LdN308 "Fachkräfteüberhang" bekämpfen

Ein Punkt, der noch gar nicht angesprochen wurde ist, dass wir körperliche Arbeit (und damit das Handwerk) gesellschaftlich auch dadurch unattraktiver gemacht haben, indem wir die damit einhergehenden gesundheitlichen Risiken entsolidarisiert haben. Mit der Agenda wurden Berufsunfähigkeit, Frühverrentung und Teile der Gesundheitsvorsorge aus der Sozialversicherung in das Private verlagert, mit dem Ergebnis, dass die Inhaber der Berufe mit den höchsten Risiken sich nun gar nicht mehr oder nur zu exorbitanten Raten gegen beispielsweise Berufsunfähigkeit versichern können.

Der Maurer verdient also nicht nur halb so viel wie die Architektin, er muss auch noch doppelt so viel für seine BU-Versicherung bezahlen und hat ein dreimal so hohes Risiko auf Abschläge bei der Rente wegen gesundheitlich erzwungenem Vorruhestand!

Dieser Trend zieht sich durch: Jede Erhöhung des Rentenalters verstärkt die relative Schlechterstellung zwischen Blaumann und Anzug. Es ist ein fortwährender politisch/gesellschaftlicher Prozess.

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Also ich bin vor vielen Jahren Energieelektroniker geworden, Geselle.

Meine Berufsschullehrer haben zu uns gesagt:
Theorie lernt ihr genauso viel wie studierte Ingenieure, die können nur besser rechnen und schlechter schrauben.

Nach 20 Jahren Berufserfahrung kann ich behaupten, man sollte zumindest in der Produktentwicklung eher auf alte Gesellen setzen, denen man ein bisschen beim Rechnen hilft, als auf akademische Ingenieure die keinen Gedanken an die Praxis verschwenden.

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Im Prinzip sagst du damit etwas, was ich mir schon länger denke. Wir überhöhen leider zu oft das Studium, gesellschaftlich und finanziell. Es gibt genügend Ausbildungsabschlüsse mit nachfolgender berufsbegleitender Weiterbildung, die mindestens gleichwertig sind, wenn nicht so gar im praktischen Arbeitsleben besser. Für mich wäre das im Bereich BWL. Ich habe eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement absolviert und kurz nach meiner Ausbildung den qualifizierten Wirtschaftsfachwirt (Bachelor professionell of Business), ebenfalls neben dem Beruf. Ich hatte also nach meinem Abschluss über 5 Jahre durchgehende praktische Erfahrung und die Theorien, die es braucht. Ich sehe mich da ehrlich gesagt mindestens gleichwertig zu jedem BWL Bachelor an einer Uni, ehrlich gesagt sogar wertvoller, da ich weiß wie es in der Praxis aussieht.

Übrigens frage ich mich sowieso, wie die Schule Berufsberatend agieren soll? Sehr viele Lehrer haben nie etwas anderes als die Schule gesehen (Abi->Uni->Lehrer). Wie sollen die bitte etwas von der freien Wirtschaft und Berufsabschlüssen wissen? Ich war an 2 Gymnasien, eines war eben so, dass dort fast nur Lehrer waren, die nie in der freien Wirtschaft waren. Das andere war ein Wirtschaftsgymnaium, an dem nahezu jeder Lehrer vorher in der freien Wirtschaft tätig war. Dort hat man viel über den nationalen und internationalen Arbeitsmarkt gelernt.

Ja und nein.

Hätte das schon in dem anderen Thema vermerkt:

Leuten, denen die Grundlage fehlt mit sechs Wochen Schnellbesohlung los zu lassen ist keine Lösung.

Ich mein ja, jemandem Löten beizubringen geht schon, der braucht dann aber jemanden, der ihm sagt wo er löten soll.

Ähnlich ist es bei Solaranlagen. Jemandem das Praktische beizubringen ist nicht das Thema. Aber derjenige sollte immer auch einen Vollausgebildeten dabei haben, der genau sagt, wo.

