Letalitätsraten im Ländervergleich

Hallo in die Runde,

ich fände es interessant wenn die Lage sich mit dem Thema Letalitätsrate ein wenig auseinandersetzt.
Im März letzten Jahres haben wir uns noch gefeiert, weil in Italien die Welt unterging und in deutschen Krankenhäusern alles unter Kontrolle war. Vergleicht man derzeit aber die Letalitätsraten der Länder, dann ist Deutschland mit 2,9% Sterblichkeit an und mit Corona im Vergleich mit westlichen Ländern gar nicht so gut dabei.
USA: 1,8 %
Tschechien: 1,7%
Frankreich: 2,3%
Spanien: 2,2%

Theoretisch müsste das Virus überall gleich tödlich sein, was ja nicht der Fall zu sein scheint. Es muss also Unterschiede geben, z.B. in der Erfassung der Zahlen (was ja eine politische Dimension hat), der Qualität der jeweiligen Gesundheitssysteme, der Intensität des Pandemieverlaufs („Triage“), der Bevölkerungsstruktur etc.
Ich fände weitere Einsichten auf diesem Feld durchaus interessant - vielleicht findet ihr ja einen fachkundigen Interviewpartner? :slight_smile:

Beim Vergleich dieser Zahlen gibt es aus meiner Sicht mehrere Probleme:

  1. Ist mit der Letalität in Statistiken meist die Fallsterblichkeit (Case Fatality Rate, CFR) gemeint, also die Anzahl von Todesfällen pro offiziell registrierter Infektionen. Dies ignoriert allerdings notwendiger Weise alle nicht getesteten und unbekannten (asymptomatischen) Infektionen. Das sind aber (je nach Studie) 2- bis 6-mal so viele Infektionen wie die offiziell registrierten. Daher ist die CFR überhaupt nicht aussagekräftig, schon gar nicht im Ländervergleich.
  2. Anders die Infektionssterblichkeit (Infection Fatality Rate, IFR), also die Anzahl von Todesfällen pro Infizierten. Um diese zu errechnen, müssen wirklich alle Infektionen inkl. Dunkelziffer erfasst werden, was hohe Anforderungen an entsprechende Studien stellt. In vielen Ländern gab es solche Studien noch nie, auch in Deutschland sind mir nur welche für einzelne Gruppen/Städten/Regionen bekannt, nicht aber für das gesamte Land (bzw. entsprechend repräsentativ). Die IFR, die man für einen Ländervergleich bräuchte, gibt es also häufig gar nicht.
  3. Die IFR ist extrem altersabhängig. Nach einer umfassenden Meta-Analyse von Studien zur IFR bei Covid 19 (Link) liegt diese bei 0-34-Jährigen bei 0,004 % und steigt mit dem Alter immer weiter an auf 28,3% bei über 85-Jährigen. Das heißt: die „Gesamt-IFR“ eines Landes ist neben allen anderen Faktoren (Infektionsgeschehen, Umgang mit der Pandemie etc.) extrem abhängig von der Altersstruktur der jeweiligen Gesellschaft. Aufgrund dieser vielen Einflussfaktoren unterscheiden sich laut dieser Metastudie selbst die IFR für einzelne Alterskohorten von Ort zu Ort.

Aufgrund der extrem altersabhängigen IFR ist auch die Mortalität, also die Zahl der Todesfälle bezogen auf die Gesamtbevölkerung (etwa pro 1. Mio. Einwohner:innen) nur bedingt aussagekräftig.

Alles in allem ist daher m. E. die Frage, wie sinnvoll solche „Länderrankings“ auf der Grundlage von Letalitäts- oder Mortalitätsraten sind bzw. was damit bezweckt wird.

Edit: Tippfehler

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