LdN294: Militärische Beistandspflicht der EU

Ulf behauptet in der aktuellen Folge, die militärische Beistandspflicht der Europäischen Union sei strenger und führe weiter als diejenige der NATO. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit erst über dieses Thema diskutiert und darüber gab es geteilte Meinungen. Ist diese Aussage eindeutig und zweifelsfrei mit Quellen zu belegen?

Im Bereich Jura ist nichts zweifelsfrei. Rechtsprechung gibt es zu diesem Thema grundsätzlich keine (und wird es so schnell auch nicht geben), Erfahrungswerte sind auch eher begrenzt und nicht wirklich übertragbar / erhellend (9/11 bei der NATO, Bataclan bei der EU). Zum Glück, muss man wohl sagen, mussten beide Klauseln bisher kaum angewendet und schon gar nicht eingeklagt werden…

Rein vom Wortlaut her ist die Regelung der EU-Verträge tatsächlich strenger. Hier eine Gegenüberstellung:

Die Argumentation, dass die EU-Regel strenger sei, beruht darauf, dass vom Bündnisparter „alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“ geschuldet wird. Das ist eine starke Formulierung. Der NATO-Vertrag hingegen fordert „nur“ alle Maßnahmen, die der Bündnispartner „für erforderlich erachtet“, gibt daher den Bündnispartnern einen großen Spielraum bei der Einschätzung, was erforderlich sei.

Dem entgegenhalten könnte man, dass die Formulierung im NATO-Vertrag, dass jeder Angriff als Angriff auf jeden Mitgliedsstaat gewertet werden soll, ebenfalls ziemlich hart ist. Aber damit geht halt keine vertragliche Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln einher.

Ebenso vertritt die Gegenseite die Meinung, dass die NATO als dediziertes Verteidigungsbündnis grundsätzlich stärker auf die Verteidigung fokussiert sei als die EU, die primär immer noch ein Wirtschaftsbündnis ist. Aber wie gesagt, mit der Abwägung dieser Argumente können Juristen ganze Bibliotheken füllen, eine „klar richtige“ oder „eindeutige“ Meinung wird es dazu nicht geben.

Klar ist allerdings, dass von ihren Fähigkeiten die NATO deutlich eher in der Lage ist, eine Verteidigung im Bündnisfall zu organisieren, als die EU. Zumindest aktuell. Das muss sich auch langfristig ändern, ist aber noch ein weiter Weg.

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