LdN339 Politik sollte Transformation nicht aufzuhalten versuchen

Beim Hören der aktuellen Folge haben Ulf und Philipp über die Härten der Transformation gesprochen. Sie seien Teil des Wandels und sollten nicht zu sehr abgemildert werden.
Ich möchte dazu einen Gedanken äußern: die unangenehmen Aspekte der Energiewende als Härten zu bezeichnen führt meines Erachtens etwas in die Irre. Das Gebäudeenergiegesetz dient vielleicht weniger der Transformation als den BürgerInnen. Denn mal angenommen das Gesetz käme nicht und die Leute würden fröhlich weiter Öl und Gas-Heizungen einbauen. In ein paar Jahren stünden sie dann vor einem wirklichen Problem: unbezahlbare Energiekosten, weil Öl und Gas eben sehr viel teurer werden, unabhängig davon ob dieses Gesetz bald kommt oder gar nicht. Und es ist nicht sicher dass der Staat dann einspränge.
Das GEG führt also eine Regel ein, die davor schützt in diese Preisfalle zu tappen.
Dieses Gesetz ist nun aktuell und wirklich, anders als fantastisch hohe Energiekosten; die muss man sich noch vorstellen. Aber im Vergleich ist das GEG milde und es ist vor allem eins: es ist fair. Denn die Regierung weiß um die Falle die da in der Zukunft wartet und tut eben alles, um die BürgerInnen davon wegzulenken.

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Bin vollkommen einverstanden, dass besser in die Transformation als in den Erhalt demnächst unrentabler Produktionszweige investiert werden soll. Ein anderer Gedanke kommt mir aber zu kurz. Wenn Deutschland nur noch auf energieärmere und hochentwickelte Produkte setzt, woher beziehen wir denn dann die Grundstoffe wie Aluminium, Chlor usw. für diese Produkte? Machen wir uns dann nicht genauso abhängig von wenigen evtl. unangenehmen Handelspartnern wie jetzt bei den Grundstoffen für die Pharmazeutika? Dass die Globalisierung ihre Tücken hat, haben wir doch jetzt nicht erst seit dem Mangel an Masken gemerkt. Muss ein hochentwickeltes Industrieland nicht trotzdem einen Mindestbestand an Grundstoffproduktion behalten?

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Die Frage ist:
Wie können wir als „rohstoffarmes“ Land uns nicht bzw. möglichst wenig abhängig machen?

Als verhältnismäßig rohstoffarmes Land werden wir immer auf Rohstoffe aus anderen Ländern angewiesen sein, denn wir können uns industriell nur auf die Weiterverarbeitung von Rohstoffen zu hochwertigen Produkten spezialisieren, wenn wir sicheren Zugang zu besagten Rohstoffen haben.

Zur Risikominimierung können wir lediglich möglichst diversifizierend vorgehen (dh. Rohstoffe aus allen Teilen der Welt beziehen, für alle Rohstoffe verschiedene Zulieferer haben, die idealerweise in Konkurrenz zueinander stehen usw.) und vor allem unser Know-How schützen - gerade letzteres wird aber zunehmend schwieriger, da China auf einem guten Weg ist, aufzuholen (sei es durch Wirtschaftsspionage, erzwungene Joint-Ventures, Hochschulkooperationen oder schlicht besserer Kopier- und Reverse-Engineering-Techniken).

Europa ist dabei gar nicht so arm an Rohstoffen, aber wir sind deutlich weniger bereit als die USA, Russland oder China, einen hohen Preis dafür zu zahlen, unsere Rohstoffe auszubeuten. Die USA betreiben massives Fracking, um unabhängiger vom Ölimport zu werden, in China regt sich erst jetzt langsam zunehmend Protest gegen die rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen (siehe hier ab Seite 24), aber es ist kaum davon auszugehen, dass sich der Staat davon beeindrucken lässt.

Dennoch, die gefährliche Abhängigkeit vor allem von China wird Europa so schnell nicht loswerden, egal, in welche Richtung wir unsere Wirtschaft entwickeln.

Chlor dürfte tatsächlich nicht das Problem sein. Wenn man dieser Liste von Chloralkali-Elektrolyseanlagen vertrauen kann, haben Deutschland und die EU doch schon einiges zu bieten (16% der weltweiten Erzeugung), der Grundstoff für die Chlorherstellung (Natriumchlorid, also Kochsalz) ist in Deutschland und der EU wohl auch eher unproblematisch.

Beim Bauxit als Grundstoff für Aluminium sieht es auch eher entspannt aus, weil die größten Vorkommen in Guinea, Vietnam, Australien, Brasilien und Jamaika liegen, da wird sich selbst bei einer Konfrontation mit China wohl kein zu starker Engpass ergeben.

Das Problem sind eher seltene Erden, Quarz und Graphit, zumindest waren das die am häufigsten genannten Beispiele in einer kurzen Recherche.

Ein Aspekt zur Frage, ob Politik die mit Dekarbonisierung verbundene Transformation nicht eher begleiten als verhindern sollte, wurde leider nicht besprochen:

Wenn wir es nicht verhindern, das energieintensive Unternehmen ins Ausland abziehen und statt dessen hier durch Förderung auf energiesparende, nicht-fossile Technologien umsteigen, dann erlauben wir den Export von massiven CO2-Emissionen in Ländern, in denen der nicht verhindert wird. Der Fachbegriff dafür ist Carbon Leakage. Ein übergangsweise subventionierter Industriestrompreis gibt diesen Unternehmen die Zeit, sich zu transformieren, statt in anderen Ländern so weiter zu machen, wie bisher.

Tja, dass der Gas- und Ölpreis in der Zukunft definitiv und signifikant steigen wird, ist m.E. leider gar nicht ausgemacht. Das wird zwar mit dem Verweis auf die den CO2-Preis und die Emissionszertifikate immer wieder behauptet, aber ich keinen keinen ernstzunehmenden Ökononen, der sich diesen Standpunkt zu eigen macht.

Siehe dazu die ausführliche Diskussion (wobei man die Behauptungen des Troll @elfriede mit sehr viel Vorsicht genießen muss):

Außerdem gilt noch dieses Argument:

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Beim Thema Industriestrompreis waren die Schlussfolgerungen in der LdN 339 aus meiner Sicht zu kurz gesprungen: Energieintensive Industrien heißen so, weil die Prozesse dort aus physikalischen Gründen viel Energie benötigen. Das heißt: Die Naturgesetze setzten Grenzen, wie viel Energie man dort einsparen kann. Das ist der Unterschied zum Beispiel zur Elektroindustrie. Dort kann man Prozesse effizienter machen, sparsamere Elektromotoren einsetzen, etc. Aber um Stahl herzustellen braucht es eine bestimmte Temperatur, um ein Molekül in ein anderes umzuwandeln braucht es eine unveränderliche Menge Energie. Deshalb hilft eine Schmerztherapie hier nicht. Entweder kann man den Energiebedarf bezahlen oder man sperrt den Laden zu. Dann werden die Erzeugnisse in anderen Ländern hergestellt - allerdings nicht unbedingt klimafreundlicher.
Viele dieser energieintensiven Prozesse liefern im Übrigen die Grundstoffe für die Energiewende. Rotoren von Windkraftanlagen bestehen im Wesentlichen aus Hightech-Materialen und Spezialchemie. Eingesetzt werden zum Beispiel Epoxidharze, die in Leuna produziert werden, bisher mit Gas - lange mit sehr billigem aus Russland. Wenn das mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien klappen soll, wäre es eine gute Idee, solche Vorprodukte auch in Zukunft in Europa herzustellen. Die Lieferketten aus anderen Weltgegenden werden in de Klimakrise bestimmt nicht sicherer.
Manche energieintensive Industrieprozesse lassen sich von Gas auf Elektrizität umstellen. Bei Stahl und einigen chemischen Prozessen geht das nicht, dort kann man Gas nur durch Wasserstoff ersetzen. Aber dort, wo die Umstellung physikalisch machbar ist, braucht die Industrie eben einen Strompreis, der international konkurrenzfähig ist. Sonst wird in anderen Teilen der Welt produziert.
Deshalb: Schmerztherapie über den Preis hilft nur dort, wo tatsächlich Energie gespart werden kann. Wo das nicht möglich ist, müssen fossile Rohstoffe mit bezahlbarem Strom und grünem Wasserstoff ersetzt werden. Es macht Sinn, die Grundstoffe für moderne Spitzentechnologie auch in Europa zu produzieren und sich nicht vollständig von internationalen Lieferketten und ggf. fragwürdigen Regimen abhängig zu machen. In 15 Jahren steht vielleicht genug billiger grüner Strom zur Verfügung, um energieintensive Industrien hier subventionsfrei zu betreiben. Bis dahin mit einem subventionierten Energiestrompreis eine Brücke zu schlagen, erscheint mir ziemlich sinnvoll.

