Mich interessiert, was ihr über den Kommentar von Udo Vetter/lawblog so denkt bzgl. Abweisung von Asylsuchenden an der deutschen Grenze:
Könntest du die Position kurz zusammenfassen? Nicht alle haben immer Zeit, alles verlinkte durchzulesen. Danke!
Der Artikel bezieht sich auf einen Debattenbeitrag des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier. Papier hält die Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze nicht nur für möglich, sondern sogar für geboten.
Der law Blog stimmt der Position Papiers vollumfänglich zu.
Zitate:
„ Deshalb hat der Ex-Gerichtspräsident völlig recht, wenn er in Richtung eines Notstandes argumentiert, der uns berechtigt, unter Berufung auf deutsches Recht schlicht Nein zu sagen.“
weiterhin:
„Ein Nein zu EU-Regelungen führt übrigens nicht zu einem Eintrag ins Klassenbuch. Derzeit laufen vor dem Europäischen Gerichtshof 64 Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Unter anderem widersetzt sich die Bundesrepublik EU-Regelungen wegen Nitratbelastung des Grundwassers, Lärmschutz an Eisenbahnstrecken und dem Schutz seltener Vogelarten.“
Der Tenor des Artikels und so saloppe Formulierungen wie „Eintrag ins Klassenbuch“, wenn es um Grundrechte von Menschen geht, finde ich schon etwas fragwürdig.
Papiers Argument, also der Verweis auf Art. 16.a GG ist ja im Grunde dasselbe wie das von Thorsten Frei, das in der LdN 395 zitiert wurde. Da lautete die Einschätzung: Ja, für das deutsche Asylrecht stimmt das, es gibt aber eben internationale Regelungen (Dublin III, GFK), die das überlagern.
Papier wischt das mehr oder weniger weg mit dem Buzzwort „Kernbereich der staatlichen Souveränität“. Aber zumindest der Artikel geht nicht darauf ein, dass ein Staat sich selbstverständlich durch das Schließen von Verträgen selbst in seiner Souveränität einschränken kann - und das ist wie bei vielen EU-Regelungen und ratifizierten internationalen Verträgen auch hier der Fall.
Letztlich argumentiert der Artikel ja auch klar für einen bewussten Rechtsbruch nach dem Motto: „Ja, es ist eine Verletzung von EU-Verträgen, aber da gibt’s eh schon zig Verfahren und die dauern ewig“. Auch diese Argumentation wurde in der Lage schon besprochen.
TL/DR: Die in dem Artikel vorgebrachten Argumente wurden in der Lage bereits besprochen. Es ist mitnichten so, wie der Artikel suggeriert, dass die Rechtslage völlig anders aussieht als allle dachten und dass alle anderen außer dem lawblog nur zu doof oder zu faul waren, um mal in ein Gesetzbuch zu schauen.
Offenbar gibt es sehr rechte Einstellungen unter ehemaligen Verfassungsrichtern.
Nicht unbedingt Rechts, aber es gibt unter Verfassungsrichtern (vielleicht naturgemäß) eine gewisse Empfindlichkeit, wenn EU-Recht mit deutschem Recht(sempfinden) in Konflikt gerät.
Ist das etwas schlimmes? Natürlich stehen auch Verfassungsrichtern rechte bis sehr rechte Meinungen zu, solange sie auf dem Boden des Grundgesetzes fußen. Rechts zu sein ist - wie auch links zu sein - nichts schlimmes (wie der Beitrag insinuiert).
Ich halte die Einschätzung für falsch. (edit: Ein Satz gelöscht.) Nur um unliebsame Flüchtlinge loszuwerden, ist man bereit, die EU und all ihre Vorteile aufzugeben. Wie dumm!
Mittlerweile äußern sich rechte Politiker, die sicher nicht den Rechtsstaat aushöhlen wollen wie die AfD, in einer Art und Weite, die nicht mehr von den rechtsextremen oder populistischen Äußerungen der AfD zu unterscheiden sind, vor allem Spahn, Söder und Merz. Und hier eben ein lange pensionierter Verfassungsrichter.
Ja, ich finde das menschenverachtend. (edit. Hier stand zuvor „schlimm“)
Übrigens gibt es sogar Übernahmeersuchen nach Dublin an Deutschland. Und - wie überraschend - auch Deutschland nimmt nur einen Teil „zurück“. https://dserver.bundestag.de/btd/20/108/2010869.pdf Ups.
Die Debatte ist durchzogen von Zynismus und Menschenfeindlichkeit.
Klar, sorry.
Vetter sagt, laut §18 Asylgesetz und Art. 16a Grundgesetz sind Abweisungen an der Grenze durchaus möglich und die entsprechenden EU-Regelungen seien nicht anwendbar, da sie die Souveränität Deutschlands betreffen und die Geschäftsgrundlage der Regelungen nicht gegeben sind. Argument ist quasi: Da die Umverteilung nicht funktioniert und die Außengrenzen nicht gesichert sind, sind auch die Regelungen hinsichtlich innereuropäischer Grenzen nicht anwendbar.
So verstehe ich ihn jedenfalls.