LDN360: Ergänzungen zu Carbon Capture & Storage (CCS)

Hallo Ulf und Jana,

ich habe mich beruflich mal mit CCS beschäftigt und möchte ein paar Dinge zu Eurem Beitrag ergänzen.

  1. Ulf hat bemerkt, dass die „Speicher dann irgendwann platzen“. Das ist negatives Framing und es geht nicht. Im allgemeinen halten es die Speicher aus, wenn man in ihnen eine Atombombe zündet.

  2. Die Zeitschiene fehlt. CO2-Speicher sind, wie alle anderen Speicher, nicht absolut dicht. Das eingespeicherte CO2 kommt irgendwann wieder raus, aber das über 1.000, 10.000 oder noch mehr Jahre. Das ist so lange. dass es für die aktuelle Klimakrise keine Rolle mehr spielt.
    Bei der Kompensation dagegen wird sofort freigesetztes CO2 über die nächsten 50-200 Jahre kompensiert. Bäumen binden das meiste CO2 erst wenn sie groß sind. Das ist de facto keine Kompensation, denn da ist der Drops gelutscht (Trotzdem sollte man die Bäume pflanzen).

  3. Dass die Technologie noch nicht reif ist, ist eine verzerrte Darstellung. Seit Jahrzehnten wird Erdgas im Untergrund gespeichert und Erdgas ist deutlich gefährlicher (brennbar, giftig). Auch wenn man das nicht einfach 1 zu 1 übertragen kann, so sind sämtliche Voraussetzung dafür da. CO2 wird seit Jahrzehnten bereits zur Erdölgewinnung in den Untergrund gepresst.

  4. Die Historie fehlt mir. Es gab um 2010 bereits die Diskussion hier in Deutschland die Kohlekraftwerke mit CCS klimaneutral zu machen. Dies wurde damals mit genau der Argumentation von Euch abgelehnt: Das wollen die ja nur machen, um weiter Kohle verbrennen zu können. Das war völlig richtig. Die Folge war, dass CCS in Deutschland gestoppt wurde. Wir könnten jetzt Kohlekraftwerke mit CCS haben, wenn das damals nicht so negativ gepusht worden wäre.
    Vor diesem Hintergrund finde ich Eurer Fazit nicht so günstig, sondern würde plädieren: Sollen sie doch machen. Kohle, Öl und Gas mit CCS einfach erlauben. Das bringt die CCS Technologie, die wir brauchen, voran und senkt damit den Preis. Die fossilen Energien sind ja bereits jetzt nicht konkurenzfähig und mit CCS werden sie es erst recht nicht sein. Die Kohlekraftwerke mit CCS würden genau so abgeschaltet werden wie die ohne CCS und wir hätten viel CO2 gespart und schöne CO2 Speicher für z. B. Zementindustrie, Müllverbrennungsanalgen oder Biogas.

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Danke für das aufgreifen des CCS Themas. Ich möchte zwei Anmerkungen zu Ulfs Bild der CO2 “Blase” unter der Erde machen.

  1. Das Bild der Blase ist irreführend, da das CO2 sich in der Gesteinsschicht verteilt und eben nicht als eine „Blase“ vorliegt.
  2. Das Gase in größeren Mengen lange unter der Erde sicher und stabil bleiben funktioniert (unter entsprechenden Maßnahmen) sehr gut. Im Endeffekt gilt das ja auch für jedes natürliche Erdgasvorkommen.
  3. Der wichtigste Punkt ist aber das der Vergleich mit Erdgas hinkt. Das CO2 geht je nach Gestein früher oder später eine Reaktion ein bei der es mineralisiert und dann permanent gebunden ist. Anlagen wie z.B. Carbfix beschleunigen diesen Prozess noch.

Ich halte dieses Verfahren für sinnvoller als eine Reduktion zu Kohlenstoff da es deutlich weniger Energie benötigt. Spannender ist da vermutlich Carbon Capture and Utilization (CCU) als neue Grundlage für die chemische Industrie.

Gute Forschung und Kommunikation betreibt hier Prof. Philip Ringrose von der NTNU Trondheim. Hier ein link zu seinen Publikationen:
https://www.ntnu.edu/employees/philip.ringrose

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Täglich grüßt das Murmeltier: :wink:

Ich würde mich freuen wenn die Lage sich noch einmal intensiver mit dem Thema CCS beschäftigt. Dabei wäre es toll wenn die Hosts sich einmal fachlich mit dem Thema auseinandersetzen könnten. Ich teile die Einschätzung meiner Vorredner, dass da einige große Ungenauigkeiten und meiner Meinung nach vielleicht sogar Vorurteile durchblickten.

Zur Freude über die KIT Demo-Anlage zur katalytischen Kohleabscheidung möchte ich noch hinzufügen, dass der Prozess schon extrem cool, allerdings energetisch auch viel aufwendiger als klassisches CCS ist und darüber hinaus der Katalysator auch zu Vergiftung (gemeint ist die Katalysatorinaktivierung) und Verblockung durch die entstehende Kohle neigt.