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Ich stimme vielen deiner Punkte voll zu.
Anders sehe ich aber:

Das ist in der Theorie so.
In der Praxis haben auch solche Betriebe richtig große Einsparpotentiale. Die sind zig mal größer als die viel zitierten Elektromotoren. Davon abgesehen dass es die Elektromotoren z.B. in den Gießereien auch gibt, auch wieder 10mal größer als die Antriebe im Maschinenbau oder der Elektroindustrie.
Wenn der Industriestrompreis jetzt auf 6 ct gesetzt wird, dann kann man alle Einsparmassnahmen getrost vergessen. Damit ist nix mehr mit Wirtschaftlichkeit.
Man muss dort die Anspannung also unbedingt aufrechterhalten, die Frage ist wie.
Mit der vorgesehenen Lösung im Energieeffizienzgesetz wird das nix. Die ISO 50.001 produziert nur Papier, und Auditoren haben von den Herstellprozessen in den meisten Fällen keine Ahnung.
Wer sich inhaltlich mit Energiesparen in der Fabrik auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich das Energieeffizienz Handbuch von Bosch Rexroth (sorry für die Eigenwerbung)

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Hier gilt es noch zu bedenken, ob die fossilen Energien eigentlich durch „den Markt“ teurer werden, oder diese Preissteigerung nicht eher durch den CO2-Preis etc. hausgemacht ist. (Das ist keine Wertung.)

Das ist dann nämlich in der politischen Bewertung und Diskussion ein riesiger Unterschied.

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Ein CO2 Preis von astronomischen 200 Euro pro t entspricht ca 4 ct pro kWh Gas, also praktisch nix

4 Cent sehen nicht nach viel aus. Bei 15000kWh/Jahr in einem unsanierten Altbau sind das aber auch 600€/Jahr. Aber ja, eine wirkliche Steuerung wird eher durch steigende Förderpreise passieren müssen.

Zur Zeit kosten 239kWh Erdgas nur 2,40€, siehe https://www.finanzen.net/rohstoffe/erdgas-preis-natural-gas (Erdgaspreid wird für je 1 Million British Thermal Units gehandelt und die entsprechen ca. 240kWh), d.h. also nur 1 Cent pro kWh. Das wird also leider auch nix.

Damit bleibt nur, dass wirklich Regeln wie 65% des Wärmebedarfs muss durch erneuerbare Energien abgedeckt sein verabschiedet werden müssen. Sonst geht nichts voran, der Markt ist offensichtlich zu langsam.

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Der mit Abstand größte energetische Aufwand fällt bei der Stahl-, Alu- und Kupferherstellung bei der Erwärmung an. Ein paar Motoren für das Handling und Transport zu tauschen wird da keinen nennenswerten Einfluss haben.

Um das Problem der Abwanderung zu lösen, müssten alle Produkte die importiert werden anhand des CO2-Gehalts besteuert werden. Damit wird natürlich trotzdem alles teurer.

Leider reicht das nicht. Um das Problem des „Carbon Leakage“ zu lösen, muss nicht nur ein CO2-Zoll auf Importe erfolgen, damit unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt.

Sondern unsere Exportwirtschaft muss beim Export die bezahlten CO2-Zertifikate erstattet bekommen, damit sie auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleibt. Leider übersehen das sehr viele, einschließlich die EU-Kommission, die den Klimazoll nur beim Import erheben aber beim Export den CO2-Preis nicht erstatten will.

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Der erste Satz stimmt. Die zweite Hälfte ist eine historische Vermutung. Wenn man nichts genaueres über die Verbraucher kennt fängt man logischerweise mit dem offensichtlichen an.
Die Verbräuche neben der Schmelzenergie wie zb Abluftventilatoren oder Hydraulikantriebe sind um ein vierfaches größer als im Maschinenbau oder der Elektrotechnik. Man darf deshalb Pareto nicht Branchen bezogen anwenden. Sonst bleiben große Potentiale liegen. Und um Pareto weiter zu treiben, alles außer Eisen und Stahl bräuchte nichts einzusparen, weil eh nur Peanats