Denn derjenige, der baut, sollte schon auch Verständnis haben dafür, was geht und was nicht. Sonst hast du bald irgendwo einstürzende Dachstühle, weil da irgendwo irgendetwas morsch war, was der Schnellbesohlte nicht sieht. Oder irgendwo brennende Häuser, weil bei der Rohrverlegung für die WP irgendwas schief gegangen ist.

Schema F (sechs Wochen Lehrgang) funktioniert nunmal nicht überall.

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Wieso holst du den gleich so eine große Keule raus? Ganz allgemein sind Zugangsbeschränkungen zu Studiengängen doch etwas völlig normales, siehe numerus clausus. Gegen den sagt aber niemand etwas. Und das ein Mensch 10 Jahre zur Schule gehen soll kann sich auch niemand aussuchen.

Das Problem ist, dass der Markt falsche Anreize für gewisse Berufe schafft und denen kann man dann nur noch staatlich entgegen wirken, sonst hat niemand die Macht dazu.

Habe ich auch schon oft erlebt.

Da bin ich der Gegenbeweis, aber ich hatte im Grundstudium mit Mathe auch ordentlich zu kämpfen. Imaginäre Zahlen z.B. hatte ich vorher nie im Abi. Und das obwohl ich ein E-Technik-Abi (13 Jahre!) mit Wechselstromlehre hatte.

Ich denke aber manchmal auch, dass Motivation und Interesse zu hoch gehangen werden. In manchen Berufen ist es auch okay, wenn die Leute einfach nach Schema F arbeiten um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Das sehe ich absolut genauso. Wir leben in einer Zeit, in der praktisch alle immer mehr für ihre Gesundheit tun. Weniger Alkohol, weniger Fleisch, mehr Bewegen und so weiter. Da ist es doch klar, dass „ungesunde“ Berufe nicht gefragt sind.

Was wir also im Grunde brauchen sind massive Anreize für diese Jobs:

  1. Rente mit 55
  2. 4 Tage Woche
  3. 7 Tage Arbeitstag.

Daneben natürlich eine angemessene Bezahlung. Das entscheidende ist einfach, dass es dort handfeste Vorteile gegenüber Bürojobs geben muss.

Und nichts davon ist völlig unrealistisch oder noch nie da gewesen:

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Hallo zusammen,

ich finde gerade den Ansatz „bringt die Leute in den Markt: sechs Wochen Intensivkurs und los“ zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ein fatales Signal.

Vor kurzem hat ein FDP-Politiker (wenn ich mich richtig erinnere) zur Bekämpfung des Flugchaos beim Gepäck angeregt, Arbeitslose gezielt hier einzusetzen. Und in dem Sinn ist der Ansatz mehr oder weniger gleich: man schafft eine (mehr oder weniger) rudimentäre Grundqualifikation, und die Leute sollen dann - learning by doing - die Praxis direkt verbessern. Gerne in „gefühlt“ weniger komplexen Tätigkeitsfeldern.

Frage: käme das auch bei anderen Berufen in Betracht? Wir brauchen Krankenpfleger. Geht das da?
Aber Ärzte fehlen auch? Die Arbeit eines Hausarztes ist in vielen Fällen nicht kritisch, oder? Eine Krankmeldung beispielsweise könnte doch auch ein geschulter Facharbeiter ausstellen.
Der Öffentliche Dienst ist auch überlastet. Also Feuerwehrleute. Polizisten. Staatsanwälte. Richter.
Journalisten. Fluglotsen.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Der Verzicht auf Ausbildung bedeutet einen Verzicht auf Qualität uns Sicherheit. Nur weil wir das HEUTE brauchen, heißt das nicht, dass wir das unter allen Umständen akzeptieren müssen. Nur weil es ein „nachrangiger“ Beruf ist.
Erschreckend häufig sitzen gerade Akademiker - die maßgeblich von guter Ausbildung profitieren - dieser Erzählung auf. Nur weil es nicht fünf Jahre Studium und einen Titel braucht, heißt das nicht, dass es um nichts geht.

