LdN370 - Das Argument mit den Arbeitsplätzen

Hallo liebes Lage-Team,

Vielen lieben Dank für den spannenden Block zum Thema Solarausbau, der hier an anderer Stelle ja schon gut diskutiert wird. Ich geh auch voll damit mit, dass es dumm wäre, sich komplett von China abhängig zu machen, aber:

Was mir beim Hören immer wieder einen Knoten in den Kopf macht: ihr sagt im einen Block, dass D dringend Arbeitskräfte braucht, um dann im nächsten Block zu argumentieren, dass es ein riesen Problem ist, wenn irgendwo ein paar 100 Arbeitsplätze wegfallen…

Klar ist das für die Betroffenen erstmal doof, aber sollten wir nicht mal anfangen darüber zu diskutieren, wo wir mittelfristig vielleicht auch Arbeitsplätze abbauen sollten? Ich finde es z.B. sehr problematisch, jeden Arbeitsplatz in der Automobilindustrie retten zu wollen - das sind meist sehr gut ausgebildete Menschen, die in zukunftsfähigeren Branchen sicher schnell einen neuen Job finden würden.

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Ich gebe dir recht, dass man nicht jeden Arbeitsplatz in jeder Branche retten kann und auch nicht sollte, da diese Kräfte sonst auch in zukunftsträchtigen Branchen fehlen.

Man muss aber davon ausgehen, dass nicht schritt für Schritt Arbeitskräfte reduziert werden, sondern dass es eher Schließungen einzelner Standorte geben wird. Und da flutet dann eine Menge an Arbeitskräften einen Arbeitsmarkt an dem nicht nur die Arbeitsplätze des einen Werks wegfallen, sondern ja auch weitere die damit verbunden sind, von Zulieferern über Reinigungskräfte, Caterer, Handwerker etc.

Zudem sind viele Arbeitskräfte ziemlich spezialisiert und könnten in anderen Branchen nur wenig von ihrer Erfahrung profitieren, was sich auch beim Verdienst niederschlagen wird.

Damit will ich nicht dafür plädieren diese Arbeitsplätze künstlich am Leben zu halten, sondern nur skizzieren, dass der Wegfall sehr wohl einzelnen Personengruppen, Städten und Regionen sehr weh tun wird.

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Das sind aber hier falsche Annahmen.
Die meisten Arbeitsplätze in Deutschland werden nicht durch Betriebliche Kündigung wegfallen, sondern durch die Rente. D.h. diese Arbeitsplätze fallen zwar weg, die Arbeitskraft aber auch.

Dann ist es in der Tat so, dass wenn eine Werksschließung im ländlichen Raum durchgeführt wird, hat dass nachhaltige Auswirkungen auf die Region, welche dadurch weiter an Wirtschaftskraft und Aktraktivität verliert. Das war aber immer schon so, zu mindest in West Deutschland. Die Politik hat darum immer versucht durch Wirtschaftsförderprogramme diese Regionen zu stärken. Das hatte auch nur begrenzten Erfolg.
Nun ist die Situation jedoch eine Andere. Die Unternehmen haben Fachkräfte Arbeitsmarkt sehr weit oben in der Unternehmensrisiko- Bewertung. Darum verzichten Unternehmen gerne auf Wirtschaftförderung bei der Standortauswahl, wenn der Arbeitsmarkt zu niedrig ist.

Wenn die deutsche Automobilindustrie durch ausländische Marken verdrängt wird, dann wird ein Stellenabbau schneller erfolgen müssen als durch ausscheiden alter Arbeitskräfte möglich. Und wie gesagt wird das nicht gleichmäßig über alle Werke verteilt.
Ein Werk welches komplett schließt trifft nicht nur den ländlichen Raum hart.

Dass Arbeitsplätze die reduziert werden weil z.B. die Montage eines E-Autos weniger Mitarbeiter benötigt als die Montage eines Verbrenners gut über die ohnehin ausscheidenden Mitarbeiter gehandhabt werden könnten ist natürlich auch richtig.

Es kommt also drauf an ob es lediglich eine Korrektur wegen der Umstellung auf E-Autos geben wird oder ob der Marktanteil deutscher Autos allgemein einbricht, was aktuell ja durchaus sehr wahrscheinlich ist.

Puh, eigentlich wollte ich hier keine Diskussion über die Autoindustrie anfangen.

