LdN375 Zusammenarbeit mit der AfD

Die CDU hat im Thüringer Landtag den Entwurf zur Senkung der Grunderwerbsteuer zur Abstimmung gegeben, wissentlich, dass er nur mit Zustimmung der AfD angenommen werden könnte, da die Rot-Rot-Grüne Regierung strikt dagegen war.
Wenn man die CDU nun in die Pflicht nimmt, sie dürfe keine Anträge stellen, die nur mit den Stimmen der AfD angenommen werden können, könnte die CDU doch kaum noch Anträge stellen.

Wäre das nicht eine zu starke Einschränkung der Oppositionsarbeit?
Wie sollte man da abwägen zwischen demokratisch wichtiger Oppositionsarbeit und der Brandmauer gegen Feinde der Demokratie?

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Ist es Aufgabe der Opposition gegen die Regierung Anträge durchzubringen? Vor allem, wenn das zu weniger Einnahmen führt und die Regierungsarbeit einschränkt? (hier bitte keine Beiträge zur MMT, da das in Deutschland nun mal nicht politische Realität ist).
Ich erinnere hier gerne daran, dass es eigentlich einen Deal zwischen Linke und CDU gab, eine Minderheitsregierung zu führen, die von der CDU toleriert wird und dann vor der Haushaltsentscheidung den Landtag aufzulösen und Neuwahlen durchzuführen. Die CDU hat den Deal platzen lassen und gegen die Auflösung des Landtags gestimmt. Die CDU ist also nicht nur Steigbügelhalter für rechte Parteien sondern auch noch Wortbrecher.
Vor so einer Partei kann nur deutlichst gewarnt werden.

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Danke für die Antwort! Von den genauen Deals in Thüringen wusste ich nichts, ich würde Ihnen da aber durchaus zustimmen, dass dieses Vorgehen der CDU der AfD nützt.
Ich finde allerdings, dass es zur Oppositionsarbeit dazugehört eigene Anträge zu einem Thema in den Landtag einzubringen, wenn man die Position und den Vorschlag der Regierung kritisiert. Nach dem Motto, nicht nur kritisieren, sondern auch selber konstruktive Vorschläge machen.
Aber selbstverständlich sollte man dabei nicht mit rechten Parteien zusammenarbeiten und die Regierung einschränken.
Aber sollte die CDU deshalb gar keine Gesetzesentwürfe vorlegen, außer sie seien mit der Regierung abgesprochen (,was wohl eher gar nicht als selten passieren wird)?

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Die CDU ist in Thüringen keine Oppositionspartei im engeren Sinne, darum kann sie sich meiner Meinung nach auch nicht auf die üblichen Gepflogenheiten und Selbstverständlichkeiten einer Oppositionspartei berufen.

In einer parlamentarischen Demokratie sind die parlamentarische Mehrheit und die Regierung normalerweise mehr oder weniger das Selbe. Entsprechend gibt es auch eine klar definierte parlamentarische Opposition.

Bei einer Minderheitsregierung gibt es das Konzept einer „Opposition“ dagegen nicht mehr in der Form, wie wir es in Deutschland gewohnt sind. Es gibt die „Regierung“ – also z.B. der Ministerpräsident, die Minister und ihre Ministerien – und wechselnde parlamentarische Mehrheiten.

Dass die CDU gleichzeitig für sich alle Freiheiten einer parlamentarischen Opposition in Anspruch nimmt und eigene Mehrheiten für Anträge zusammenbringt, macht keinen Sinn. Wer den Staat führen will (und den Anspruch formuliert die CDU in Thüringen ja deutlich mit ihren Gesetzesanträgen), muss auch bereit sein Verantwortung zu übernehmen. Und dazu gehört eben auch ein abgeklärter Umgang mit den Gegnern der Demokratie wie der AfD.

In der Praxis bedeutet das für mich, dass die CDU natürlich nicht auf die Stimmen der AfD für die Verabschiedung von Vorlagen zählen darf, egal ob dem eine explizite Absprache vorausgegangen ist oder nicht. Sie steht – genauso wie jede andere Partei im Thüringischen Landtag – in der Pflicht, entweder mit den anderen demokratischen Parteien Kompromisse zu finden oder Neuwahlen herbeizuführen.

