LdN372: Steuergerechtigkeit: Warum die Mehrheit keine Reform der Erbschaftssteuer will

In dem Interview mit Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit sagt dieser sinngemäß, dass es nun Aufgabe der Politik sei, gut zu verkaufen, dass wir eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer bräuchten, die aber nur die reichsten 200 Menschen beträfe.
Und ich meine da ein wenig Verwunderung rausgehört zu haben, warum die große Masse sich nicht schon längst dafür einsetzt.

Ich wundere mich darüber gar nicht, aber ich weiß gerade nicht, ob ich mich gedanklich total verrenne?

Den reichsten Menschen in Deutschland gehört anteilig der Springer-Konzern und auch andere Medienkonzerne. Ich sehe schon vor meinem geistigen Augen die Schlagzeilen, die in der Bildzeitung kommen werden, sobald die Politik dieses Fass aufmacht. Da werden garantiert sofort Ängste geschürt, dass Omis Eigenheim weg ist, sobald die Politik auch nur ein Wort in den Gesetzen zur Erbschaftssteuer ändert. Ich sehe da Parallelen zum Heizungsgesetz.

Die Macht und Informationshoheit ist in Deutschland jetzt schon sehr asymmetrisch verteilt, und natürlich haben die reichsten 200 Menschen einen enormen ökonomischen und politischen Einfluss und werden alles tun, um die Mehrheit zu ihren Gunsten zu manipulieren - am einfachsten geht das mit Angst.
Daher wird es meines Erachtens wahnsinnig schwierig, demokratische Mehrheiten für Steuerreformen zu finden - die Menschen wählen oft zu ihren Ungunsten.

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Eine schöne Demokratie haben wir da. Da wird jede Bananenrepublik neidisch.

Aber was heisst das denn nun? Sich mit der Situation abfinden oder finden sich Politiker, die genug A** in der Hose haben?

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Das ist aber ein guter Grund, das Projekt erst recht anzugehen.

Zur Erinnerung: In einer Demokratie sollte jeder eine Stimme haben.

Wenn das nicht mehr so ist, ist es allerhöchste Zeit, es zu ändern.

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Die Begründung für niedrige Steuersätze für Hochvermögende war immer, dass man sie als Steuerzahler im Land halten möchte. Bei höheren Steuern würden sie in Niedrigsteuer-Oasen auswandern, und sie zahlen dann gar keine Steuern in D.

Für mich ein nachvollziehbares Argument. Aber ist es richtig? Was meinen die Experten?

Jedenfalls ist Gerechtigkeit nicht der einzige Aspekt um Steuern zu gestalten. Weitere könnten Machbarkeit, Effizienz, max. Steuereinnahmen sein. Gezielte Steuerungseffekte und ethische Gesichtspunkte u a m kommen hinzu.

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Das kommt für mich aufs Gleiche hinaus: die 200 Reichsten erpressen also den Rest, indem sie sagen, dass sie weg sind, sobald sie genauso viel Steuern zahlen sollen wie der Durchschnittsbürger?!?!
Warum traut sich die Politik nicht, es darauf ankommen zu lassen?

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Dass die ErbSt-Privilegien nur 200 Menschen betreffen kann ich aus meinem Arbeitsalltag nicht bestätigen. Ich habe mir die das Jahrbuch etwas angeschaut. M. E. ist das handwerklich nicht gut gemacht. Ich bezweifle, dass tatsächlich auch Steuerberater in die Recherchen einbezogen wurden, weil es m. E. viele Falsch- oder Halbinformationen in dem Jahrbuch gibt.

Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, dass bei einer Refom des ErbStG Ängste von der Politik geschürt werden. Blicken Sie mal zurück auf die letzte ErbSt-Reform 2016, was es da alles an Populismus von allen Parteien gab. Die heutigen Schwächen des ErbStG sind das Ergebnis dieser Reform.

