LdN395 Kognitive Ost West Dissonanz

An den Zahlen lese ich ab, dass Deutschland mit seinen Ausgaben für ODA in 2022 bei 0,83% vom BIP liegt. Frankreich bei 0,56%, Großbritannien und Polen bei 0,51%.

Bei den EU Beiträgen ist Deutschland im Verhältnis zum BIP der größte Beitragszahler.

Meine Interpretation wäre, dass Deutschland eine höhere Bereitschaft zeigt, diese Zahlungen zu leisten. Siehst du das anders?

„HPG-Forschungsbericht - Deutschlands Aufstieg zum humanitären Geber“

„Die Bundesregierung hat angesichts dieser besorgniserregenden Trends ihre Hilfe deutlich gesteigert und als durchgängig zweitgrößter Geberstaat.“

Aber warum wollen die keine Ausländer? Das muss doch die Frage sein. (btw - ich dachte eigentlich, es gibt keine einfachen Antworten).
Die Kritiken zur Studie selbst hast du im Internet wahrscheinlich schon gelesen. Wenn du schlechte Daten erhebst, erhältst du halt eine schlechte datengestützte Analyse.
Grundsätzlich halte ich Befragungen dieser Art nicht für hilfreich, Ursachen zu erschließen. Es lassen sich Symptome erkennen. Da diese sich in Abhängigkeit vom Tagesgeschehen verändern, ist es eventuell schwierig, damit kontinuierliche Politik umzusetzen. Eine gewisse Distanz zu etablierten Parteien würde ich schon eher als Konstante sehen.

Beispiel zum Thema Umfragen:
Nutzer von Streaming Diensten verbringen viel Zeit mit der Suche.*
Der erfolgreichste Social Media Dienst ist aktuell TikTok. Hier wird kaum gesucht, der Nutzer wird bespielt.
Wie würdest du erklären, dass ein Algorithmus Nutzer und Nutzerinnen besser adressiert, als deren Wille? Und was bedeutet das für die Aussagekraft von Umfragen?

*https://www.nielsen.com/de/insights/2023/media-metadata-success-in-streaming/#:~:text=Laut%20der%20Nielsen-Umfrage%20zu,noch%20fast%207%2C5%20Minuten.
Ergebnisse aller bisherigen Landtagswahlen in Sachsen bis 2024 | Statista

@Thomas80

Du hast/bist schon wieder geshiftet. Die Frage war ja nicht, ob Deutschland gemessen an seinem BIP einen passablen Beitrag zur Entwicklungshilfe leistet, sondern ob ostdeutsche Unzufriedene ihre Unzufriedenheit vorrangig damit begründen würden. Mal abgesehen davon, ob die Kritik am Quantum an deutscher Entwicklungshilfe eine durchdachte Position ist.

Die naheliegende Antwort ist, weil sich nachweislich rassistische Vorurteile, die übrigens die repräsentativen Mitte-Studien sehr gut messen, besonders in Communitys mit geringem Anteil Migrierter verbreiten.

Und auch das Interview mit Ilko-Sascha Kowalczuk
Jung & Naiv

Ein Aspekt der ostdeutschen Enttäuschung, der mich überzeugt:
In der ehemaligen DDR waren die Arbeitsbetriebe immer auch mit einer sozialen Struktur (Kinderbetreuung, Freizeitaktivitäten…) verbunden. Mit den extremen Arbeitsplatzverlusten nach der Wende brach für viele Ostdeutsche ihre Welt zusammen, während wir im Westen ruhig vor uns hin gelebt haben.

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Kowalczuk ist ein Checker. Besonders positiv ist anzumerken, dass er sich nicht zum Universalisten aufgeschwungen, sondern klar kommuniziert hat, auf welchen Fachgebieten er als Historiker nicht kompetent ist und daher auch keine Einschätzung treffen kann. Vorbildlich.

Leider hat Tilo Jung mit ihm so gar nicht über sein neues Buch Freiheitsshock gesprochen.

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Über das Buch spricht z.B. Jenny Günther im Einmischen-Podcast mit ihm. Sie sind nicht ganz einer Meinung. Sehr interessant.

Neben Kowalczuk und Mau gibt es noch weitere ostdeutsche Durchsteiger:

Wenn die Hälfte der Wählerinnen und Wähler Hass- und Hetzparteien wählt, dann schäme ich mich inzwischen für meine Artgenossen. […]

Wähler für die Folgen ihres Wahlverhaltens verantwortlich zu machen, ist keine Wählerbeschimpfung. […]

„Wir wissen zwar nicht, was wir wollen, aber das mit ganzer Kraft!“, parodierten wir einst die Losungen zum 1. Mai. Abstinenz, Negativismus Naivität bis heute: Wenn ich AfD wähle, verschwindet der Klimawandel. Wähle ich BSW, lädt Väterchen Wladimir den Kollegen Wolodimir bald zum Prasdnik mit Wodka in den Kreml ein. […]

Wie lautete doch der Buchtitel von Dirk Neubauer, der von den Rechten, also vom ignoranten Volk fertiggemacht wurde und als Landrat von Mittelsachsen nach zwei Jahren entnervt zurücktrat? „Das Problem sind wir!“


Hier spricht Kowalczuk Klartext:

Auch noch sehenswert:

Im Thread gibt es verschiedene Vermutungen zu den Ursachen für die Ost/West Abweichungen.
Fand den Podcast dazu ganz interessant. Hier schildert eine Person mit Zuwanderungsgeschichte ihre Wahrnehmung der deutschen Medien und was das mit Zugewanderten macht.
Wenn man Personengruppen öffentlich in eine Schublade schiebt, stecken sie irgendwann auch drin.