Vor dem Hintergrund wäre es aber vielleicht von Ministerpräsident Ramelow intelligenter gewesen, gar keine Koalition zu bilden. Entweder indem es eine rein Linke Minderheitsregierung gäbe, oder indem die Ministerien ohne formale Koalition paritätisch von allen demokratischen Parteien besetzt werden und jeweils wechselnde Mehrheiten für Gesetze gesucht werden.

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Vielen Dank für die ausführliche Antwort! Über die Tatsache, dass die CDU gegen die Auflösung des Landtags gestimmt hatte, habe ich nicht nachgedacht.

(War eigentlich ein Themenvorschlag, passt ja aber auch hier) In Berlin-Lichtenberg hat die CdU mit der AFD und BSW gegen eine Verkehrsberuhigungsmaßnahme gestimmt. Hier ging es um einen Modalfilter. Dieser wurde demokratisch mit Stimmensammlung im Kiez durch den Kaskel-Kiezblocks durchgesetzt. Die CdU hat wissentlich die Situation ausgenutzt, dass einige Bezirksverordnete krankheitsbedingt gefehlt haben, um die Mehrheitsverhältnisse (inkl. AFD) zu ihren Gunsten zu nutzen. Ist das nötig? Welches Demokratieverständnis liegt hier zu Grunde? Ich empfinde dieses Vorgehen als verstörend, wenn auch nicht überraschend.

Kenne den Sachverhalt nicht im Detail, aber ich würde einer Partei ja nicht vorwerfen, entsprechend der eigenen Position für einen Antrag der Regierung zu stimmen. Das macht sonst auch keiner - ob man das jetzt inhaltlich begrüßt sei mal dahingestellt.

In der ganzen Diskussion muss die CDU halt auch aufpassen, dass man sich nicht von links erpressen lässt. Eigene Positionen zu räumen und immer weiter nach links zu rücken, weil immer mehr als „AfD-Position“ gelabert wird, was früher sogar mal eine SPD-Position war, kann insgesamt für die Parteien-Landschaft gefährlich werden. Das von links immer wieder in den gleichen Topf zu werfen erscheint mir da kontraproduktiv - Stichwort „das Original“ wählen.

Ein Beitrag wurde in ein neues Thema verschoben: Interview M. Voigt/ Stadt-Land-Konflikt

Mal eine ganz schlichte Überlegung:

Wir sind ja formal eine Demokratie. Also eine Staatsform, die sich aus rechtlich legitimierter Meinungsvielfalt und mehrheitsbasierenden Entscheidungsprozessen definiert.
Unsere Wahlen verlaufen (wohl auch aus internationaler Sicht) demokratisch und rechtlich sauber ab und bilden somit diese Mehrheitsverhältnisse der Bevölkerung ab (je nach Wahlbeteiligung mehr oder weniger komplett).

Nun stimmt jeweils eine gewisser Teil dieser Bevölkerung für also eine Partei als die inhaltliche Interessenvertretung, welche die eigene Einstellung am besten wiederspiegelt.

Das bedeutet also, das die CDU rechtlich legitim einen Teil der Bevölkerung politisch vertritt.
Aber damit auch die AfD.
Oder? Rein formaljuristisch betrachtet.

Nun hat unser Staat bei der Gründung aufgrund der Erfahrungen im Nationalsozialismus beschlossen, einige Sicherheitsmechanismen in unserer Staatssystem einzubauen, um eine ungewollte Machtübernahme durch extreme Kräfte zu verhindern.
Vertrauen wir auf diese Mechanismen? Ist unsere Demokratie wehrhaft genug?