Das andere ist: geringere Qualifikation bedeutet auch geringeres Einkommen. Eine Crash-Kurs-Qualifikation wird nie so anerkannt werden, wie eine Ausbildung. Wir schaffen nur „Fachkräfte“ die weniger verdienen als beispielswiese Meister, gleichzeitig werden die Meister nicht so viel mehr verdienen, weil durch das Heer von Geringerqualifizierten weniger benötigt werden. Das Lohnniveau wird also nicht für alle deutlich besser, damit ist der Anreiz weg.

Das ist wie in dem Witz mit dem Ingenieur und dem Hammer: der Schlag kostet nicht viel, aber die Erfahrung, wo und wie zuzuschlagen ist teuer.

Was wir brauchen ist nachhaltige Qualifikation. Das heißt, wir müssen akzeptieren, dass die Fachkräfte fehlen. Aber wir müssen sie jetzt qualifizieren. Das heißt geförderte Ausbildung und Umschulung. Gezielte Förderanreize für die Kunden, die die Aufträge erteilen. Perspektive auf Jahre. Dazu Anreize, auch spät im Berufsleben eine Umschulung vornehmen zu können.

Den Ansatz mit der Ausbildung von Geflüchteten mit dauerhaften Aufenthalt finde ich gut. Wir haben den demographischen Wandel, viele der genannten sind in einem Alter, in dem sie nach einer Ausbildung den Arbeitsmarkt länger erhalten bleiben. Und selbst wenn nicht: dann sorgen Sie in ihren Herkunftsländern (oder anderen) für bessere Bedingungen. Der Grundgedanke von Entwicklungshilfe. Dazu sind viele willig (und viele Arbeitgeber ebenso) hier Ausbildung und Arbeit zu leisten.

Change my mind :slight_smile:

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Doch, natürlich sagt dagegen jemand was. Und Zulassungsbeschränkungen müssen auch gut begründet werden, gerade wegen der grundgesetzlich zugesicherten Berufsfreiheit. Der NC ist ein reines Notwehrinstrument der Universitäten hinter dem Deckmantel einer Bestenauslese.

Die Fachwahl über den NC zu steuern führt zu völlig absurden Fehlanreizen. Dann dürfen künftig nur noch die Besten die Fächer studieren, die es angeblich nicht braucht, während man die schulischen Underperformer in die gesellschaftlich/volkswirtschaftlich relevanten Fächer drängt?

Und davon soll es besser werden?

Ich halte aber auch die (offensichtlich breit anerkannte) Prämisse, dass „zu viele studieren und dann noch das Falsche!“ für fragwürdig. Die Zeiten, in denen man nach dem Philosophiestudium Taxifahrer wurden sind lange vorbei. Auch die finden fast alle einen adäquaten Job - der Markt fragt auch diese Qualifikationen nach.

Wo gibt es denn wirklich einen signifikanten Überhang an „Qualifizierten, die man nicht braucht“? Es gibt in meiner Wahrnehmung nur unterschiedlich stark ausgeprägten Mangel.

Der Frosch sagt, dass sein Teich der Beste ist?

Ich finde es schade, dass die Diskussion zunehmend von Ressentiments geprägt wird. Wenn das Handwerk mit Sprüchen wie „Macher statt Magister“ wirbt und glaubt sich aufzuwerten, indem es Akademikerinnen aus den Gesellschaftswissenschaften diskreditiert (Magister), dann mag es damit beim Stammtisch punkten, aber sicher nicht bei den jungen Menschen.

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Ich habe eine Berufsausbildung und anschließend ein Studium im selben (MINT-)Bereich und muss sagen, dass die Theorie in der Berufsausbildung ein Witz war, verglichen mit dem was in der Uni dran kam (maximal vergleichbar mit der Stoffmenge eines halben Semesters). Von Berufsschulen (und solchen Aussagen von Berufsschullehrern) halte ich daher leider nicht so viel. Die Stärken der Ausbildung sind eher die praktischen Erfahrungen die man sammelt.

Nicht falsch verstehen: In meinem Bereich ist es auch sehr „durchlässig“, sodass Akademiker mit Nicht-Akademikern arbeiten und das finde ich auch gut so. ich sehe immer wieder gute Ausgebildete, die „besser“ sind als ihre studierten KollegInnen. Deswegen nach weniger Bildung zu rufen halte ich dennoch für den falschen Weg, da Bildung niemals schadet.

