LdN362 - Begriffsklärung Psychotherapie

Im Interview mit Frau Paus kamen beim Thema Psychotherapie für Kinder und Jugendliche die Begrifflichkeiten durcheinander. Mir ist es berufspolitisch wichtig, dass da Klarheit herrscht (hello, Psychotherapeutin hier), aber vor allem ist es aus Sicht der Hilfesuchenden unglaublich wichtig, sich im verwirrenden Kauderwelsch der Fachleute orientieren zu können und so auch bei den richtigen Adressen anzufragen. Daher eine Klarstellung:

→ Psycholog_innen sind Personen, die Psychologie studiert haben.
→ Psychotherapeut_innen sind Personen, die eine Zusatzqualifikation erworben haben, die zur Durchführung von Psychotherapie befähigt (bisher über eine gesonderte Ausbildung nach dem Studium, nach der Reform über eine Kombination aus Studium und Weiterbildung). Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut_innen haben nicht zwangsläufig Psychologie studiert, sondern ggf. stattdessen Sozialpädagogik oder vergleichbares.
→ Die von Frau Paus erwähnten „Kinder- und Jugendpsychologen“ gibt es nicht. Sie meinte wahrscheinlich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut_innen. (Randnotiz: Auch jede Erwachsenen-Psychotherapeut_in darf Kinder- und Jugendliche behandeln.)
→ Die erwähnten „Zulassungen“, zu denen Herr Lauterbach „Sonderzulassungen“ für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen erwirken will, beziehen sich ausschließlich auf die Möglichkeit, unmittelbar mit der Krankenkasse der Patient_in abzurechnen. Es geht nicht darum, unqualifizierten Personen die Behandlungserlaubnis zu erteilen, was impliziert wäre, wenn Frau Paus tatsächlich die ominösen „Kinder- und Jugendpsychologen“ mit einer Kassenzulassung ausstatten wollte. Da sind ihr die Begriffe durcheinander geraten. (Endlich mehr der vorhandenden Psychotherapeut_innen innerhalb des künstlich verknappten Versorgungssystems ihre Arbeit machen zu lassen, ja bitte! Aber das ist ein riesiges und ganz anderes Fass.)

Ulf und Philip wissen das wahrscheinlich alles, aber manche der Zuhörenden vielleicht nicht.

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Sehr gut erklärt, Lageloni, und sehr wichtig. Hoffentlich lesen das viele, die sich in diesem Wirrwarr nicht auskennen, es aber müssten. Danke!

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Ich möchte noch ergänzen, dass Erwachsenenpsyhotherapeut:innen zwar berufsrechtlich KiJus behandeln dürfen, wollen sie dies sozialrechtlich mit einer GKV abrechnen, brauchen sie dazu eine Zusatzqualifikation.

Wozu ich gern auch noch was ergänzen möchte, war die sinngemäße Aussage von Ulf, dass privat bezahlte Therapieplätze schneller zu bekommen sind. Diese Aussage ist so leider nicht mehr richtig, weil die GOP seit 1996 nicht mehr aktualisiert worden ist, bekommen Psychotherapeut:innen aktuell für eine Therapiesitzung mit GKV-Patient:innen im Vergleich zu PKV-Patient:innen circa 8 Euro mehr (2,3 facher Satz bei PKV). Damit dieses Ungleichgewicht einigermaßen ausgeglichen werden kann, rechnen die meisten Psychotherapeut:innen den aktuell 3,1-fachen Satz ab. Hierbei passiert es dann, dass Patient:innen ggf. auf Kosten sitzen bleiben.
GKV und PKV-Patent:innen sind dann „gleichermaßen wirtschaftlich attraktiv“.
Meine Aussage bezieht sich nicht auf Scheintherapien wie Coachings, da darf das Honorar frei verhandelt werden, da kann die Aussage, dass ggf. schneller Hilfe geboten wird, richtig sein.

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Das mag ja stimmen, aber ich dachte, das Problem, als Kassenpatient:in einen Therapieplatz zu bekommen, hängt vor allem an fehlenden Kassensitzen und nicht an wirtschaftlicher Rentabilität. Oder täusche ich mich da?

Ich denke auch, dass sich die Bemerkung in der Lage nicht auf die Behandlung von PKV-Patient_innen bezog, die sich auf Behandlungsplätze bei niedergelassenen Therpeut_innen „bewerben“ (und dort keinen Vorteil haben, wie es @SHeuser ganz richtig beschreibt), sondern auf Selbstzahler. Letztere haben den Vorteil, auch Behandlungen in Anspruch nehmen zu können, die von Psychotherpeut_innen ohne eigenen Kassensitz durchgeführt werden. Aber eben auf eigene Kosten.

Kassensitze sind für die Versorgung von GKV-Patient:innen wichtig und auf jeden Fall zu wenige, das stimmt.
PKV-Patient:innen können von Psychotherapeut:innen mit Kassensitz oder von Psychotherapeut:innen ohne Kassensitz (sogenannte Privatpraxen) behandelt werden.
Für die meisten Kolleg:innen ist es attraktiv einen Kassensitz zu besitzen (dieser muss ausgeschrieben und erworben werden, oder halt neu geschaffen werden), weil die meisten Menschen in Deutschland GKV versichert sind, bedeutet dies einfach eine gewisse Sicherheit.
Wenn man nun PKV-versichert ist, kann man bei allen Praxen anrufen. Da es aber mehr Praxen mit Kassensitz gibt, überlegen sich die Kolleg:innen, ob sie einen PKV-Patienten oder einen GKV-Patienten nehmen. Alle Patient:innen müssen warten, aber durch die Schieflage der Bezahlung, werden aktuell im Bereich der Psychotherapie, anders als vielleicht oft vermutet, GKV Patient:innen teilweise bevorzugt. Um diesem ethischen Dilemma entgegen zu wirken, wird der höhere Satz bei PKV-Patient:innen in Rechnung gestellt. Hoffe, dass ich damit mehr Klarheit schaffen konnte.