Mir ist bisher nicht klar, was daran besser sein soll als die unterirdische Lagerung in leeren Gasfeldern. Der Prozess erscheint mir aktuell noch eher akademischer Natur ohne echten Anwendungsbezug zu sein.

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Das ist richtig, ändert aber an meiner Argumentation nichts. CO2 ist nicht brennbar und daher einfacher zu handhaben. Wenn ein Teil davon mit dem Gestein reagiert und mineralisiert, stellt das noch eine Vereinfachung dar, da es dann sicher gebunden ist und nicht mehr aus dem Untergrund kommt.
Die Unterschiede sehe ich an anderen Stellen:

  • CO2 ist migrationsfähiger als Erdgas (Ergas ist Mix aus verschiedenen Gasen, darunter durchaus auch CO2).
  • Die Wechselwirkungen zwischen Gestein und Gas müssen geprüft werden. Es können sich nicht nur Minerale bilden, sondern auch welche auflösen, was ungüngsti wäre.
  • Das CO2 das verpresst werden soll, entsteht i. d. R. aus Verbrennungsprozessen und enthält daher - je nach Brennstoff - noch anderen Nebenbestandteilte. Diese müssen auch alle überprüft werden. Erdgas oder Erdöl enthält z. B. oft H2S das zu SO2 reagiert (bekannt von Saurem Regen) und daraus bildet sich schweflige Säure, so dass man mal hingucken muss, was diese im Untergrund macht und ob das irgendwelche nennenswerten Auswirkungen hat.

Ich vermute, dass der Vorteil darin besteht, dass aus dem CO2 der Kohlenstoff gewonnen wird, was energieintensiv ist. Hat den Vorteil, dass dieser dann einfach gelagert werden kann oder für chemische Prozesse zur Verfügung steht.

Die Lagerung ist sicher ein Punkt, aber die ist eben auch beim Verpressen in leere Lagerstätten kein schwieriges Problem.

Chemisch kann man auch CO2 nutzen, meist sogar effizienter, denn letztlich wird Kohle auch nur in Kohlenmonoxid umgewandelt (unter wenig Luftzufuhr verbrannt), das dann mit Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe als Grundchemikalien umgewandelt wird.

Dieses Ergebnis erreicht man auch wenn man direkt CO2 bei höheren Temperaturen mit Wasserstoff kontaktiert. Und das sogar energetisch deutlich effizienter, da man nicht erst reine Kohle herstellen musste.

Daher bezweifle ich aktuell noch den Mehrwert für die chemische Industrie, zumindest abseits von Anwendungen in denen man wirklich feste Kohle benötigt, zum Beispiel als (billige) Filter für einfache Reinigungsprozesse (Aktivkohle). Andererseits ist aus CO2 zurückgewonnene Kohle sicher nicht billiger als State-of-the-Art Filter wie Zeolite.

Aber ich lasse mich gern eines besseren belehren falls jemandem Anwendungszwecke bekannt sind.

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CCS hat genau einen Anwendungsfall nämlich Green washing.

In der LdN360 wurde der vorgeschlagene Weg CO2 in Kohle umzuwandeln, wegen des hohen Energiebedarfs, als green washing von fossilen Energieträgern bezeichnet. Die These ist ja: in Saudi Arabien geförderte Öl bekommt ein CO2 Zertifikat, wodurch die CO2 Neutralität beim Konsumenten gezeigt wird. Also bspw. mittels Solar in SA viel effizienter hergestellten CO2 Reduktion, wird der CO2 Ausstoß hier kompensiert. Natürlich bezahlt das der Erdölkunde (wir) mit = Win-Win für Saudi Arabien. Aber ganz un-ideologisch betrachtet, aus Sicht des Weltklimas wäre so ein Mechanismus ein Nullsummenspiel.

Möchte das noch ergänzen.
Worte sind ja mächtige Instrumente. „extremst“ oder gar „Greenwashing“ sind hier fehl am Platz

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Diese Sichtweise kann ich nachvollziehen und ich stimme sogar zu, jedoch nur teilweise. Wir könnten jetzt Kohlekraftwerke mit CCS haben. Diese Kohlekraftwerke wären dann - zumindest laut der Betreiber - „grün“. Das wäre Green washing und gleichzeitig wäre es mir viel lieber, dass das CO2 in einem Untertagespeicher wäre als in der Atmosphäre.
Dazu kommt, dass wir nur mit der Vermeidung von CO2 Emissionen nicht hinkommen werden. Es gibt Technologien wo es aktuell noch nicht möglich ist diese CO2 neutral durchzuführen, z. B. Zementherstellung oder Müllverbrennung. Und auch bei CO2 neutralen Technologien kann CCS ein großer Vorteil sein, nämlich bei Biogas. Dann ist Biogas nicht mehr neutral, sondern entfernt CO2 aus der Atmosphäre. Gilt analog für alles wo Biomasse verbrannt wird.