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Darum geht es gar nicht. Das ist nur der Reflex der Handwerker.
Wie in vielen Berufen gibt es einfache und anspruchsvollere Tätigkeiten.
Und viele einfache kann man anlernen.

Als einst eine bekannte Drogeriekette insolvent ging und tausende Verkäuferinnen von Arbeitslosigkeit bedroht waren, kam von einem FDP oder CDU Politiker auch der Vorschlag, man könne diese Damen doch in Kindergärten und Tagesstätten einsetzen, sie hätten doch an der Kasse schon viel mit Kindern zu tun gehabt.
Die Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, mit 2-3 Jahren Ausbildung und meist kleinem Gehalt, waren über soviel Wertschätzung hocherfreut.
Warum nicht der Vorschlag kam, diese Verkäuferinnen in Banken oder Versicherungen einzusetzen, da sie ja Erfahrung im Umgang mit Geld haben, wundert mich noch heute.

Scherz beiseite: auch wenn ein Architekt studiert hat, lasse ich ein Haus praktisch lieber von einem Maurer hochziehen. Da gibt es Gründe…

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Sind Leute, die Menschen zuhause pflegen, nicht genau das? „Laienpfleger“?

„Ausstellen“ ist nicht die Frage, das ist simpel. Das, was da eigentlich an fachkundiger Arbeit geschieht, ist die Diagnose.

Und da ist die „Laiendiagnose“ insofern berücksichtigt, als dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst ab mehr wie 3 Tagen Krankheit erforderlich ist. Dir wird sozusagen zugetraut, für einfache, kurze Krankheitsfälle selbst einschätzen zu können, ab wann du wieder arbeitsfähig bist - eben genau damit man nicht wegen jedem sich selbst heilenden Zipperlein zum Arzt muss.

Gibt es: Freiwillige Feuerwehr.

„Polizisten“ sind ein Element des Systems zum Erhalt der öffentlichen Ordnung. Die allein betrachten zu wollen wäre wie den Meister generell für alle Tätigkeiten eines Handwerksbetriebs ersetzen zu wollen. Das wollte aber auch der kritisierte Ansatz nicht: er will den Meister nur da ersetzen, wo nicht wirklich Meister-Kenntnisse erforderlich sind, und den Gesellen analog dazu ebenfalls da, wo dessen Kenntnisstand nicht notwendig ist.

Also fassen wir es gröber: betrachten wir statt „Polizisten“ das gesamte System zum Erhalt der öffentlichen Ordnung. Und da gibt es schon eine abgestufte Kette von Beteiligten mit wenig bis viel Ausbildungsbedarf: Ordner bei Großveranstaltungen brauchen kaum Ausbildung, sind aber bereits Teil dieses Systems (da vorgeschrieben von der öffentlichen Hand). Dann gibt’s den kommunalen Ordnungsdienst, dann Polizisten, dann Spezialeinheiten, mit jeweils steigendem Ausbildungsaufwand.

Laienrichter. Gibt es längst.

Blogger.

Wieder zu stark verengter Blick. Fluglotsen sind ein Teil des Flugsicherungsdienstes, und in dem arbeiten abgesehen von den nach strengen Kriterien ausgewählten und trainierten Fluglotsen auch noch eine Menge Personen mit einfacherem Ausbildungshergang, und zwar unter anderem deswegen, damit die Fluglotsen sich voll und ganz auf ihre Radarschirme konzentrieren können.

Ja klar, wenn man die Intention (absichtlich?) missversteht, ist das simpel - ich geb dir noch einen: Gehirnchirurgen! Die Intention ist aber eben nicht, die vor Radarschirmen ihre Arbeit erledigenden Fluglotsen durch in einem sechswöchigen Crashkurs ausgebildete Leute, die man auf der Straße aufgegabelt hat, zu ersetzen, sondern zu verhindern, dass der Fluglotse seine Zeit damit vergeuden muss, sich selbst Kaffee zu kochen oder das Windows auf seinem Arbeitslaptop selbst neu installieren zu müssen, wenn der rumzickt.

