Lobbyismus oder Korruption?

Ich habe im Forum gesucht, aber das Thema Lobbyismus taucht nur in alten Beiträgen auf.
Es gibt nun neue Ergebnisse von Lobbycontrol https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/lobbyismus-energiewirtschaft-neue-studie-lobbycontrol-warnt-vor-fortgesetztem-einfluss-der-gasindustrie-li.317855.
Im Podcast Funkkolleg.Klima vom 28.2. wird näher beschrieben, wie Politiker*innen mit Abendessen und anderen Annehmlichkeiten oder auch mit der Aussicht auf einen lukrativen Job nach der Zeit im Bundestag von den großen Konzernen umgarnt werden.
Ich bin völlig entsetzt. Warum ist das nicht verboten? Ich habe selbst sechs Jahre als Beamtin gearbeitet und durfte nichts annehmen. Ich habe noch nicht einmal Kugelschreiber oder eine kleine Topfblume angenommen, um gar nicht erst in den Verdacht der Bestechung zu geraten.
Politikern ist das also erlaubt?
Wenn man sieht, wie viel Geld die Industrie in Lobbyismus investiert (im letzten Jahr wieder gestiegen), ist doch völlig klar, dass Umweltverbände und die Klimagerechtigkeitsbewegung dagegen nicht ankommen können. Außerdem sind die Profi-Lobbyisten gut trainiert, bauschen z.B. ein kleineres Problem, an dem ein wahrer Kern ist (Arbeitsplatzverlust o.ä.), zu einem riesen Problem auf, was aber gar nicht den realistischen Prognosen entspricht.
An vielen ehemaligen Politikern kann man gut erkennen, wie „gut“ der Lobbyismus im Sinne der Konzerne funktioniert hat, aber nicht im Sinne der Gesellschaft/der Bevölkerung.
Warum ist Lobbyismus nicht verboten? Informationen lassen sich doch auch anders beschaffen. Vor allem wären Informationen ohne Lobbyismus objektiver.

Lobbying ist ein Aspekt des öffentlichen politischen Entscheidungsprozesses in Demokratien und ist nicht per se eine unmoralische Praxis. Das Herantragen von Interessen an Entscheidungsträger gehört zum Wesensmerkmal parlamentarischer Demokratie

Nicht jede Lobbyarbeit bedeutet, dass Gelder oder Annehmlichkeiten fließen.
Wenn ein Interessenverband versucht die Exekutive oder Legislative zu beeinflussen ist das schon Lobbying. Dafür reicht auch eine medienwirksame Ansprache dieser.
Entsprechend sind auch Verbände mit noblen Interessensgebieten wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte, deren Vorsitzender Ulf Buermeyer ist, im Lobbyregister.

Lobbyismus ist weder schlecht, noch der Informationsversorgung untergeordnet. Lobbyismus ist die professionalisierte Interessenkommunikation.
Es obliegt den demokratisch legitimierten Institutionen, aus der Flut an Interessensbekundungen die für sie korrekte Aktion abzuleiten.

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Ich stimme dir grundsätzlich zu, würde es aber wichtig finden, auch die Problematiken des Lobbyismus zu erwähnen.

Grundsätzlich problematisch ist, dass die verfügbaren finanziellen Mittel für Lobbyismus vor allem bei großen, wirtschaftlichen Interessenverbänden verfügbar sind. Klar, auch die Sozialverbände haben Lobbyisten, aber zum einen wesentlich weniger, zum anderen wesentlich schlechter bezahlt und weniger professionell. Die Stärke des institutionalisierten Lobbyismus ist daher bei wirtschaftsnahen Verbänden viel größer.

Die Frage ist dadurch immer, wo die Grenze zu Korruption gezogen wird. Klar, wenn ein Lobbyist einem Abgeordneten persönliche Vorteile verspricht ist die Grenze überschritten, aber teure Essen sind schon eine Grauzone. Aber was ist mit Unterstützung durch Lobbyisten, die keine persönlichen Vorteile für Abgeordneten bedeuten?

Besonders bedeutsam sind dabei größere Parteispenden, die aus der Wirtschaft permanent kommen, aber von Sozialverbänden oder gar sonstigen Interessenvertretungen nicht möglich sind.

Lobbyismus als Möglichkeit, Interessen an die Politik heranzutragen, ist selbstverständlich gewollt. Aber damit das nicht dazu führt, dass die Interessen der wirtschaftlich stärksten Seite stärker berücksichtigt werden, bedarf es Waffengleichheit. Diese herzustellen ist aber ziemlich schwierig bis unmöglich, leider. Und so bleibt Lobbyismus - vor allem, wenn er intransparent in Hinterzimmern stattfindet - eine latente Bedrohung für die Demokratie. Vollständige Transparenz ist der erste, zwingend notwendige Schritt - daher: Wer hat wann mit wem über was gesprochen und welche Gelder sind von wem an welche Partei geflossen?

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