LdN319 Ukraine & Kampfpanzer (Feldherrenhügel)

Sowohl Linke als auch AfD kritisieren die Lieferungen deutscher Kampfpanzer an die Ukraine mit der gleichen Argumentation („Verlängerung des Konfliktes, Eskalation des Konfliktes, usw“), aber wohl aus unterschiedlichen Motiven?
Die Linke vermute ich eher aus einer historischen Verbundenheit zu Russland, die AfD eher aus Gleichgültigkeit gegenüber der Ukraine und Bewunderung für den Autokraten und „starken Mann“ Putin.

Die „diplomatische“ Lösung beider bleibt unklar. Tendenziell eher Richtung Diktatfrieden Russlands mit Verlust der besezten Gebiete für die Ukraine.

Bedeutet aber, das beide Parteien kein Interesse an einem langfristigem Frieden bzw dauerhaften Fortbestand der Ukraine haben.

Lassen sich damit tatsächlich Wählerstimmen in nennenswertem Umfang generieren?

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Beiden Parteien geht es leider nicht um eine nachhaltige Lösung des Problems, sondern nur um die Frage, wie Deutschland am besten davon profitieren kann. Für die Wagenknecht-Fraktion ist es halt falsch, dass Deutschland massive Einbußen durch den Wirtschaftskrieg mit Russland erleidet - was da in der Ukraine passiert interessiert vor diesem Hintergrund nicht, es wird nur auf die eigene Situation geschaut. Die AfD ist da leider erschreckend ähnlich, was der Linken zu denken geben sollte.

Beiden Parteien ist es egal, ob die Ukraine sich gegen Russland behaupten kann oder Russland die Ukraine unterwirft. Und ich fürchte, damit kann man durchaus auch Wählerstimmen gewinnen, denn mit immer größer werdenden Einbußen (v.a. hohe Inflation) wird auch der Anteil der Bevölkerung wachsen, dem die Erhaltung des eigenen Lebensstandards wichtiger ist als die politische Lage der Ukraine oder der erhalt der europäischen Nachkriegs-Friedensordnung. Eben weil die Leute nicht an die langfristigen Konsequenzen denken…

Oder anders gesagt: Auch historisch gab es immer eine wachsende Kriegsmüdigkeit, desto länger der Konflikt andauert. Von dieser Kriegsmüdigkeit wollen Linke und AfD profitieren.

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Sehr gut!

Das sehe ich auch so.

Dem stimme ich zu, solange die USA einen Präsidenten haben, der konsequent zur NATO steht - was ja keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Dazu kommt noch, dass für einen Angriff Russlands weniger entscheidend ist, was wir für Russlands Interessen halten, sondern was der Hobbyhistoriker Putin oder sein Nachfolger für die seinen.

Eine Einschätzung zu dieser Darstellung der NZZ würde mich sehr interessieren! Aus meiner fachfernen Sicht klingt es grundsätzlich plausibel und steht in keinem Widerspruch zum Verhalten verschiedener Akteure (z.B. Polen). Auf der anderen Seite hat z.B. Claudia Major dieses Argument nicht erwähnt und auch sonst habe ich es noch nicht gesehen. Kann das jemand einordnen?

Nochmal der Link: Kampfpanzer Leopard 2: US-Rüstungsinteressen lassen Scholz zögern

Kurzer Einwurf zur häufigen Phrase Angst sei ein schlechter Ratgeber:
Wer angstfrei lebt, überlebt wahrscheinlich kein Jahr. Angst ist ein wichtiger Bestandteil des Menschen, um sich vor großen Gefahren zu bewahren. Ob eine Gefahr als groß oder eher gering eingeschätzt wird, liegt beim Individum.
Dieser pauschale, stets unwidersprochene Claim „Angst ist ein schlechter Ratgeber“, schmeckt mir nicht.

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Was du schreibst, ist für Tiere korrekt, nicht für Menschen.

Angst ist eine Emotion, und Emotionen dürfen das professionelle Verhalten nicht steuern.

Professionelles Verhalten muss sich an rationalen Risikoabwägungen orientieren, nicht an Ängsten. Ängste können als Hinweisgeber auf ein Risiko genutzt werden, aber dürfen nicht dazu führen, das Risiko dann über zu bewerten, während andere, realere Risiken, unterbewertet werden, weil diese keine Angst mehr auslösen.

Als Beispiel immer die Reaktion von einigen Leuten, wenn ich vor Corona gesagt habe, dass ich im Sinai tauchen war. Da kommt dann gleich: „Sinai, da sind doch noch Terroristen aktiv! Und überhaupt Ägypten, das ist doch viel zu gefährlich!“. Würde man deshalb diese Reise nicht antreten, wäre das ein Handeln aus Angst. Ich hingegen bin rational. Die Wahrscheinlichkeit, beim Tauchurlaub im Sinai Opfer von Terrorismus zu werden, ist in etwa ein Tausendstel so hoch, wie vor’m Hotel in einem beliebigen Land in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden.

Wir neigen dazu, übersteigerte Angst vor Dingen zu haben, die besonders Präsent in den Medien sind und mit denen wir keine persönlichen (abstumpfenden, angst-abbauenden) Erfahrungen haben (Terrorismus, Krieg). Andererseits unterschätzen wir konsequent Dinge, die tatsächlich gefährlich sind, an die wir uns aber gewöhnt haben (z.B. Autofahren, ungesundes Essen, Fettleibigkeit, Bewegungsmangel).

