LdN346: Eine völlig andere Perspektive auf die Migrationsdebatte

Vielleicht noch ein Punkt: Ich gehe immer davon aus, dass es in diesem Forum eher um einen Meinungsaustausch zwischen den Beteilgiten (also den Nutzer:innen des Forums) geht, als darum, tatsächlich die Realität zu verändern. Das macht mich ehrlich gesagt immer etwas zurückhaltend, was so ausgefeilte realpolitische Vorschläge angeht. Und für die Diskussion hier selber finde ich es manchmal produktiver, festzuhalten, wo genau ein Dissens besteht, als zu versuchen, sich gegenseitig widersprechende Positionen auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. In diesem Sinne war meine vorherige Antwort gemeint.

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Volle Zustimmung.

Geht es hier nicht um einen Punkt, der für viele Politikfelder gilt? Die Politik scheut sich, populistisch oder noch schlimmeren Narrativen und Framings offensiv entgegen zu treten - vermutlich aus Angst, die „Stammtische zu verlieren“. Aber allein dadurch entstehen erst die Stammtische, weil eben die handelnden Politiker weder eine Haltung zeigen, noch bereit sind, Gestaltungswillen und „Führung“ bei unpopulären Maßnahmen zu übernehmen.

Das ist in der Migrationspolitik so, aber eben auch z.B. in der Klimapolitik.

Gerade weil die Politiker nicht sofort den aufkommenden populistischen Narrativen („Boot ist voll“, „Aber unser Wohlstand …“) mit klarer Haltung entgegentreten, breiten sich diese aus. Und am Schluss zucken die Politiker mit den Schultern und verweisen darauf, dass man in einer Demokratie nun mal Mehrheiten formen müsse - worauf sie ja dediziert verzichtet hatten.

Wenn jetzt so viele Leute sich gegen die Abschaffung von fossilen Heizungen stemmen, dann doch vor allem, weil Politiker - egal ob Regierung oder demokratische Opposition - , die fast alle ganz genau wissen, dass dies alternativlos ist, sich gegenüber dem Populismus lieber wegducken und nicht das Risiko eingehen wollen, eventuell nicht wiedergewählt zu werden. Nach dem Motto: Lieber meine Wiederwahl als Wohlergehen zukünftiger Generationen.

Und genau so ist das auch im Fall der Migration: Man lässt sehenden Auges rassistische Narrative und Framings sich ausbreiten und zuckt dann hilflos mit den Schultern …

LL/DR: Es ist der mangelnde Gestaltungswillen, Führungsanspruch und Risikobereitschaft der meisten Politiker, die den Populismus groß machen.

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Völlig d’accord. Das Problem dabei ist allerdings, dass es m. E. nicht einfach nur um Meinungen geht, sondern um verfestigte Überzeugungen und zum Teil auch einfach Ängste. Und jeder der schon mal Angst vor etwas hatte, weiß, dass Ängste noch so unsinnig und irrational sein können: sie haben trotzdem einen riesigen Einfluss darauf, wie man die Welt und die Menschen um einen herum wahrnimmt und wie man handelt (bzw. das von anderen erwartet). Das gilt m. E. auch für die beiden genannten Themen. Das bedeutet aber, dass eine progressive Politik diese vorhandenen Ängste aufnehmen und darauf reagieren müsste. Das betrifft das zum Beispiel Dinge wie eine soziale Abfederung von Klimaschutzmaßnahmen oder eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung von Kommunen, Schulen etc. Solange die Schere zwischen politischer Rhetorik und praktischem Handeln so groß ist wie derzeit, werden immer mehr Leute ihr Vertrauen in die etablierte Politik verlieren - mit fatalen Folgen für alle. So, das war jetzt endgültig das Wort zum Sonntag :wink:

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