Es gibt nun mal in allen Berufen, in denen Fachkräfte zugange sind, viele Tätigkeiten, die diese Fachkräfte zwar ausüben, die aber die Fachkenntnisse nicht oder kaum benötigen. Die Arbeitsteilung ist praktisch nie so perfekt organisiert, dass für jede „niedere“ Tätigkeit jemand mit gerade dafür ausreichendem Qualifikationslevel zur Verfügung steht. Daher ist es seit Erfindung der Arbeitsteilung und Spezialisierung schon immer ein bewährter Weg zur Effizienzoptimierung gewesen, solche Tätigkeiten zu identifizieren, sie herauszuseparieren und sie an dafür dediziertes, passend ausgebildetes Personal zu geben. Die Idee, einen Schnell-Intensiv-Kurs für Handwerker bereitzustellen und durch so ausgebildete Leute eine Entlastung der umfangreicher ausgebildeten Gesellen und Meister zu bewirken, reiht sich daher erst mal ein in dieses historisch betrachtet sehr erfolgreiche Konzept, zu dem es auch keine wirkliche Alternative gibt.

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Und ich behaupte jetzt, dass Du genau der falschen Erzählung aufgesessen bist.

Der Laienpfleger ist explizit kein medizinisches Personal, sondern Betreuer, der dazu Verantwortung für Verwandte übernimmt. Im umgekehrten Fall nennt man das auch „Eltern“.

Kein Feuerwehrmann, ob beruflich oder freiwillig, wird nach 6 Wochen selbstständig den Dienst ausführen.

Laienrichter: werden von einem Berufsrichter begleitet. Blogger: wenn jeder Blogger ein Journalist ist, dann ist das Internet eine uneingeschränkt zuverlässige Nachrichtenquelle.

Warum ist mein Blick stark verengt? Ich gebe Beispiele, Installateur für Solarmodule ist ein weiteres beliebiges.
Und ich sage, dass andere die Intention missinterpretieren: Wir brauchen jetzt Fachkräfte, die jetzt verfügbar sein sollen. Angelernt reicht doch. Das ist genau die Geringschätzung, die den Handwerksberuf in der groben Betrachtung abwertet.

Sie es anders herum: die Zugangsbeschränkungen zum Medizinstudium und die Kassenlizenzen bestimmen das verfügbare Angebot. Hier schützt sich das System selbst, damit (viele) Ärzte weiter viel Geld verdienen. Warum soll das nicht für andere Branchen gelten? Weil ein Lötkolben und ein Schraubendreher doch was anderes ist?

Und der Sicherheitsaspekt kommt zu kurz: jemand, der etwas seit sechs Wochen macht, kann gar nicht so gut sein wie jemand, der eine Ausbildung oder einen Meister hat.
Von welchem Arzt lässt Du dich lieber behandeln: vom Anfänger oder vom Erfahrenen.

Und zuletzt: würdest Du dich in sechs Wochen qualifizieren lassen, damit andere Leute schnell eine Solaranlage auf das Dach bekommen? Und wie argumentierst du, dass du dann auch noch vernünftig verdienst? Immerhin beträgt deine Erfahrung exakt sechs Wochen.

Wir neigen dazu, einfache Lösungen zu suchen, die aber bitteschön andere ausführen sollen. Aber das ist weder nachhaltig noch fair.

Vielleicht müssen wir uns im Klaren sein, dass das nicht einfach ist. Aber zu sagen „der Ausschnitt ist zu begrenzt“ ist auch nur die Argumentation, dass das eine was Besseres als das andere ist.

Ich sehe da eher eine Chance zur Wertschätzung:
Wir brauchen JETZT Fachkräfte, um den ökologischen Wandeln hinzubekommen. Diese Fachkräfte sind systemrelevant. Und weil es dort mangelt, sind wir sogar bereit, von unseren heiligen Ausbildungsrichtlinien abzuweichen, weil es so wichtig ist, dass tatsächlich HEUTE dieser Wandel eingeleitet wird - und nicht in 5 Jahren oder 10 Jahren, wenn endlich genug voll ausgebildete Kräfte zur Verfügung stehen.