„Angst ist ein schlechter Ratgeber“ bedeutet daher in erster Linie, dass man niemals sein Verhalten unreflektiert an Ängsten ausrichten sollte. Dass es viele Dinge gibt, vor denen wir berechtigte Ängste haben und die wir auch nach einer rationalen Abwägung meiden sollten, steht dem nicht entgegen.

Bezogen auf die Russland-Diskussion erwarte ich, dass eine rationale Risikobewertung jedes weiteren Schrittes betrieben wird, statt aus Angst davor, in einen (Atom-)Krieg zu geraten, Russland einfach gewähren zu lassen.

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So nachdem nun die Panzer abgehandelt sind: auf zur nächsten Folge ind der Diskussion - Flugzeuge

Kam gerade rein in meinen Nachrichten dass Selenkij jetzt nach solchen fragt ^^

Natürlich wäre das anders zu bewerten, da ein Krieg viel riskanter wäre.

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Ok, es gibt 1000 Gründe, warum es eine denkbar schlechte Idee wäre, wenn die NATO hier militärisch eingreift. Aber vor allem frage ich mich: warum reden wir überhaupt über dieses Szenario? Die Unterstützung der Ukraine ist groß aber quantitativ erst bei einem Bruchteil dessen, wo sie sein könnte. Würden alle NATO Länder einen merklichen Anteil ihres BIPs investieren, einen signifikanten Teil ihrer vorhandenen Waffen an die Ukraine liefern und laufend nachproduzieren, dann wären wir auf einem anderen Level. Die Wahrscheinlichkeit, dass Russland sich am Ende eines solchen Konfliktes denken würde „hat ja super funktioniert - das probieren wir in Moldawien direkt nochmal“ halte ich für praktisch ausgeschlossen. Und wenn wir zu so einem Maß an Unterstützung nicht bereit wären, dann sicher auch nicht zu einem militärischen Eingriff.

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Sehe ich auch so. Man hätte die Panzer schon vor einem Jahr liefern sollen - und Flugzeuge auch. Alle Fähigkeiten, für notwendig sind, um zu gewinnen.

Und zwar, solange noch genug Soldaten am Leben und motiviert sind, diese zu nutzen. Nicht erst, wenn die Marder und Panzerhaubitzen zerschossen sind, die Leos liefern und die Flugzeuge, wenn das Land besetzt ist.

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Der Krieg in der Ukraine ist aber kein stellvertretender-Krieg. Wer soll denn der Stellvertreter von Russland sein bzw. wen vertritt Russland?

Naja, Angst sagt Dir, dass Du in Gefahr bist. Sie sagt Dir nicht unbedingt, was Du am besten tun solltest, vor allem in komplexen Situationen.

Ich hätte auch Angst vor einer OP - selbst, wenn die lebensrettend wäre. Da fallen jedem sofort Beispiele ein.

Das ist gemeint mit „Angst ist ein schlechter Ratgeber“.

Stating the obvious (wie sagt man das auf deutsch?).

Hier beisst sich die Katze in den Schwanz (vgl individuelle Riskobewertung respektive Angst).
Weil du nach „rationaler Risikobewertung“ (gibts das in diesem Kontext überhaupt?) zum Ergebnis kommst, dass Angst hier fehl am Platz ist, soll sie keinen Einfluss auf Entscheidungen haben.

Am Ende des Tages hätte die Ukraine es auch gerne, dass sich die NATO aktiv mit Bodentruppen am Krieg beteiligt, weil das die beste, wenn nicht sogar einzige Chance ist, ihr Staatsgebiet wieder vollständig unter Kontrolle zu bekommen.

Die Frage nach der Lieferung von Kampfflugzeugen hat aber selbst Strack-Zimmermann, Stand jetzt, ablehnend beantwortet. Vielleicht schafft es die Ampel wenigstens in dieser Frage mal, Einigkeit zu präsentieren.

Der Grund aus dem die NATO derzeit einen militärischen Eingriff ablehnt, eine Lieferung schwerer Waffen aber nicht, basiert auf ebendieser rationalen Risikoabwägung. Hintergrund ist die ja bereits erläuterte erheblich größere Eskalationsgefahr im Falle eines Kriegseintritts der NATO.

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47 Beiträge wurden in ein neues Thema verschoben: LdN320 Leopard Panzer in die Ukraine/Deutschland liefert

Inzwischen ist auch meine Mehrheit der Bevölkerung für Panzer:

Dem wäre entgegenzusetzen, dass ja mit z.B. HIMARS oder IRIS-T SLM durchaus aktuelle bis brandaktuelle Technik geliefert wurde. Und die Leopard 2A6 sind auch alles andere als altes Eisen, auch wenn es da einen Nachfolger gibt. Wäre es drum gegangen, altes Eisen zu liefern, hätte man sich für den 2A4 entschieden.

Mir scheint das Geheimhaltungsargument daher in der Realität jetzt eher nicht allzu gewichtig zu sein. Mit Ausnahme der Uran-Panzerung offenbar - wobei es bei der ja sogar so zu sein scheint, dass die auch engste Verbündete nicht in ihre Abrams verbaut bekommen. Womöglich geht es also auch da nur mittelbar darum, dass die Russen die nicht in die Finger bekommen sollen, und unmittelbar darum, dass die halt niemand außer den USA - also auch die Ukraine nicht - haben darf.