Spricht etwas dagegen, die vorgeschlagenen Regeln zur Sprache für Zugewanderte und Ost und Westdeutsche, also für alle zu verwenden?

Laut statistischem Bundesamt ist die Eigentumsquote in manchen Ost-Bundesländern höher, als in vielen West-Bundesländern:
Eigentumsquote
Deshalb scheint mir Dein radikaler Vorschlag nicht der richtige zu sein zunmal in den WEst-Bundesländern auch die Mehrheit kein Wohneigentum beseitzt.
Die sich über Generationen häufig verstärkende Wirkung von großen Erbschaften ist aber durchaus ein Probelm für die Gesellschaft. Ich denke, wenn man die Umgehung der Erbschaftssteuer deutlich reduzieren könnte, wäre deutlich mehr Gerechtigkeit möglich und es würde dringend benötigtes Geld verfügbar. Dazu zähle ich z.B. die rechtzeitige Übertragung von Vermögen (auch mehrfach) auf die Erben, die nach 10 Jahren nicht mehr berücksichtigt werden. Vor allem aber auch bei Befreiungen für Betriebsvermögen müsste verstärkt eingegriffen werden, da hierüber die wirklich großen Erbschaften mit deutlich gemilderter Steuerlast erfolgen. Statt Betriebsvermögen auszunehmen könnte man bei Gefährdung von Arbeitsplätzen eine Stundung der Steuerzahlungen diskutieren.

Kann ich nicht erkennen. Wenn man die Stadtstaaten weglässt, ist die Eigentumsquote im Osten sichtbar niedriger als im Westen. Mit Ausnahme Hessens und NRWs kann man sagen: Eigentumsquoten über 45% ist Westdeutschland, 33-45% Ostdeutschland, und unter 33% sind Stadtstaaten. Deine „vielen West-Bundesländer“ sind also genau zwei. Und eigentlich nur eins, weil lediglich in Brandenburg die Eigentumsquote ein bisschen höher als in Hessen ist, und dabei dürfte der Speckgürtel um Berlin eine Rolle spielen, der über die Jahre viele Zuzüge aus dem Westen zu verzeichnen hatte.

Dass allerdings ausgerechnet Sachsen-Anhalt und Thüringen über dem Bundesdurchschnitt liegen, darf man auch erwähnen.

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Um ein halbes Prozent? Wenn 10 Länder über dem Durchschnitt liegen, und vor allem Berlin und Hamburg den Durchschnitt massiv nach unten ziehen? Die bei der Hälfte oder nur einem Drittel des Durchschnitts liegen?

Dass Stadtstaaten den Schnitt stark nach unten ziehen wage ich zu bezweifeln. Man teilt ja nicht durch Bundesländer sondern Haushalte.
Es wird hier ein Problem suggeriert, dass es so nicht gibt. Es erweckt den Eindruck, man hätte hier Leuten etwas weg genommen, das ist aber nicht der Fall. Sie hatten Pech in der Geburtslotterie und das ist alles.
Das Problem ist, dass Geld neues Geld anzieht. Da muss man ran. Ein Thema, das seltsamerweise im Kapitalismus gar nicht so gerne gesehen wird. Dabei steht die Konzentration des Geldes dem Kapitalismus sogar im Weg, denn es setzt sich nicht mehr der beste durch, sondern der mit den besten Startbedingungen.

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2 Bundesländer, in denen aber deutlich mehr Menschen leben, als in allen Ost-Bundesländern zusammen.

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…und die sehr stark urbanisiert sind, so dass die Effekte, die in den Stadtstaaten zu niedrigen Eigentumsquoten führen auch dort eine große Rolle spielen dürften - unabhängig davon, ob es Ost- oder Westländer sind.

Womit sich der Kreis schließt: Offensichtlich ist nicht oder mindestens nicht besonders Ost-West das entscheidende Problem bei der Eigentumsquote.

Jedem Ostdeutschen steht es frei, sich in Gegenden anzusiedeln, in denen die Wohneigentumsquote und die Löhne höher sind.

Dass es Disparitäten beim Eigentum und Vermögen zwischen Ost und West gibt, ist in einer Gesellschaft langfristiger kapitalistischer Kapitalakkumulation völlig normal, wenn ein Teil erst viel kürzer dabei ist.

