LdN408 - Kritikpunkte mit Minuten- und Zitatangabe betr. Femizide

Hallo, vielen Dank für die Neue Folge! Beim Hören dieser Lage (LdN408) sind mir allerdings zwei Unsauberheiten aufgefallen, die ich hier kurz mitteilen möchte:

Minute 50:35
Zitat: „Und es ist eben auch nicht immer, aber eben doch in 4 von 5 Fällen so, dass es ein Mann ist, der seiner Partnerin oder Ex-Partnerin etwas antut. Nur in einem Fünftel der Fälle ist es andersrum, so das BKA.“ „Also sie schreiben, der Anteil weiblicher Opfer von Tötungsdelikten innerhalb von Partnerschaften liegt bei über 80%.“

Kritik: Das erste und zweite Zitat können sich in ihrer Bedeutung unterscheiden. Dass der Anteil weiblicher Opfer bei über 80% liegt bedeutet nicht, dass es bei dem restlichen einen Fünftel andersherum ist, so wie im ersten Zitat gesagt. Denn nur weil bei einem Fünftel die Opfer nicht weiblich sind, sind sie 1. nicht gleich männlich und vor allem 2. nicht zwangsläufig von einer Frau getötet worden (z.b. homosexuelle Beziehung). In anderen Bereichen von Gewalt ist es schließlich auch bei den Gewalttaten gegenüber Männern so, dass diese trotzdem zu einem großen Teil von Männern ausgehen, auch wenn das bei partnerschaftlicher Gewalt möglicherweise anders aussehen mag - das wäre noch einmal zu klären.

  1. Definition Femizid
    Minute 42:50
    Zitat: „Sind Morde an Frauen in - ich würde mal sagen im weitesten Sinne - Partnerkonstellationen.“

Kritik: Femizide können auch auftreten, wenn der Mann die Frau überhaupt nicht kennt und andersherum. Diana E. H., Russell, die den Begriff entwickelt hat, definiert ihn beispielsweise als „Die Tötung einer oder mehrerer Frauen durch einen oder mehrere Männer, weil sie Frauen sind“. Es geht also um die Tötung von Frauen wegen ihres Geschlechts oder wegen bestimmter Vorstellungen von Weiblichkeit.

1 „Gefällt mir“

Liebes Lage-Team, lieber Ulf, lieber Philip,

danke für eure Arbeit & euren Podcast! Ihr macht das großartig.

Ich möchte eure höchst unglückliche Definition etwas korrigieren.
Bei der LdN 408, Thema: „Gewalt an Frauen“, sagt ihr zwar eingangs, dass es unterschiedliche Definition von dem Begriff „Femizid“ gibt, und es im Kern um (Zitat): „…Morde an Frauen in Partnerkonstellationen…“ geht. Diese Definition ist so gravierend einschränkend und falsch, dass ich euch bitten würde folgende, sehr kurze Korrektur bei euch im Team aufzunehmen:

Definition nach Diana Russell (südafrikanische Aktivistin), 1976:
Femizid ist „the killing of females by males, because they are female“.

Es geht darum, deutlich zu machen, dass es um Morde an Frauen* geht, weil sie Frauen* sind!

Bitte bedenkt das beim nächsten Mal. Vielen Dank.
Ich wünsche euch alles Liebe
J.

2 „Gefällt mir“

Ich hab grade mal ein bisschen im Netz gesucht, aber so richtig aktuelle Quellen habe ich auf den ersten Blick nicht gefunden. Die, die es gab sind alle so ca. 10 Jahre alt. Schräg, dass das Thema danach einfach irgendwie vergessen wirkt.:
„Proportional wurden damit mehr Gewaltfälle aus Lebenspartnerschaften bekannt als aus Ehen; es ist aber unklar, inwieweit die BKA-Zahlen einen direkten Vergleich zulassen. Vor zwei Jahren hatte eine US-Studie einen höheren Anteil häuslicher Gewalt unter homosexuellen Paaren festgestellt und dies u.a. auf zusätzlichen Stress durch Diskriminierung zurückgeführt (queer.de berichtete). (nb)“ Erstmals Statistik zu häuslicher Gewalt in Lebenspartnerschaften - queer.de
Etwas aktueller ein Artikel im Standard, der sich auf Studien von 2018 mit ähnlichen Ergebnissen bezieht: Wenn Männer Opfer ihrer Männer werden - dieStandard - derStandard.de › Wissen und Gesellschaft

