich vorhergesagt deutlich schlechteren Rahmenbedingungen auch nur annähernd so gut gehen soll, bleibt mir ein Rätsel.
Liest sich für mich wie: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

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SPD und Grüne sind in der Migrationsfrage schlicht in die Mitte gerückt.

Die Beschlüsse greifen das Recht auf Asyl nicht an.
Die Verfahren finden nur in anderen EU Ländern statt.

In der Mitte der Gesellschaft kritisieren die wenigsten die Beschlüsse.

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Das ist schlicht falsch. Durch den Status „nicht eingereist“ finden die Verfahren de jure nicht in EU Ländern statt sondern außerhalb.

Menschen aufgrund ihrer Herkunft monatelang einzusperren - was braucht es mehr um als rechts zu gelten?

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Wer spricht von Monaten? Die verfahren sollen innerhalb von 5 Wochen abgeschlossen werden.

Zuvor in keinem anderen Land registrierte wird auch weiterhin Asyl gewehrt.

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Na dann ist ja alles gut. Denn die Regierung hat ja 2016 bereits ein Gesetz erlassen, dass Asylprüfverfahren nach drei Wochen abgeschlossen sein sollen.

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