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Es handelt sich hier um ein Optimierungsproblem, dem man sich emotionslos stellen sollte. „Es darauf ankommen lassen“ ist für mich ehrlich gesagt keine Option beim politischen Handeln.

Es wäre schön, wenn man das mit finanz-mathematischer Präzision angehen könnte, aber in der Realität geht es leider nicht.
Das Thema Erben ist für viele Menschen emotional aufgeladen, siehe die vielen Erbstreitigkeiten.
Eine Aktion der Reichenbesteuerung müsste hier sehr gründlich vorbereitet werden und man müsste es irgendwie schaffen, kommunikativ vor die Hetzpresse zu kommen.
Voraussetzung wäre, dass diesmal niemand einen unfertigen Entwurf an die Presse durchsticht.

Sonst passiert nämlich wieder das selbe, wie beim sogenannten „Heizungshammer“: Top-Politiker (wahrscheinlich von den Grünen) werden persönlich angegangen und für alle Schlechte in der Welt verantwortlich gemacht.
Spätestens dann ist es mit der Emotionslosigkeit vorbei.
Wahrscheinlich wäre es besser, wenn das Konzept erstmal aus der Zivilgesellschaft kommt?

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Ich meine das Hauptproblem besteht darin, dass man der Zivilgesellschaft die komplexen steuerlichen Regelungen - hier die des ErbStG - einfach nicht praktisch vermitteln kann. Auch wenn gute Vorschläge aus der Zivilgesellschaft kommen würden, landen diese dann doch irgendwann im Bundestag. Spätestens dann werden diese in populisitschwer Weise zerpflückt und emotionalisiert. Nicht von seiten der Zivilbevölkerung sondern von denen, die besonders von den §§ 13a, 13b, 28a ErbStG profitieren. Naja, auch nicht direkt von den Betroffenen, aber zumindest von der CDU/CSU und FDP. Es gibt ja durchaus gute Gründe für die §§ 13a, 13b, 28a ErbStG - die auch öffentlich immer wieder hervorgehoben, aber in der Praxis eben pervertiert werden.

Ich glaube schon, dass die Mehrheit eine Reform des ErbStG begrüßen würde, wenn sie denn das Gesetz und die Folgen verstehen und nicht in die Irre geführt würden. Insbesondere wenn man versteht, dass - aber das ist meine persönliche These - dass ErbStG genau die Ursache für die Schere zwischen Arm und Reich ist.

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Wenn der „Zufall“ zwischen „gerecht, aber keine Steuereinnahmen“ und „ungerecht und keine Steuereinnahmen“ entscheiden würde, dann kann man es auch drauf ankommen lassen.

Zumal der Staat nicht ohne Optionen ist. Wegzugsbesteuerung und Kopplung von Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft wären zwei Möglichkeiten.

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Das heißt wir brauchen vorher eine Exit-Tax und eine passende Taskforce im Bereich Steuerkriminalitätsbekämpfung.

Exit•Tax kannte ich noch nicht. Gibt es hierfür Beispiele aus anderen Ländern?

Teilweise gibt es das bereits.

In manchen Ländern gibt es eine fiktive Einkommenssteuer, wenn man ein Haus dort besitzt. Da in dem Haus auch ein Steuerzahler wohnen könnte statt der Besitzer im Ausland, der sie ab und zu mal nutzt, wird ein Mindestlohn festgesetzt aufgrund dessen eine Einkommensteuer festgesetzt wird. Um sich davon zu befreien, müssen also alle Zelte abgebrochen werden, was die meisten scheuen.
Andere Länder versteuern unabhängig vom Wohnsitz einfach das Welteinkommen, es reicht eine Staatsbürgerschaft in dem Land zu haben. Im anderen Land gezahlte Steuern werden hier natürlich angerechnet.

ebenfalls sehr wirksam: wenn man dem Exit seinen Reiz nimmt, indem man die Steuer nicht an den Wohnsitz, sondern an den Pass knüpft. Das machen zB die USA so - mit großem Erfolg. Und sie ziehen das so hart durch, dass man beispielsweise im Visumsantrag angeben, ob man mal einen Pass hatte und den aus steuerlichen Gründen abgegeben hat … ich kann mir gut vorstellen, was das für die Chancen auf Einreise bedeutet, wenn man da „ja, bin Steuersparer“ ankreuzt.