Wenn sich die Befunde insbesondere hinsichtlich männlicher homosexueller Paare bestätigen würden, würde das nicht nahelegen, dass auch in heterosexuellen Beziehungen viele Frauen nicht deswegen Opfer von Gewalt werden, weil sie Frauen sind, sondern weil ihre Partner Männer sind? Dann müsste in der Prävention der Schwerpunkt ja eher beim Männerbild, Gewaltprävention Konfliktkompetenzen etc. liegen, als bspw. bei frauenfeindlichen Ideologien.

2 „Gefällt mir“

Das gleiche gilt übrigens auch für die 80% - nur weil das Opfer weiblich ist, muss der Täter ja nicht männlich sein (z.B. lesbische Beziehung).

Das Problem ist glaube ich, dass es keine universelle Definition gibt. Zumindest werden im Wikipedia-Artikel mehrere verschiedene Definitionen erwähnt:

  1. Definition von Diana Russels: Tötungen von Frauen „weil sie Frauen sind“, aus „sexistischen Motiven“, auch wenn diese nur unbewusst eine Rolle spielen

  2. Definition von Jacquelyn Campbell und Carol Runyan: Alle Morde an Frauen

  3. Definition von Desmond Ellis und Walter Dekesedery: Wie 1., aber nur mit explizit sexistischer Intention („intentional killings“)

Das führt dann auch zu dem Problem, das @Linde in dem anderen Thread zu Gewalt an Frauen beschreibt: Je nach Definition kommt man zu sehr unterschiedlichen Zahlen. Das BKA ist tendenziell der Definition 2 gefolgt, bei der alle Tötungen von Frauen Femizide sind, (außer bei Auftragsmorden und Raubüberfällen).

1 „Gefällt mir“

Egal, wie ihr Femizid definiert und ob die Zahlen wegen einer anderen Definition etwas niedriger liegen. Sie sind gestiegen (Die verwendete Definition ändert sich ja von einem Jahr zum anderen nicht).
Statt das Problem wahrzunehmen und etwas dagegen zu unternehmen, werden die Zahlen bezweifelt… nun ja.
Ich mach dann mal hier zu.

1 „Gefällt mir“

Hallo liebes Lage-Team,

danke, dass ihr darauf aufmerksam gemacht habt, dass die Zahl der Femizide weiterhin hoch ist und auch steigt. Der Beitrag war meines Erachtens nach wichtig. Es ist auch gut, dass das BKA dies nun in dem veröffentlichten „Lagebild: Gewalt gegen Frauen“ mehr in den Fokus rückt.

Zu beginn weist ihr mit einem Disclaimer darauf hin, dass die Kriminalstatistik mit Vorsicht zu genießen ist und auch statistische Unschärfen hat.
In LdN377 habt ihr der Kriminalstatistik eine halbe Stunde gewidmet und das Kapitel 3 sogar „Warum die Polizeiliche Kriminalstatistik in die Irre führt“ genannt.
Mir ist im aktuellen Beitrag in der LdN408 zum Thema Femizide nicht so ganz klar geworden, warum das vom BKA veröffentliche „Lagebild: Gewalt gegen Frauen“ hier trotzdem verlässliche Rückschlüsse auf die Anzahl gestiegener Taten zulässt.

Ich freue mich über eine Antwort und eine Rege Diskussion.
sathodie

1 „Gefällt mir“

Der Tenor war meines Erachtens ja gerade, dass diese Zahlen nicht optimal sind, aber es eben keine „besseren“ Quellen gibt.