Wichtiger wäre doch eher, diesen angelernten Kräften durch eine gute Bezahlung zu verdeutlichen, dass sie eben nicht nur als „Hilfskräfte“ wahrgenommen werden, sondern als Fachkräfte.

Denn ich teile deine Befürchtung, was die langfristigen Konsequenzen betrifft, durchaus. Denn es ist in der Tat die FDP, die gerne für das schnelle Anlernen eintritt, weil sie sich davon billige Arbeitskräfte erhofft, welche von ihrem Unternehmer-Klientel eingesetzt werden können, um komplexe Aufgaben günstiger zu erledigen als richtige Fachkräfte. Und das darf halt nicht passieren.

Eine angelernte Kraft, die nur Solaranlagen installiert, muss natürlich genau so bezahlt werden, wie eine voll ausgebildete Kraft, die nur Solaranlagen installiert. Die Bezahlung muss sich an der Arbeit messen, nicht am „Status“.

Wichtig ist hier auch, dass diese angelernten Kräfte nach ein paar Jahren Berufserfahrung in dem angelernten Job eine Externenprüfung bei der IHK ablegen können, um die volle Ausbildung bestätigt zu bekommen. Dies sollte der Staat auch explizit fördern, durch z.B. Kostenübernahme berufsbegleitender Vorbereitungskurse auf die Externenprüfung.

Wichtig ist mir beim Thema „angelernte Kräfte“, dass es stets realistische Möglichkeiten zum weiteren Aufstieg geben muss, über die Externenprüfung bis zur Meisterprüfung.

Als jemand der seit längerem in ostdeutschen großstädten wohnt will ich nicht noch mehr polizei. Rücken ja jetzt schon bei jeder abgesagten demo gleich die bayern mit flagge im heckfenster nach Sachsen ein.

Hat auch niemand gesagt, dass man für jede Pflegeaufgabe medizinisches Personal benötigt. Wenn du das glaubst, frage ich dich, wie es funktionieren kann, dass Millionen Kinder ihre Eltern pflegen.

Nur so als Beispiel:

„Die Grundausbildung für ehrenamtliche Feuerwehrleute in Lünen dauert ca. 1 Jahr und findet ausschließlich an Wochenenden statt.“
Ich hab’s mal grob zusammenaddiert, was auf der Seite so genannt wird. Da in dem einen Jahr bei weitem nicht jedes Wochenende belegt wird, sondern immer nur phasenweise für ein paar Wochen, ist man in der Gesamtzeit schon nicht so weit weg von 6 Wochen Dauerintensivlehrgang.

Und danach ist man „Feuerwehrmann“ - offizieller Dienstgrad. Ist dir das „selbstständig“ genug, oder war das Wörtchen der Cop-Out, mit dem du dich jetzt argumentativ rauswieseln wirst? :wink:

So wie ein „Solaranlagenlaieninstallateur“ wohl von einem Gesellen beaufsichtigt würde. Wo ist das Problem?

Ist ein Mitarbeiter einer überregionalen Zeitung dann ein Journalist? Wenn ein solcher Mitarbeiter ein Journalist ist, sind dann Zeitungen uneingeschränkt zuverlässige Nachrichtenquellen?

→ Nonsense-Gegenargument.

Dafür gibt’s überall in allen Fachbereichen zu viele Leute, die sich irgendwie durch ihre Ausbildung gewurstelt haben und dann vielleicht theoretisch wüssten, wie’s zu machen ist, aber nicht die nötige Sorgfalt an den Tag legen. Diese Leute existieren und sind ein Fakt, der deine „kann gar nicht“-Behauptung schon widerlegt. Denn gegen solche Kandidaten KANN ein talentierter Anfänger durchaus gewinnen.