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Hallo ich hätte zu dem Thema auch noch eine kleine Anmerkung.
In der Folge wird CCS immer wieder als Maßnahme für nicht reduzierbare Emissionen wie die Zementherstellung (für Beton) genannt. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass auch die Erforschung von Beton noch nicht abgeschlossen ist. Mit sogenannten Geopolymerbeton lässt sich ca. 60% der CO2 Emission gegenüber regulärem Beton einsparen.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass bei allen Technologien vor CCS versucht werden sollte die Emissionen erst auf ein Minimum zu reduzieren.

Zu Punkt 2 möchte ich noch hinzufügen dass ein Großteil des CO2s über diese Zeitspannen nicht als gelöstes Gas vorhanden bleibt, sondern mit Mineralen reagiert und feste Ablagerungen bildet. Das kommt dann gar nicht mehr raus. Sie z.b. „solubility trapping“ und „mineral trapping“ in dieser Abbildung.

Quelle: Carbon dioxide storage through mineral carbonation | Nature Reviews Earth & Environment

Original caption: Change in the contribution of the carbon-trapping mechanism of CO2 storage over time when injecting pure supercritical CO2 into sedimentary basins (part a ) and when injecting water-dissolved CO2 for mineralization (part b ), based on data from field injection experiments. Part a is adapted with permission from the IPCC, 2005: IPCC Special Report on Carbon Dioxide Capture and Storage, prepared by Working Group III of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Metz, B., Davidson, O., de Coninck, H., Loos, M. and Meyer, L. (eds.)), Cambridge University Press, Cambridge, UK and New York, NY, USA (ref.7). Part b is adapted with permission from ref.77, Elsevier.

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Das ist richtig. Ich habe nicht zwischen Poren- und Aquiferspeichern unterschieden. Am einfachsten zu realiseren sind ehemalige Erdgas- oder Erdöllagerstätten. Diese entsprechen Deine Fall a. Da gibt es nicht so viele Mineralumwandlungen. Es kommt aber auch hier auf den Speicher an, insbesondere auf das Gestein. Für die Mineralumwandlungen sind mafische Mineralien notwendig. Ich kenne die Geologie von Deutschland nicht gut genug, um hier abschätzen zu können, wie viel das ist, gehe aber davon aus, dass es wenn dann bei Aquiferspeichern (b) der Fall ist. Diese sind etwas herausfordernder, denn hier sind die Nachweise aufwendiger.

Hier gibt es eine open access version des Artikels:
https://hal.science/hal-03384454/document

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Hallo Zusammen
Eure Darstellung hat - wie schon oben teilweise schon angesprochen ein paar Schwächen, ich möchte es auch noch mal etwas ausführlicher ergänzen.
1 Sprache
Wie ihr wisst sind Begriffe wichtig, deshalb ist es hilfreich hier klar zu sein in dem, was man meint. CCS ist in Überbegriff, der entstanden ist aus der Idee CO2 an Punktquellen wie z.B. auch Schornsteinen von Kohlekraftwerken abzuscheiden. Das ist teuer und wird wohl kaum zur Anwendung kommen. Abscheidung an Punktquellen wird es vermutlich geben bei Müllverbrennung oder Zementwerken.
Dazu Abzugrenzen sind Negativemissionen oder auch Carbon Dioxide Removal (CDR). Da wird CO2 wirklich aus der Atmosphäre entfernt. Das ist auch der Fall wenn man zusätzliche Biomasse anpflanzt, diese verbrennt und das CO2 Abscheidet und dauerhaft sicher deponiert. (nennt man dann BECCS für Bioenergy Carbon Capture and Sequestration)

2 Anwendungen
a.) Einige möchten CDR framen als Lösung, um weiter fossile Energien zu verbrennen und dann per CO2 Entnahme aus der Luft und geologischer Deponierung diese Emissionen auszugleichen.
(siehe auch COP28 in Dubai: Der einzig wahre Preis für CO2 - DER SPIEGEL)

b.) Ausgleich kommender schwer zu verhindernder Emissionen in der Zukunft.
Dazu werden wir CCS (z.B. bei Zementwerken) oder auch CDR brauchen. CDR für den Fall, dass die Emissionen nicht an einer Punktquelle entstehen (z.B. Methanemissionen in Reisfeldern oder aus Tierhaltung). Ohne CDR keine netto Null Emissionen und keine Begrenzung der Erderhitzung.

c.) Ausgleich von Emissionen, die schon gemacht wurden oder noch gemacht werden, da , um ein ambitioniertes Klimaziel zu erreichen.

Anzustreben ist demnach eine möglichst schnelle Reduktion der Emissionen und dann möglichst viel Entnahme. Wollen wir zur planetaren Grenze von 350ppm zurück, brauchen wir eine riesige Menge in der Größenordnung ~30 Gt/a und verbunden damit eine „Industrie“, die ähnlich groß ist wie heute die fossile Gasindustrie.
siehe
C. Breyer u. a., „Proposing a 1.0°C climate target for a safer future“, PLOS Clim, Bd. 2, Nr. 6, S. e0000234, Juni 2023, doi: 10.1371/journal.pclm.0000234.

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