Was auch zu bedenken ist: Den Bauern, die gut wirtschaften, geht es durchaus gut. Wer sich ver-investiert oder sonstwie schlechte Entscheidungen trifft, muss weichen, wie in allen anderen Branchen auch. Unsere beiden nächsten Nachbarn mit Vollerwerbsbetrieb wirtschaften gut und es geht ihnen prächtig. Sie investieren ständig, in Maschinen, Ställe, Maschinenhallen, Austragshäuser, Ferienwohnungen. Eher so, dass sie den grössten Teil des Gewinns investieren, um möglichst wenig Steuern zahlen zu müssen. Auf die Spitze getrieben, wie es weiter entfernte Bauern tun, führt das eher zu kuriosen Fehlinvestitionen, in neue Geschäftsfelder (Hofcafe, Entenzucht usw), wobei sie sich Mehrarbeit „kaufen“, denn sie wollen niemanden anstellen, müssen alle Arbeitskräfte innerhalb der Familie mobilisieren.
Wenn die Bauern über die Arbeitsbelastung klagen, ist das zu relativieren, selbst bei meinen beiden Nachbarn, die fachlich hervorragend wirtschaften und sich keine exotische Zusatzarbeit aufbürden. Als Milchviehbetrieb müssen sie allerdings auch am WE morgens und abends die Kühe melken. Und die Gesundheit der Tiere ist schon eine anspruchsvolle Beobachtungsaufgabe. Urlaub braucht Vertretung, entweder durch Betriebshelfer oder die Kinder machen das. Eine Woche im Jahr, mehr wird es nicht sein. Aber darüber jammern sie nicht. Wenn sie weg sind, haben sie Heimweh.
Ansonsten ist die Arbeit nicht mehr schwer. Die Traktoren sind komfortabel, die Kabinen gefedert, innen flüsterleise und klimatisiert, ergonomische Sitze und Bedienelemente. Es macht absolut Spass, mit so einem Ding zu arbeiten. Handarbeit ist kaum mehr nötig. Für die Waldarbeit haben sie Seilwinden mit Funkfernbedienung, Rückezangen und Rückewägen, auch das eine schöne Arbeit, mit dem Kran die schwersten Stämme aufzuladen.
Ja, sie arbeiten viele Stunden mehr als die 40 Wochenstunden, aber sie rechnen jeden Einkauf, die Hausarbeit und die Reparaturen am und im Haus als landwirtschaftliche Arbeitsstunde; das muss jeder Arbeitnehmer in der Freizeit erledigen.
Bürokratie: natürlich ein Aufwand, aber mit einer vernünftigen EDV kein Problem. Der berühmte „Mehrfachantrag“ ist nur einmal im Jahr zu stellen, ist anspruchsvoller als früher, aber die erforderliche Fachkunde muss schon vorhanden sein, es geht ja (leider noch viel zu wenig) um den Schutz des Bodens, des Grundwassers, und den Artenschutz.
Vorschriften: Der Idealzustand für einige/viele Bauern wäre ein Arbeiten ohne Regeln. So gesehen ist jede Vorschrift eine zu bekämpfende Einschränkung. Es fehlt die Einsicht, dass ohne Regeln die Mehrheit der Bauern Nachteile hätte gegenüber den besonders rücksichtslosen bzw. finanziell stärkeren Akteuren, ganz zu schweigen von einer galoppierenden Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit.
Von einer Besserstellung gegenüber anderen Berufsgruppen redet auch niemand: die Landwirtschaftsämter (in jeder Kreisstadt) bieten jederzeit und sehr fachkundig kostenlose Beratung. Da würde sich jeder Handwerker freuen.