LdN294: Kartellrecht - mehr Zähne für die Wettbewerbshüter

Hi allerseits,

Dass die Kartellämter mehr „Zähne“ bekommen sollen, ist gut, mehr echter Wettbewerb kann selten schaden.

Dabei bin ich während der Interview mit Prof. Dr. Daniel Zimmer sehr hellhörig geworden, als er erzählt hat, dass man ja schon mal die großen Stromkonzerne entflochten habe, um mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt zu schaffen. Seitdem gibt es Netzbetreiber und Energieversorger als unabhängige Firmen.

Wieso ich dabei hellhörig wurde ist, weil mir direkt noch eine Branche eingefallen ist, die ein wenig Entflechtung meiner Meinung nach gut vertragen könnte: Die Telekommunikationsnetzbetreiber!

Bei uns in Sauerlach hat die Gemeinde nach langem Suchen und Betteln die Deutsche Glasfaser überreden können, endlich ein Glasfasernetz in der Gemeinde zu errichten und auch die abgelegenere Ortsteile zu erschließen. Kaum war es absehbar, dass die nötige Quote für die Ausbau erreicht wird, ist die seit jahren untätige Telekom zum Leben erwacht und hat ebenso angekündigt, ihr bisherigen FTTC Netz auf Vollglas aufzurüsten. Damit sieht es so aus, dass manche Bewohner gleich 2 Glasfaseranschlüsse in ihren Häusern haben, während Bewohner mancher Nachbargemeinden weiterhin in die Röhre gucken.

Da wäre meiner Meinung nach eine Entflechtung wie im Strommarkt auch angemessen, um mehr echten Wettbewerb bei den Anbietern und einen zielorientierteren Ausbau der Telekommunikationsnetze zu ermöglichen.

Wie ich mir das vorstelle (sehr halbgar, wohlgemerkt):
Klare Trennung zwischen Telekommunikationsnetzbetreiber und Telekommunikationsanbieter.
Netzbetreiber bauen nur Netze zwischen Internetknoten und zu den Endkunden und kassieren Gebühren dafür von den Anbietern. Telekomanbieter können darüber ihre Dienstleistungen bereitstellen, die Bandbreiten die sie ihren Kunden verkaufen, müssen sie irgendwo an einen Knotenpunkt auch bereitstellen.

So wie jetzt kann es aber nicht weitergehen… Wenn sich alle Anbieter in wenigen Gemeinden gegenseitig überbauen, werden sie die Kosten dafür an die Kunden weitergeben, währen andere Gemeinden für immer unerschlossen bleiben. Währendessen können meine Kollegen in der Schweiz, wo sonst alles teurer ist für unter 50€ einen symmetrischen gigabit Anschluss buchen, in manchen Gegenden gar 25Gbit symmetrisch für unter 100€!

Gruß,
Matyas

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Da bin ich komplett bei dir. Denn so wie die Tankstellen gegenseitig von einander die Preise abschreiben, so machen es die Telekom-Anbieter auch, jedenfalls wenn es um die Internet-Anschlüsse geht. DSL50 kostet fast überall das gleiche, echten Wettbewerb gibt es kaum.

Noch dazu kommen so Absurditäten, wie @matyas sie beschreibt. Das ist auch kein neues Phänomen, dass die Telekom immer dann aktiv wird, wenn ein Mitbewerber sich anschickt eine Region zu versorgen. Mit 5G-Masten spielen sie das Spiel meines Wissens nach auch.

In der Tat kann diese Branche dringend mal etwas mehr Wettbewerb brauchen. Leider ist die Telekom ein Staatsbetrieb und daher wohl bisher bei Regulierungen etc. immer gut weg gegekommen.

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Nachfrage: Welche Geschäftsbereiche müsste man denn da trennen? Ich meine, bei der Energieversorgung gibt es die Erzeuger der Energie und die Netzbetreiber, bei der Bahn gibt es die, die Fahrzeuge betreiben und die, die Gleise bauen und pflegen. Aber gibt es denn bei der Telekommunikation noch was substantiell anderes als den Betrieb der Netze? Was wäre das denn?

Hi,

ich würde die Bereiche der lokalen und regionalen Netzbetrieb trennen. Lokal wären die Leitungen zu den Endkunden (ich beschränke mal auf private Endverbraucher) in einer Gemeinde. Wer da ausbaut, hat für X Jahre Schutz gegen Überbau, hat aber kein direktes Vertragsverhältnis mit den Endkunden (so wie im Strommarkt, ich kaufe meinen Strom von den Stadtwerken, die Leitung und Stromzähler gehören aber den BayernWerken).

Internetanbieter wie Telekom, Vodafone etc. sind für den regionalen Netzbetrieb zuständig und stehen dann mit den Endnutzern im direkten Vertragsverhältnis. Sie müssen die von ihnen verkauften Bandbreiten im Gemeindenetz verfügbar machen (sie ziehen also Leitungen zwischen den Gemeindenetzen und Netzknotenpunkten).

So könnte zum Beispiel in einer Gemeinde die Telekom allen Bewohnern Gigabit Internet anbieten und dafür einen dicken Glasfaserstrang zu einem Netzknotenpunkt verlegen. Vodafone mit einem kleineren Glasfaserstrang könnte aber in derselben Gemeinde nur 500mbit anbieten oder müsste sich noch Bandbreite auf der Leitung der Telekom dazumieten, um selbst Gigabit bieten zu können.

Das hätte meiner Meinung nach die Anreize, dass man sich nicht in den Gemeinden gegenseitig die Netze überbaut und auf die Füße tritt, sondern darauf konzentriert, dass auch regional die Bandbreiten bereitstehen, um mit möglichst geringer Latenz überall in der Welt hin surfen zu können. Das würde das Netz auch wieder etwas dezentraler und damit robuster gegen Ausfälle machen, wenn eine Gemeinde von vielen Seiten zu unterschiedlichen Nachbarn verbunden ist.

Zudem könnten die Anbieter Vereinbarungen untereinander treffen, genutzte Bandbreiten gegenseitig zu verrechnen. Wenn also die Stadt Regensburg von der Telekom zum Netzknoten Leipzig und von Vodafone nach München verbunden würde, könnten Endnutzer je nach Ziel die Leitung mit der geringsten Latenz nutzen und die Anbieter könnten im Hintergrund untereinander ausmachen, wie sie das gegenseitig abrechnen.

Liebe Lageristen,

wie froh und erleichtert ich war über die Qualität der Beiträge, gerade das Interview mit Prof. Zimmer und auch das mit Sven Giegold. Eure Kommentare gerade in der LdN 293 zu den Mineralkonzernen waren zu lang, zu undifferenziert und zu wenig in echten Fakten und Expertise verankert - das war nicht die Qualität, die ich von Euch erwarte. Da waren diese Interviews genau das, was in der 293 gefehlt hatte. Schön! :smiley: