LdN377 - Kinderarmut "Die Kinder sind ja nicht schuld"

Hallo Philip und Ulf,

bei hören des Podcasts bin ich bei dem Satz „Die Kinder sind ja nicht schuld“ geistig gestolpert. Denn der Satz ist richtig und trotzdem führen Kinder zu finanziellen Einbußen damit höherem Armutsrisiko, insbesondere im Falle einer Trennung mit der Folge einer Alleinerziehung. Und man hört ja auch mal Sätze in der Art „also wenn Du nicht gewesen wärst…“. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich auch das Thema nochmal anders zu betrachten.
Deutschland ist an vielen Stellen immer noch ein kinderfeindliches Land. Kinder werden oft nicht als vollwertige Menschen, sondern als Störfaktoren angesehen. Im Restaurant z. B. sollen sie schön still auf dem Stuhl sitzen und letzendlich alles so machen das die Erwachsenen am besten gar nicht merken, dass sie da sind. An vielen Stellen neigt unsere Gesellschaft dazu Kinder auszublenden. Ein bischen so wie bei Behinderten. Eine Folge davon ist, dass Paare oft unvorbereitet in ihre Elternschaft starten. „Frauen können von Natur aus Kinder kriegen, also haben sie von der Natur auch alles mitbekommen um diese zu erziehen“ überspitzt gesagt. Das Kinder, insbesondere Babys extrem viel von den Eltern abverlangen, daran scheitern in der Folge auch oft Beziehungen (Zahl hab ich vergessen, aber sie war erschreckend hoch). Eltern darauf vorzubereiten, was sich alles ändert mit Kind und wie man damit zurecht kommt wäre aus meiner Sicht auch ein ganz wesentlicher Punkt, um Kinderarmut zu verhindern und gleichzeitig sollten sich dadurch auch die Zahl der Trennungen und damit auch Armut allgemein reduzieren. Und es sollte mehr glückliche Paare geben.

Ich finde es braucht keine Aufklärung zur Elternschaft. Das Problem sind völlig übertriebene Anträge für Elterngeld und Aufteilung der Rentenpunkte. Das Problem ist eine völlig unterfinanzierte Familien- und Bildungspolitik. Das Problem sind unflexible Arbeitgeber. Das Problem sind kinderlose Kollegen, die gern gegen die bösen Kollegen mit kranken Kindern wettern. Das könnte msn jetzt noch im Detail ausschlachten, aber das wäre mich nur noch wütender machen.

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Als Vater von zwei Kindern, eins davon geistig schwerbehindert, kann ich nur sagen dass ich mir keinerlei „Vorbereitung“ vorstellen kann, die einen ernsthaft auf die Veränderungen „vorbereitet“. Dafür staatliches Geld auszugeben finde ich auch nicht zielführend.

Wir wissen ziemlich genau, wie man Eltern dazu befähigt, gute Eltern zu sein: gefestigtes soziales Umfeld, stabile Einkommenssituation, kostenfreie Kinderbetreuung, schnelle und unkomplizierte Unterstützung (= Geld und/oder persönliche Betreuung durch Sozialarbeiter) durch den Staat im Krisenfall (oder am besten schon präventiv).

Zu all dem gibt es hervorragende und durchdachte politische Konzepte in der Schublade. Nur kosten die alle Geld und/oder richten sich an Menschen, die von Teilen der Bevölkerung und politischen Elite als nicht „hilfswürdig“ wahrgenommen werden.

Nötig ist entsprechend die politische Umsetzung dieser Unterstützungsmaßnahmen, nicht ein „Bildungsprogramm“ für werdende Eltern, was am Ende nur dazu dient die Verantwortung für Armut wieder auf die Armen abzuschieben („wir haben ihnen doch erklärt was man machen muss um nicht arm zu sein, selbst schuld wenn sie es nicht machen“).

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Mal etwas überspitzt formuliert:

Politik und wir als Gesellschaft tun auch einiges dafür, das Kinder großziehen ziemlich unattraktiv zu machen.

Eltern (freiwillig) zu werden bedeutet auch heute noch ein gehöriges Maß an Idealismus.

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Polemisch könnte man auch sagen: „Keiner wird gezwungen Kinder zu bekommen.“

Und die Aufzählung oben bezüglich der Grundlage für gute Eltern…also ich sehe da nichts was auf Eltern beschränkt sein sollte. Soziales Umfeld, sicheres gutes Einkommen, schnelle unkomplizierte Unterstützung bei Problemen…

Ein guter Sozialstaat und eine gute Gesellschaft die nicht auf Ellenbogen aufbaut würde vermutlich allen helfen, außer denjenigen die dafür zusätzlich Aufkommen müssen.

Auch das. Wird ja auch keiner wirklich gezwungen zu arbeiten.

Aber du hast völlig recht: faire und sichere Rahmenbedingungen für alle wären schon ein Punkt, um viel Unzufriedenheit und Ungleichheit in unserer Gesellschaft zu reduzieren.

Und polemisch könnte man antworten: Alle Kinderlosen profitieren später von meinen Kindern.

Ich kenne dich nicht aber es gibt auch Kinder die zu Erwachsenen werden von denen keiner profitiert. Insofern ist es erstmal eine Wette :wink:

Und da wir eh über kurz oder lang von einem System mit Generationvertrag weg müssen können wir von mir aus auch direkt damit starten. Ich habe mir das System in der Form nicht ausgesucht.

Ich finde diesen Spruch (und den dahinter stehenden Gedanken) ehrlich gesagt dämlich. Zum einen, weil es natürlich jede Menge Schwangerschaften gibt, die nicht „gewünscht“ wurden, aber aus unterschiedlichen und komplexen Gründen trotzdem durchgezogen werden (einschließlich der akuten Überforderung der Mutter/Eltern von der Situation).

Zum anderen, weil hier schon wieder die Verantwortung des Individuums betont wird, ohne die Verantwortung des Kollektivs (der Gesellschaft) zu würdigen.

Das ironische ist: es würde auch jenen helfen, die für die höheren Ausgaben aufkommen müssen. Denn auch der „Selfmade“ Unternehmer profitiert von (auf Staatskosten) gut ausgebildeten Fachkräften, einer guten Infrastruktur und einer Gesellschaft, in der die öffentliche Debatte und öffentliche Gelder nicht primär auf das notdürftige Zurechtbiegen massenhaft verkorkster Kindheiten verwendet werden müssen. Jeder Strafgefangene kostet den Steuerzahler täglich knapp 200 Euro, von den vorhergehenden Kosten für Strafverfolgung und das Verbrechen selbst mal ganz abgesehen. Vor dem Hintergrund sollte der deutsche Staat als Kostensparmaßnahme eigentlich jedem Kind, das auch nur Anzeichen für sozial-emotionale Entwicklungsschwierigkeiten zeigt sofort einen eigenen Sozialarbeiter an die Seite stellen.

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