Solche Abwägungsfragen sind wie gesagt grundsätzlich nicht Sache des BVerfG.
Auch wenn man es vielleicht nicht so gerne hören will, aber wichtig ist hier, folgendes zu verstehen:
Das Grundgesetz gibt einen groben Rahmen vor, in dem sich der Gesetzgeber relativ frei bewegen darf. Es ist nicht die Aufgabe des Grundgesetzes, feinteilige Abwägungen an Stelle des Gesetzgebers zu treffen, sondern nur „rote Linien“ aufzuzeichnen, die nicht über- oder unterschritten werden dürfen.
Meinem auch nicht, aber das ist halt das Problem: Eine gesetzliche Regelung wird nie dem Gerechtigkeitsempfinden aller Menschen Rechnung tragen können. Im Verkehr genau so wenig wie im Bereich Eigentumsverteilung. Es wird immer unterschiedliche Auffassungen geben.
Kompromisse zu finden, die diese unterschiedlichen Auffassungen möglichst gut unter einen Hut bekommen, ist deshalb wie gesagt Aufgabe der Politik. Die Politik hat durch freie Wahlen die Legitimationsgrundlage, hier Kompromisse und Abwägungen zu treffen. Gerichte - einschließlich des BVerfG - haben hier keine hinreichende Legitimationsgrundlage, solche komplexen Abwägungen zu treffen.
Das BVerfG entscheidet nicht, ob eine geübte Praxis oder ein bestimmtes Gesetz besonders stark „im Sinne der Verfassung“ ist, sondern es hat lediglich die Kompetenz, bei Verstößen gegen Verfassungsrecht einzuschreiten. Hier ist es wirklich sehr, sehr wichtig, zu verstehen, dass das Grundgesetz einen relativ großzügigen Rahmen darstellt und keine binäre Richtig-Falsch-Einordnung kennt. Und es ist wichtig, zu verstehen, dass das BVerfG eine Kontrollinstanz der Gesetzgebung ist, aber nicht deren Vorgesetzter. Wenn wir die Befugnis des BVerfG so weit auslegen, wie es hier gefordert wird, also auch solche Abwägungen im Hinblick auf die Verkehrsinfrastruktur zu treffen, degradieren wir die Legislative zur reinen Exekutive des BVerfG, daher: Wir nehmen der Legislative nahezu alle Gestaltungsmöglichkeiten, sodass diese nur noch umsetzen kann, was das BVerfG für korrekt hält. Das geht gegen jeden Grundsatz der Gewaltenteilung und letztlich auch der Demokratie.
Man kann - absolut mit Recht - die bis heute gültige Verkehrspolitik („Autogerechter Verkehr“) kritisieren, aber diese zu ändern ist Aufgabe der Politik, nicht der Gerichte. Es ist ein Fehler, zu denken, nur weil das BVerfG sich in letzter Zeit vermehrt für mehr Klimaschutz eingesetzt hat, diesem mehr Macht geben zu wollen, nach dem Motto: „Dann wird es in unserem Sinne handeln“. Denn wie gesagt, das BVerfG ist nicht hinreichend demokratisch legitimiert, um feine Abwägungen zu praktizieren. Was würde passieren, wenn wieder eine Mehrheit stockkonservativer Richter am BVerfG sitzen würde, nachdem wir dem BVerfG derart viel Gestaltungsraum zugestehen? Nichts gutes!