Ich fand es blos wichtig, mal zu hinterfragen, ob wir (also nicht nur die LdN, sondern auch die Politik) das Argument „Das gefährdet/ kostet aber Arbeitsplätze!“ immer reflexhaft als das gravierendste aller Argumente bewerten müssen, das immer zum sofortigen handeln zwingt (so kommt es mir zumindest manchmal vor)

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Das Problem, dass Arbeitsplätze in der Regel nicht überall ein bisschen wegfallen sondern stellenweise konzentriert hat man aber nicht nur in der Automobilindustrie. Die ist halt das aktuell prominenteste Beispiel bei dem das droht.

Dass das Argument so reflexartig kommt und gar nicht überall angebracht ist sehe ich auch so,
Dieses Argument ist aber in vielen Bereichen eben doch trotzdem relevant. Wie genau das berücksichtigt werden muss ist dann natürlich eine Frage des jeweiligen Themas.

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Das Szenario sehe ich einfach nicht. Die deutschen Automarken haben Probleme und es wird zu Stellenreduktionen kommen, wenn E-Autos mehr gebaut werden, als Verbrenner.
Aber wir reden hier über Zeiträume von 10 Jahren + x. In diesem Zeitraum werden fast alle Baby Boomer in Rente gehen.

Wenn man Angst vor Arbeitsplatzverlust haben will, dann durch KI. Der ganze Versicherungs- und Bankensektor ist hier betroffen. Dazu noch Verwaltungen.

Also gerade wenn die Absatzzahlen der lukrativen Verbrenner in den wichtigen Absatzmärkten massiv zurückgehen und nicht durch entsprechende E-Autos aus dem eigenen Haus kompensiert werden können, dann reden wir von einem Effekt der deutlich schneller als binnen 10 Jahren kommen kann und deutlich ausgeprägter ist als dass man es nur durch das Ausscheiden der Babyboomer kompensieren könnte.
Klar muss es nicht so kommen, aber das Szenario ist jetzt auch nicht komplett unrealistisch. Und natürlich sollten nicht nur die Firmen, sondern auch die Betroffenen selbst (Beschäftigte, Zulieferer, Städte und Regionen) hier auch zumindest etwas auf solch ein Szenario vorbereitet sein.

Zustimmung. Auch in einer der letzten LdN-Folgen wurden 500 Arbeitsplätze in der Solarindustrie, die wegfallen könnten als Argument gebracht, dass „die Regierung schnell handeln soll“.
Arbeitsplätze sind ja wohl aktuell genug vorhanden (Fachkräftemangel). Daher kann man das Argument: „Das kostet Arbeitsplätze“ auch souverän ignorieren.

Evtl. passt das sogar recht gut zusammen, wenn in der Auto-Industrie weniger Arbeitsplätze gebraucht werden. Das kann dann helfen den Arbeitskräftemangel zu reduzieren.

Mal ein anderes Beispiel. In den 60er Jahren wurden u.a. Berufsförderungswerke gegründet, um Erwachsenen mit gesundheitlichen Einschränkungen ggf. durch eine Umschulung wieder in Arbeit zu bringen. Also der Dachdecker mit Bandscheibenvorfall oder die Pflegekraft mit Depression zum Beispiel. Die Zuweisung in die heute bundesweit 28 BFW erfolgt durch Leistungsträger wie Rententräger, BG oder Agentur für Arbeit. Somit auch die Finanzierung.
Bedeutet, weisen die Leistungsträger weniger zu, verdienen die BFW weniger Geld.
Das ist auch abhängig vom Arbeitsmarkt. Geht es dem Arbeitsmarkt gut und die Arbeitslosigkeit ist gering, wird es in den BFW eng. Geht es dem Arbeitsmarkt schlecht, viele Arbeitslose, wird eher umgeschult, den BFW geht es gut. Also immer antizyklisch.
Baut man jetzt in Zeiten des Fachkräftemangels in den BFW Kapazitäten ab, weil fast alle so Arbeit bekommen, sind dort Kompetenzen und Ausbildungsressourcen erstmal weg. Die baut man auch nicht „mal eben“ wieder auf.
Braucht man allerdings die speziellen Möglichkeiten der BFW in „schlechten“ Zeiten wieder, besonders für die steigende Anzahl von Menschen mit psychischen Einschränkungen, fehlen akut erstmal diese Angebote.
Aktuell ein schwieriges Thema, diese Einrichtungen alle (soweit möglich) für die Zukunft zu erhalten und auf zusätzliche Beine zu stellen.
Was u.a. Durch die langfristige Vermietung von Räumlichkeiten oder völlig neue Tätigkeitsfelder geschieht.
Mal als Beispiel im sozialen Bildungsbereich bei nicht gewinnorientierten Unternehmen.

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