Zumal die Grundidee, die du beharrlich ignorierst, ja nach wie vor die ist, dass die Arbeit der weniger qualifizierten Leute von jemand höher qualifiziertem - z.B. einem Meister - am Ende abgenommen werden muss. In dem Zusammenhang sollten entsprechende Qualitätsanforderungen erfüllbar sein, weil die Kontrolle durch ein weiteres Paar Augen etwaige Mängel zutage bringt - vermutlich besser, als das Konzept, sich einfach uneingeschränkt und blind auf den Stempel unter dem Ausbildungszeugnis einer einzelnen Person zu verlassen.

Vom Erfahrenen. Der übrigens sehr häufig nicht der Arzt mit dem höchsten formalen Qualifikations-Titel ist - Chefarzt heißt vor allem, dass man mehr Papierarbeit zu erledigen hat und somit weniger Zeit zu konkreter medizinischer Arbeit hat, als die Ärzte ohne das „Chef“-Prefix.

Wenn meine Arbeit qualitativ nicht zu beanstanden ist und das Ergebnis funktioniert, dann argumentiere ich genau so: mein Ergebnis ist tadellos, also ist mein Ergebnis ein vernünftiges Gehalt wert. Ist doch völlig egal, wie lange ich gelernt haben muss, um dieses Ergebnis zu erreichen.

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Weil die Begründung der Herren noch infamer war. Die zielte nämlich nicht mal auf die beruflich erworbenen Qualifikationen an der Kasse ab, sondern auf die Feststellung, dass das ja alles „erfahrene Mütter“ wären und sie DESHALB für eine Tätigkeit im Erziehungswesen qualifiziert seien.

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Das ist eine komplette Fehleinschätzung. Aus eigener Erfahrung ist kann ich sagen, dass die Theorie in der Berufsschule und das erlernte an der Uni mal nichts miteinander zu tun haben.
Die Berufsschule bildet im Prinzip Anwender und Ausführer aus. Die Uni oder FH bilden die Entwickler und Planer aus.
Natürlich denkt oft am Ende der Anwender (Maurer oder Elektriker), dass er dieses auch leicht entwickelt haben könnte, aber es gehört doch viel mehr Basiswissen und Gesamtheitliche Ansätze zur Herstellung einer Anwendung. Darum sollte der Ing (z.B. Bau. Ing) immer Anwender (Maurer) in seine Planungen einbeziehen, denn Teamgedanken sind immer wertvoll.

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Das ist ein guter Punkt! Insbesondere die Politikwissenschaftler in meinem Freundeskreis bereuen ausnahmslos, nicht lieber Jura studiert zu haben.

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Nach allem was ich bis hetzt gelesen habe wissen anscheinend viele nicht wie es in (Handwerks)Firmen zu geht.
Die bestehenden Firmen versuchen die hier beschrieben Arbeitsweisen, dass der höher Qualifizierte auch die Anspruchsvollen Aufgaben erledigt und wo es geht (Fach)Helfer eingesetzt werden, umzusetzen. Das Gründet sich schon alleine daraus dass es unwirtschaftlich ist den Meister den Hof kehren zu lassen.
Entsprechende Helfer werden von Gesellen beaufsichtigt und angeleitet ebenso wie der Meister seine Gesellen anleitet. Hier jetzt einfach ein Heer von Fachlich angelernten Helfern drauf zu werfen bringt niemandem etwas. Denn die Gesellen und Meister die die Helfer beaufsichtigen und anleiten sollen fehlen ja immer noch.
Was bei Drückerkolonnen mit unsachgemäßen Arbeiten herauskommt können wir nach dem nächsten Sturm in Nachbars Garten begutachten, oder hat Folgeschäden wie Wassereintritt am Dach oder Kontaktkorrosion an den Solarmodulen.
Mit 40 jähriger Berufserfahrung kann ich nur sagen dass ich als Geselle erst angefangen habe wirklich zu lernen obwohl ich einen sehr guten Lehrmeister hatte. Mit 6 Wochen anlernen bekommt man nicht einmal ein Fachhelfer.
Zu guter Schluß brauchen die Arbeiter die die Solarmodule montieren noch gute körperliche Voraussetzungen. Denn auf dem Dach ist man Wind und Wetter ausgesetzt. Nicht zu vergessen dass man schwindelfrei sein sollte.

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