LdN309 Deutsch-Französische Problemgespräche: Olaf Scholz allein in Paris

Einladung zur Kommentierung

Ich verstehe das Problem Macrons mit dem Kauf der F35 nicht.

Frankreich war aus der Entwicklung des Eurofighters ausgestiegen und hat ihr Kampfflugzeug der 4. Generation selber entwickelt mit der Dassault Rafale.

Die F35 ist ein Kampfflugzeug der 5. Generation und Frankreich hat kein solches Flugzeug.

Dann können wir auch einfach mehr Eurofighter bauen.

Es sei denn, ganz Europa entwickelt ein Konkurrenzprodukt, wie früher mit dem Eurofighter auch so geplant.

Bezüglich Kampfflugzeugen scheint mir der große Knackpunkt zwischen Frankreich und Deutschland das FCAS-Projekt zu sein. Dieses stand im Sommer meines Wissens kurz vorm Scheitern. Habe dann nichts mehr gehört davon.

Siehe hier: Future Combat Air System – Wikipedia

Ja, 2040!

Und das sind Flugzeuge der 6. Generation.

Der Streit um das FCAS Projekt war doch aber primär einer zwischen Dassault und Airbus. Von politischer Seite hat das Projekt seit der Freigabe der Gelder durch den Bundestag auf deutscher Seite und der Wiederwahl Macrons auf französischer Seite grünes Licht. Hier hat die Politik ja jüngst sogar Druck auf die Wirtschaft bzgl. einer Einigung gemacht. Der Streit zwischen den Flugzeugbauern dürfte jetzt übrigens durch ebendiese Druck inzwischen auch weitgehend beigelegt sein.

Das „Problem“ wird die Begründung für den Kauf sein. Es werden nämlich nicht einfach so F-35 gekauft, weil die Luftwaffe mehr fliegendes Material benötigt (dann könnte man in der Tat auch einfach Eurofighter kaufen), sondern weil mit Außerdienststellung der Tornado-Kampfjets der Luftwaffe die Fähigkeit zur Bewaffnung mit US-Amerikanischen Kernwaffen fehlt. Im Rahmen der nuklearen Teilhabe ist aber vorgesehen, dass die Luftwaffe diese Fähigkeit haben muss - und der Eurofighter kann das nicht. Sehr wohl können tut das aber die französische Rafale. Vor diesem Hintergrund hätte man aus französischer Sicht also durchaus eine Wahl gehabt. Das stattdessen die modernere F-35 beschafft wird ist rational völlig logisch - aber seit wann läuft internationale Politik schon rational.

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der eurofighter kann meines wissens nach durchaus atomwaffen tragen. die amerikaner haben das flugzeug aber bisher nicht atomwaffen"zertifiziert". wenn ein dreistelliger millardenbetrag in aussicht ist, würde ich mir auch zeit lassen mit der zertifizierung. solange der tornado weg muss und nur amerikanische modelle zugelassen werden, geht ne menge geld übern teich.

Mir scheint, dass die Verstimmung zwischen Scholz und Macron substantieller ist als nur ein Kommunikationsproblem und reduziert man den Konflikt auf Letzteres, bleibt die Kritik an Deutschlands Alleingang ungehört.

In der Lage wurde argumentiert, dass Deutschlands Weg ökonomisch vernünftiger sei, weil durch einen Preisdeckel der Anreiz zum Sparen entfällt. Das erscheint mir aber etwas zu undifferenziert weil sowohl Haushalte als auch Betriebe nicht beliebig einsparen können. Einfach ausgedrückt: Ob der Gaspreis 200% über dem üblichen Wert liegt oder 500%, wird die meisten Haushalten zu keiner relevanten Verhaltensänderung bewegen, weil schon bei einem doppelt zu hohen Preis so gut es geht gespart wird. Dagegen sind die sozialen Konsequenzen immens und das scheint auch die Experten-Kommission der Bundesregierung so zu sehen und schlägt deswegen eine Preisbremse vor. In einem sehr empfehlenswerten Interview bei Jung und Naiv [1] argumentiert die Ökonomin und Mitglied der Experten-Kommission, Isabella Weber, dass es bei der Diskussion um einen Preisdeckel oder eine Preisbremse kritisch darauf ankommt, wie groß die Entlastung sein muss, um gleichzeitig einen Sparanreiz zu setzen und sozial-ökonomische Verwerfungen zu minimieren. Dabei betont sie, dass die deutsche Preisbremse keine Alternative zum europäischen Preisdeckel ist, sondern dass sich beide Mechanismen ergänzen können.

Vor diesem Hintergrund erscheint mir die Deutsch-Französische Krise mehr als ein Kommunikationsproblem, aber die Frage bleibt: Warum will Deutschland eine nationale Preisbremse einführen, aber lehnt einen europäischen Preisdeckels ab?

Meine Vermutung ist, dass man Angst davor hat, dass ein Preisdeckel auf der Seite der Produzenten dazu führt, dass weniger Gas in Europa ankommt. Schließlich gibt es ausreichend Nationen auf dem Weltmarkt, die bereit wären einen höheren Preis zu zahlen. Gleichzeitig kann nicht beliebig viel Gas verflüssigt werden um es über Schiffe an außer-europäische Länder zu liefern. Vielleicht sieht Macron darin einen Kompromiss: Es kommt weniger Gas nach Europa, aber dafür zahlen wir deutlich weniger an die Produzenten. Deutschland will dagegen keine Verluste beim Einkauf und setzt die Preisbremse deswegen auf der Seite der deutschen Verbraucher an. Diese Strategie können sich viele unserer Nachbarländer aber nicht leisten und kritisieren damit, aus meiner Sicht zurecht, einen deutschen Alleingang. Dazu kommt, dass sich die europäischen Länder, mit der Ausnahme Ungarns, am 26. Juli bereit erklärt haben 15% ihres Gasverbrauchs einzusparen - Eine notgedrungene Solidarität mit Deutschland, das too big to fail ist [2]. Es sparen also europäische Länder für Deutschland und unsere Politik fordert fast schon zynisch, dass Preise beliebig steigen dürfen und jeder Staat seine eigene Rechnung bezahlen muss.

Wie seht ihr das?

[1] Ökonomin Isabella Weber über die Gaspreisbremse - Folge 602 - Jung & Naiv
[2] Prekäre Solidarität: Europa in der Gaskrise | Blätter für deutsche und internationale Politik

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