Da bleibt dann eben die Frage:
Soll man auf Grundlage von zumindest in weiten Aspekten problematischen Daten diskutieren oder diese Daten ganz rauslassen? Beides ist legitim. Aber würde man die PKS gar nicht erwähnen, würde das vermutlich auch Leuten aufstoßen, was ich verstehen kann. Eine kritische Einordnung scheint mir daher der sinnvollste Weg gewesen zu sein.

Der Beitrag hat ja auch noch andere Quellen genannt, die darauf verweisen, wie groß das Problem ist - z.B. die Situation mit den Frauenhäusern. Insofern ist es ja nicht so, als würde man nur auf Basis der fragwürdigen PKS argumentieren.

1 „Gefällt mir“

Letztlich sehe ich es so, dass wir aktuell ja wissen, dass zu wenig getan wird. Wir können daher die nächsten Maßnahmen unabhängig von besseren Zahlen planen.

Schwierig würde es wenn malMaßnahmen ergriffen sind und es um deren Bewertung geht. Wenn man es schafft gleichzeitig die realen Fallzahlen zu senken und Betroffene dazu zu bewegen auch wirklich anzuzeigen, dann entstünde in der Statistik der Eindruck die Fallzahlen würden steigen, obwohl der Anstieg nur durch die Erhellung des Dunkelfeldes entsteht.

Ich glaube daher schon, dass es auf absehbare Zeit hier bessere Zahlen braucht, aber solange wenig getan wird eher Maßnahmen selbst im Fokus sein sollten.

2 „Gefällt mir“

Hallo liebes Lage der Nation Team,

ich würde gerne kritisches Feedback zu dem Thema Femizide in der Folge LdN408 äußern.
Konkret geht es um die im Podcast genannte Definition von Femiziden [Zeitmarke: 42:56 - 43:06]:
„ich glaube man kann das so auf den Kern eindampfen: Femizide sind Morde an Frauen in im weitesten Sinne Partner Konstellationen“.
Mein Eindruck im weiteren Verlauf ist, dass Sie dann zwar eine andere Definition anwenden, dennoch ist diese Definition falsch.

Femizide sind eine extreme Form geschlechtsbezogener Gewalt, also Gewalt aufgrund des Geschlechts. Die Debatten, die sich um den Begriff entfalten, drehen sich meiner Meinung nach vor allem darum, ob nur Frauen von Femiziden betroffen sind und der Ansicht inwiefern trans* Personen dort auch einbegriffen sind.
„Die Tötung von Frauen wegen ihres Geschlechts oder wegen bestimmter Vorstellungen von Weiblichkeit wird als Femizid oder Feminizid bezeichnet“ (Q1). Andere Definitionen nennen das Gewalt aufgrund misogyner Vorstellungen ausgeübt wird (Q2), da auch trans*-Misogynie existiert und so Gewalt an trans* Personen und Gewalt an Ihnen, beispielsweise nicht-binäre Personen die als weiblich misgendert werden einbezogen werden können. Da die Gewalt auch auf Misogynie und bestimmten Vorstellungen von Weiblichkeit beruhen.

(Quelle 1: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/infothek/toetung-von-frauen-femizid/merkmale-und-tatsachen.html| Quelle 2: #Femizid – Geschichte der Gegenwart | Quelle 3: Wie tödlich ist das Geschlechterverhältnis? | Femizid | bpb.de)

Femizide und Gewalt in Partnerinnenschaften spielen insofern eine Rolle, weil misogyne Gewalt am häufigsten in Partnerinnen und Ex-Partner*innenschaften passieren. Deshalb wird es im Kontext von Femiziden oft relevant gemacht und hervorgehoben, sie definieren aber nicht den Begriff.

Da die Lage der erste „Ort“ sein könnte bei dem Menschen mit dem Begriff und Konzept von Femiziden in Berührung kommen, wäre es mir sehr wichtig dass Menschen eine klare und richtige Definiton mitnehmen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie in der nächsten Folge nocheinmal auf die Definition eingehen könnten.

3 „Gefällt mir“