Wenn eine extreme Partei wie die AfD nun mit populistischen Parolen einen Teil der Bevölkerung überzeugen kann, soweit das diese ihre Stimme an die AfD gibt oder geben würde, ist dann dieser Teil der Bevölkerung daran schuld?
Oder die AfD als Verführer dieser Menschen?
Oder auch die Parteien der demokratischen Mitte, weil sie diese Menschen nicht erreichen konnten, keine überzeugenden Lösungen bieten bzw. Kommunizieren konnten?
Oder auch wir als Gesellschaft als Ganzes, weil wir keine ausreichende Bildung bieten konnten, ggf Teile unserer Gemeinschaft nicht mehr mitgenommen haben?
Sind wir in der Lage, eine AfD noch sachlich-argumentativ zu stellen und zu bekämpfen? Oder können wir uns nur noch mit Verboten und Ausgrenzung wehren?

Ich hab bei solchen Diskussionen immer ein unangenehm komisches Gefühl im Bauch was unsere Demokratie und deren Stabilität angeht….

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Wenn Deutschland von 1933 bis 1945 die Welt mit einem Angriffskrieg überzieht, ist dann der Teil der Bevölkerung schuld, der der NSDAP seine Wählerstimme gegeben hat?

Oder Adolf Hitler und sein Propagandaminister?

Das übernehme ich jetzt genau so.

Auch das.

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass eine Hauptschuld die trifft, die, großteils wider besseres Wissen und aus Trotz eine radikale Partei gewählt haben.
Wenn sie dann erst mal im Reichs-/Bundestag sitzen, wird es mit der Argumentation gegen eine mit Wählerstimmen legitimierte Partei schwer.
Wenn diese Partei dann in Regierungsverantwortung ist und mit Druck von der Straße (wir wissen, dass eine beeindruckende Demonstration auch von Minderheiten durchgeführt werden kann) Notstandsgesetze auf den Weg bringen möchte, wird es auch für die anderen Parteien schwer, sich da noch dagegen zu wehren.
Wer glaubt, die AFD bräuchte eine Mehrheit, um die Demokratie zu zerstören, liegt falsch.

Nein. Nicht jede Partei die gewählt wird ist auch „legitim“. Darum kennt unser Grundgesetz ja das Instrument des Parteienverbots. Eine Partei, die gegen die Demokratie arbeitet, kann theoretisch auch beim erreichen einer absoluten Mehrheit immer noch verboten werden, wenn sie auf die Abschaffung der demokratischen und freiheitlichen Grundordnung ausgerichtet ist. Das ist die Lehre aus der Nazizeit (in diesem Rechtsbereich).

Ich würde mir wünschen, dass sowohl die Politik, als auch die Rechtssprechung diese „Wehrhaftigkeit“ konsequenter umsetzt.

Klar. Ich gehe mal vom IST-Stand aus, da ist die AfD meines Wissens nicht verboten.

Ich stelle jetzt erstmal nur Verständnisfragen in den Raum. Nur um mal alle Aspekte zu beleuchten.

Was mir aktuell schon etwas Mut gemacht hat waren die flächendeckenden Proteste gegen Rechts und gegen die AfD. Offenbar ist „das Volk“ noch nicht so machtlos oder träge, um Widerstand zu demonstrieren.
Was ich hoffe (aber wofür es leider keine Garantie gibt): Das viele, welche in Umfragen jetzt die AfD als Option nennen, das eher aus dem Motiv heraus tun, um der Regierung (und CDU als Opposition) einen „Denkzettel“ zu geben. Aber wenn letztlich das Kreuz auf dem Wahlzettel gesetzt wird, die AfD als doch unwählbar betrachten und eine der demokratischen Parteien wählen.
Ist aber eher Optimismus.
Aktiv bleiben muss man sicher trotzdem

Die Bezüge zum Nationalsozialismus 1933-1945 sind sicher nicht von der Hand zu weisen.

Keine Partei ist verboten, bevor sie verboten ist. Die Entscheidung, dass es sich um eine illegitime Partei handelt, muss zwangsläufig schon vor dem formellen Verbot von den politisch Verantwortlichen (und dem demokratischen Teil der Bevölkerung) getroffen werden. Die Partei (und im gewissen Maße auch ihre Anhänger) muss also als demokratiefeindlich behandelt werden, bevor ein Gericht diese Einschätzung in letzter Instanz bestätigt.

