Hallo Lage-Team, vielen Dank für den stets informativen und konstruktiven Podcast!
In Folge 403 bezeichnet Philip Banse das Wort „Poliklinik“ als verbrannt, weshalb diesen Begriff lieber niemand in den Mund nehme. Stattdessen wird für diese in der neuen Krankenhausreform von Karl Lauterbach die Formulierung „sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen“ verwendet.
Ich habe mich gefragt, warum der Begriff verbrannt ist. Gibt es dafür einen Grund?
Wenn es sich dabei nur um eine diffuse Abneigung gegenüber allem handelt, was mit der DDR zu tun hat, finde ich das sehr schade. Vielmehr könnte man diesen Begriff ganz bewusst verwenden und damit (als später Beitrag zur Wiedervereinigung) anerkennen, dass es Aspekte am Leben in der DDR gab, von denen man heute noch lernen kann. So finde ich es hingegen nicht verwunderlich, dass sich Menschen aus dem Osten von „denen da oben“ nicht repräsentiert fühlen, wenn ihre Lebensrealität vor 1990 als schmuddelig, belächelnswert oder eben verbrannt dargestellt wird.
Ich weiß, es war nur ein Nebensatz in der Lage und kein Statement von einem Regierungsmitglied. Die Bemerkung scheint mir aber symptomatisch für ein fehlendes Verständnis im Westen von einem vereinten Deutschland und eben nicht einer BRD, in der die DDR rückstandslos aufgegangen ist.
Übersehe ich etwas? Was denkt ihr?
Das Problem ist, dass man nach der Wende vieles gleich mal abgewickelt hat, weil es eben aus dem Kommunismus kam - und hatte natürlich 1000 gute Gründe, warum das westliche System besser ist.
Politik tut sich immer schwer zuzugeben dass sie sich geirrt hat. Leider manchmal auch zu Recht, da ein Schuldeingeständnis nur allzu gern gegen den Politiker verwendet wird.
Wie gibt man also zu, dass die Polikliniken gar nicht so dumm waren ohne sich vorwerfen zu lassen man hätte funktionierende Strukturen ohne Not zerstört?
Die heutigen Verantwortlichen müssten sich das gar nicht vorwerfen lassen, denn von ihnen war damals vermutlich keiner an den Entscheidungen beteiligt. Es ist meinem Verständnis nach ja auch weithin Konsens, dass nach der Wende Fehler gemacht wurden. Was jetzt fehlt, sind Taten der Anerkennung, wenn auch symbolische, um den größer werdenden Riss zwischwn Ost und West zu kitten, anstatt (wie z.B. nach den letzten Wahlen) ratlos auf den Osten zu blicken und sich zu wundern, warum sich Menschen hier von der überwiegend westdeutschen politischen Elite abwenden.
Die Wende war etwa ein dreiviertel Jahr vor der Wiedervereinigung. Nicht alles, was nach der Wiedervereinigung als Kommunistisch und daher Böse verdammt wurde, war bei der Wende ein Thema. Polikliniken waren definitiv kein Problem für die friedliche Revolution.
„Polikliniken“, erinnert sich die Hausärztin und Rheumatologin Jahn, „hatten in der DDR einen guten Ruf.“ Daher wollte sie von vornherein in einer solchen Einrichtung arbeiten. Kurz nach der Wende habe aber auch sie über den Schritt in eine eigene Praxis nachgedacht, räumt sie ein. Im Endeffekt war aber die Miete zu hoch, „das hat sich einfach nicht gerechnet“, sagt Jahn.
Wäre es nach dem damaligen Willen des Gesetzgebers gegangen, würde es längst keine Polikliniken mehr geben. Im Einigungsvertrag „wurden die Polikliniken zu Auslaufmodellen erklärt“, erinnert der Ärztliche Leiter des bgz, Dr. Bernd Köppl. Bis Ende 1995 sollten die restlichen Einrichtungen abgewickelt werden.
Medizinische Versorgungszentren: Alte Idee mit neuem Namen (Folge 1)
So funktioniert Politik aber nicht. So wird der Linken bis heute vorgeworfen, sie sei die Nachfolgepartei der SED, der SPD Hartz IV und der CSU die schlimmsten Verkehrsminister aller Zeiten.