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Einmal abgesehen von Milliardären und Millionären: Die Erbschaftsteuer in Deutschlandn ist m.E. nachgerade lächerlich gering.

Aus jüngster eigener Erfahrung: Ich erbe rund 500.000 Euro und komme mit Freibetrag (400k) und diversen Steuerbefreiungen auf eine Erbschaftsteuer von rund 3000 Euro. Für diese Erbschaft habe ich nichts getan, hatte nur den „richtigen“ Vater, und der Staat langt nicht zu, obwohl er es problemlos könnte. 30% auf die Erbschaft wären doch vollkommen in Ordnung.

Nun kann ich das Geld natürlich auch freiwillig an den Staat zahlen (falls das geht). Dann aber bitte alle anderen auch.

Es gibt bereits für alles mögliche eine Exit-Besteuerung: §§ 4 Abs. 1 Satz 3, 16 Abs. 3a EStG, § 12 KStG, § 6 AStG, etc.

Die Steuerpflicht ausländischer Einkünfte auf Passbesitzer auszuweiten, bringt allerdings auch viele Nachteile mit sich: Zum einen hat Deutschland mit vielen Staaten ein DBA und der deutsche Staat bei Einkünften aus ausländischen Quellen ohnehin oftmals kein Besteuerungsrecht (das gleiche Problem haben die USA auch), zum anderen bringt es ein Vollzugsdefizit mit sich, weil es sich faktisch kaum durchsetzen lässt, von einem auf den Bahamas lebenden Deutschen eine Steuererklärung einzufordern. Ja, bei einer erneuten Einreise könnte es dann Probleme geben. Aus systemischen Gründen will und sollte ein Staat auf ausländische Einkünfte einer Person, bei der es keinen inländischen Nexus gibt, aber auch nicht zugreifen.

In Ergänzung: Inländische Einkünfte von im Ausland lebenden Deutschen werden sowieso immer erfasst, auch ohne Pass.

Ja, das geht tatsächlich, zumindest zur Schuldentilgung

Einzahlungen aus Spenden und ähnliche Einzahlungen freiwilliger Geldleistungen Dritter, die nach deren Willen zur Schuldentilgung bestimmt sind, können seit dem Jahr 2006 zugunsten des Kontos der Bundeskasse Halle/Saale bei der
Deutschen Bundesbank, Filiale Leipzig IBAN: DE17 8600 0000 0086 0010 30 BIC: MARKDEF1860, unter Angabe des Stichworts „Schuldentilgung“ als Verwendungszweck getätigt werden
https://dserver.bundestag.de/btd/19/066/1906637.pdf

Der Staat weist darauf hin, dass die Spenden bei der Einkommensteuererklärung nicht angesetzt werden dürfen.

Aber es ist Aufgabe des Staates die Regeln so zu gestalten, dass die Menschen sich richtig verhalten, also ihr Erbe angemessen versteuern und nicht falsche Regeln zu schaffen und dann zu appelieren, doch bitte das mit gutem Willen auszugleichen.
@quelinian das mit den DBA ist natürlich richtig. Aber jedes DBA hat die Hintertür der Differenzbesteuerung.
Wenn also die Steuer im anderen Land niedriger ausfällt und Deutschland ebenfalls ein Besteuerungsrecht hätte, darf es die Differenz nachbesteuern.

„Hintertür“ hört sich so nach Trick an. Es ist einfach der Methodenartikel. Entweder stellt das DBA a) unter Progressionsvorbehalt frei oder b) es wird die Steuer des Quellenstaates auf die deutsche Steuer angerechnet.