Ändern könnte man es nur durch massive Enteignungen Westdeutscher.

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Es geht nicht nur um haben oder nicht haben.
Wenn man Eigentum besitzt oder vererbt bekommt, schützt es mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Altersarmut, was für die viele Menschen eine gute Motivation darstellt.
Es sei denn, es ist Energieklasse E bis H und man erhält den Sanierungskredit weit jenseits der 4% (ist bis zur Rente abzuzahlen).
Sanierung alter Häuser ist was für Experten - wenn man einen bekommt, passt die Kostenschätzung sehr wahrscheinlich. Wenn es kein Experte ist (die Feststellung ereilt den Hobbybauleiter früher oder später), muss man entsprechend nachschiessen können oder besser nicht anfangen. Nachträgliche Krediterhöhungen sind wie PKV Patienten für Banken - ein Termin sollte also kein Problem sein.
Wer in einer strukturschwachen Region ein Haus baut, sollte aufgrund der Risikoabschläge schon 30% EK mitbringen - eher 50%. Arbeitsplatzwahrscheinlichkeit und derzeitige Insolvenzquote Projektentwickler sollte jeder persönlich abschätzen. Aussichten für Infrastruktur über die nächsten 20-30 Jahre sind auch relevant. Liebhaberbauten sind davon ausgenommen.
Mindestens 100k sind jeweils notwendig, besser 200k.

Enteignung zur Umschichtung sehe ich nicht zielführend - glaube auch nicht, dass der Osten das will.
Enteignung für Energiewende fände ich erklärbarer. Dadurch lassen sich Abgabenquoten in ganz Deutschland senken und die Perspektive auf Wohlstand kann beeinflusst werden.
Mit 1 Billion wäre schon mal ein Anfang gemacht. Geldvermögen beträgt 8B. Wäre das 2020 passiert, wäre der Betrag allein durch die Inflation schon wieder gedeckt)

Berechnet man die Überlegung vom Anfang, könnten mit reinem Gewissen 2-3Mrd jährlich in den Osten geleitet werden. Entspricht 15% auf den Goodwill, den Deutschland für ODA und EU bezahlt.
Die könnte man in die öffentliche Daseinsfürsorge im Osten stecken. Oder Grundsteuer auf 0 (~1.5Mrd) und Grunderwerbssteuer absenken.

  • BIP Deutschland 2022: 3.962,15 Milliarden Euro
  • Steuereinnahmen Deutschland ohne Gemeindesteuern 2022: 814,9 Milliarden Euro

Beispiel Deutschland zahlt anteilig wie Frankreich/GB

EU Netto Einzahlungen
Anteil am BIP (%) Betrag (in Milliarden Euro) Anteil der Steuereinnahmen
0,63% 24,96 € 3,06%
0,44% 17,43 € 2,14%
ODA
Anteil am BIP (%) Betrag (in Milliarden Euro) Anteil der Steuereinnahmen
0,83% 32,902 4,03%
0,56% 22,188 2,72%
0,51% 20,233 2,48%

Ungleichheit auf Dauer führt meistens zu unangenehmen Konsequenzen. Dem sollte Deutschland vorbeugen.
Es gibt politische Beobachter/Wissenschaftler, die erklären z.B. die Entwicklung der USA aktuell mit folgenden Untersuchungen:
Weithin Konsens besteht jedoch darüber, dass Regimewechsel mit dem Risiko eines Bürgerkriegs behaftet sind und dieses Risiko in Ländern mit einem hohen Einkommen (gemessen am Pro-Kopf-Anteil am Bruttoinlandsprodukt) geringer ist – was jedoch nicht bedeutet, dass die Bürgerkriegsgefahr in wohlhabenderen Ländern gebannt ist: Ist der Wohlstand ungleich verteilt und sind bestimmte Gruppen benachteiligt, stellt dies ein Konfliktrisiko dar.44 Doch ansonsten werden oft ohne Rückbindung an ein explizites Erklärungsmodell viele Faktoren postuliert und Korrelationen untersucht45 – darunter etwa Geschlechterungleichheit, Knappheit oder Überschuss von Rohstoffen und Anteil junger Männer an der Gesamtbevölkerung.46

Es sind doch längst mehr als zwei Billionen € Nettotransfers von West nach Ost:

Es werden doch nach wie vor netto mehr Milliarden in den Osten transferiert.

Die Kürzung von Entwicklungshilfe scheint obsessiv zu sein.

Der „Anteil junger Männer an der Gesamtbevölkerung“ ist im Osten in der Tat ein Problem. Nazis-Wählen macht’s nicht besser. Im Osten sollte man sich lieber mal fragen, warum so viele junge, gut ausgebildete Frauen abhauen.

Ich spreche nicht von Transfers. Lies bitte nochmal genau. Ich schlage vor, dieses Geld in die deutsche Energiewende zu stecken (wenn man enteignet). Ganz Deutschland würde profitieren und Abgabenquoten ließen sich für alle Arbeitnehmer reduzieren.