Das ist natürliche in rechtsstaatlicher Balanceakt, aber meiner Ansicht nach unumgänglich.

Da wir in der Vergangenheit ja eher nicht so wirklich durchgängig erfolgreich mit Parteiverboten waren, dachte ich eher an ein formaljuristisches Verbot von legislativer Seite.

Das man da inhaltlich gegenhalten muss, ist davon natürlich unbenommen.

Aber solange eine AfD rein formalrechtlich als legitime Partei gilt, ist es zumindest schwierig, ihr gesetzlich zustehende Rechte auch formal zu verwehren.
Natürlich kann man auf parteipolitischer Ebene mit Ablehnung der Zusammenarbeit, Abgrenzung und argumentativem Widerstand arbeiten.
Eine Brandmauer wie bei der CDU finde ich insoweit nicht wirklich verlässlich, da dort offenbar das gleiche Baumaterial wie bei der CDU-Brandmauer gegen die Grünen verwendet wurde…das bröckelt ja auch… :wink:

Ich stimme Ihnen zu, dass man nicht alles als AfD-Position bezeichnen sollte, was die AfD vertritt. Aus dem Grund, dass Positionen, die die AfD vertritt von vielen Parteien vertreten werden und auch keine radikalen rechtsaußen Meinungen sind. Zum Beispiel keine Steuererhöhungen, insbesondere für Reiche (ist zwar trotzdem schlecht, aber nichts, was man den Rechten zuschreibt), was die FDP auch ablehnt.

Allerdings kann durchaus etwas, was Sozialdemokraten vor 20 Jahren vertreten haben heute eine AfD-Position sein, Beispiel Verhältnis zu Russland.

Man muss einfach unterscheiden zwischen Positionen, die die AfD auch vertritt und „AfD-Positionen“

Es ist ja inzwischen oft genug durchgesprochen worden, das die Wählerschaft der AFD eine Mischung aus Protestwählern, Rechtradikalen aber vor allem sehr vielen „Nichtwählern“ ist. Das heißt ein paar würden eine andere Partei wählen, wenn Sie das gefühlt hätten vertreten und gehört zu werden. Diese nicht zu unterschätzende Anzahl an eigentlichen Nicht-Wählern ist eine schwierige Gruppe wie ich finde. Denn Sie fühlt sich aktuell nur von der AFD und nicht von den kommerziellen Parteien vertreten.
Solange die AFD nicht eindeutig verboten werden kann und diese Gruppe der Bevölkerung in Ihr eine Vertretung gefunden hat, muss man andere Wege suchen die Demokratie zu schützen. So wehrhaft sind unsere Instituttionen nicht. Es wurde lang genug und in vielen Ländern erprobt wie man eine Demokratie nutzt um sie von Innen zu zerstören. Dauert lange aber funktioniert. Die angestrengte Sicherung des Verfassungsgerichtes ist eine wichtige neue Variante diese Vorgehensweisen zu blockieren. Demokratien müssen Ihre Sicherungsmechanismen überdenken und neu ausarbeiten. Nur hoffen und glauben das es vorbeizieht, ist längst nicht mehr zeitgemäß. In den alten Parteien hat sich das noch nicht ausreichend herumgesprochen.

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Viele von denen haben noch nie irgendwelche Parteien gewählt.
Das einzige, was sie an die Urnen treibt, dass es endlich eine Partei von Leuten gibt, die die Hoffnungslosigkeit, die sie haben, in Worte fassen kann. Hoffnungslosigkeit für alle, in der Hoffnung, dass wenn Deutschland ganz unten ist, es wieder aufwärts geht.
Diese Leute zu erreichen haben die anderen Parteien leider schon längst aufgegeben - und das leider zu Recht, da diese Leute gar keine Lust auf den politischen Diskurs haben.
Es macht keinen Sinn um diese Leute zu kämpfen.
Ihnen aber die falsche Hoffnung zu geben, mit der Stimme für die AFD hätten sie die Chance dass Politik ihre Probleme endlich wahr nimmt, hat genau den gegenteiligen Effekt.