LdN350 Migration - Sachleistungen und Bezahlkarten

In eurer aktuellen Folge bei Minute 35 besprecht Ihr den Vorschlag u. a. von der CSU für die Ausgabe von Geldleistungen durch eine Geldkarte.

Auch Netzpolitik.org hat zu dem Thema einen Beitrag.

Aktuell ist es in § 3 Abs. 5 Satz 1 AsylbLG so geregelt: „Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen d […]persönlich ausgehändigt werden.“ Die Bundeslänger haben zum AsylbLG aber auch Durchführungsverordnungen erlassen. Wie in Bayern die DVAsyl. In § 14 DVAsyl ist hierzu die Zuständigkeit geklärt:

"Der örtliche Träger gewährt die Geldleistungen und unbaren Abrechnungen gemäß § 3 AsylbLG. Im Fall unbarer Abrechnungen ist auch die Regierung hierzu befugt.

Zuständig für die Entscheidung, Leistungsberechtigten an Stelle der nach Abs. 1 zu gewährenden Sachleistungen ausnahmsweise Geldleistungen, Wertgutscheine oder andere vergleichbare unbare Abrechnungen zu gewähren, statt Sachleistungen Gebrauchsgüter leihweise zur Verfügung zu stellen und den Bedarf an Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie durch Geld- oder Sachleistungen zu decken, ist die Regierung."

Somit könnte Hr. Söder in Bayern bereits jetzt erlassen, dass alle Kommunen nur noch eine solche unbare Abrechnung verwenden dürfen.

In der Folge besprecht Ihr, dass die Kommunen durch diese Maßnahme mehr belastet, als endlastet werden. Man müsse die Karten erstellen, kaufen, verteilen und aufladen.

Das Erstellen und Kaufen könnte die Regierung übernehmen. Jede Leistungsbehörde erhält dann die Karten auf Vorrat zugeschickt und die Belastung für die Erstellung und Beschaffung wäre „nur“ bei der Landesregierung.

Zum Verteilen. Aktuell steht ja schon im Gesetz, dass eigentlich nur Bargeld ausgegeben wird. Warum ist es aufwendiger einmal für jeden Asylbewerber die Karte auszugeben und anschließend digital zu befüllen, statt jeden Monat die tausenden Leistungsempfänger auszuzahlen? Natürlich vorausgesetzt, das wird gut umgesetzt.

Aktuell ist es also so: Der Leistungsempfänger kommt am Monatsende und bezieht sein Geld. Da kommen dann mal dreistellige Personenzahlen an einem Tag in eine Behörde.

Mit einer bargeldlosen Bezahlmöglichkeit (egal ob normales Bankkonto oder Bezahlkarte): Zum Monatsende überweist das Fachprogramm die Leistungen, bzw. beladet die Karte. Theoretisch wäre dann der Auszahlungstag wie jeder andere Tag und nur mit ein paar Mausklicks erledigt, statt ewiger Wartezeiten für die Leistungsempfänger.

Erfüllungsaufwand: Einmalige Ausschreibung und Erstellung der Karte + Für die aktuell 401 570 Leistungsempfänger kauf und Verteilung der Karten. Nach Ende des Leistungsbezug könnten die Karten zurückgegeben und wiederverwendet werden. Die Behörden würden sich am Auszahlungstag den Security Dienst sparen und statt 8 Stunden stress für die Sachbearbeiter, fünf Mausklicks am PC benötigen.

Das war die Einschätzung der Kommunen, die sich gegenüber der Süddeutschen Zeitung geäußert hatten … ich weiß gerade nicht mehr auswendig, welcher Verband das war, vermutlich der Deutsche Städte- und Gemeindebund.

Da dieses Thema in der vergangenen Ministerpräsident*innenkonferenz wieder aufgekommen ist, möchte ich es hier auch nochmal aufgreifen. Zunächst mal abseits der politischen Dimension und dem gesellschaftlichen Signal dieser Maßnahme:

Ich unterhalte zwei kostenfreie Girokonten bei Online-/Direktbanken (einmal blau-weißes Logo, einmal türkises Logo). Beide Konten kommen mit kostenlosen Debitkarten, werden also ausschließlich im Rahmen des verfügbaren Kontorahmens geführt (Guthaben + Dispo/Duldungsrahmen). Beide Karten lassen sich in der jeweiligen Banking-App für bestimmte Verwendungszwecke und Regionen sperren bzw. freischalten (darunter Bargeldabhebung und Online-Nutzung). Aus meiner Sicht kann ich meine Karten so konfigurieren, wie sich die konservativen Herren das auch für die Bezahlkarten wünschen. Worauf ich hinaus möchte: Bevor sich der Bund nun riesige teure Beratungsprojekte von den Big4 andrehen lässt in denen geprüft wird, wie man eine eigene Kartenlösung entwickeln kann und ggf. sogar noch den Handelsunternehmen einen neuen Standard zumutet, sollte man sich doch mal an den bestehenden Lösungen orientieren. Das hilft nicht nur bei der Akzeptanz im täglichen Leben sondern würde auch einen gewissen Pragmatismus beweisen, den staatliche Akteure doch vor allem in Digitalisierungsthemen häufig vermissen lassen.

Wenn man es politisch für notwendig hält, könnte man sogar einen positiven Aspekt für betroffene Geflüchtete einbauen: eine Partnerschaft mit Banken bzw. die Einführung eines neuen Kontomodells (analog Basiskonto) als Unterbau für die Infrastruktur dieses Bezahlkartenmodells könnte Einreisenden schon mal Zugang zu einem wie-auch-immer-gearteten Girokonto verschaffen, das für die gesellschaftliche Teilhabe immer wichtiger wird. Später, wenn der Bezahlkartenstatus aufgrund des Fortgang des Verfahrens überwunden ist, könnten auch die Beschränkungen aufgehoben werden bzw. das jeweilige Konto in ein anderes Modell überführt werden, ohne dass neue papier- und bürokratielastige Verfahren bei Banken und/oder Behörden durchlaufen werden.

Übrigens halte ich den Vorstoß insgesamt für falsch, aber darum soll es in meinem Beitrag nicht vordergründig gehen. Vor allem weil Bargeld viele wichtige Funktionen, auch entlang der Menschenrechte, hat. Diese Funktionen den Geflüchteten vorzuenthalten, findet aus meiner Sicht keine vernünftige Begründung. Die Geldleistungen, die diese Menschen erhalten, sind ohnehin viel zu gering um davon überhaupt noch substantiell etwas abzugeben. Und selbst wenn - es bleibt ein Nullsummenspiel.