LdN291 Elternunabhängiges BAföG

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht ganz, warum es unmöglich sein sollte, ein sozial gerechtes, elternunabhängiges BAföG einzuführen, lasse mich da aber sehr gerne eines besseren belehren.

Ich selber bin eigentlich stark für ein elternunabhängiges Bafög:
Ich studiere seit vielen Jahren und habe das Problem, dass ich kein Bafög bekomme, weil meine Eltern gerade an der kritischen Grenze ihr Einkommen haben, mir aber essentiell weniger geben, als dies eigentlich nach den offiziellen Tabellen vorgesehen würde. Daher habe ich jeden Monat zu wenig Geld. Ich habe lange Zeit nebenher gearbeitet um dies auszugleichen, was meine Studienzeit erheblich verlängert hat und mir sehr viel Stress und Sorgen gebracht hat, da dies zu meinem bereits schwierigen Studium noch dazu gekommen ist. Weil das nicht dauerhaft klappt und nicht reicht, bin ich mittlerweile auch verschuldet.
Ich kenne auch viele, denen es genauso oder ähnlich geht, die kein sonderlich gutes Verhältnis zu ihren Eltern haben oder es andere Gründe gibt, weshalb einen diese nicht so unterstützen, wie sie eigentlich sollten. Aber wie man vielleicht verstehen kann, ist es eine sehr schwierige Situation, innerhalb der Familie so etwas einzuklagen. Meine Eltern zu verklagen, weil sie mich nicht ausreichend unterstützen würde mir einfach sehr viele Probleme, Stress und Sorgen bringen. Wenn das Geld also nicht direkt an mich, sondern über den Umweg des Staates ginge, fände ich das fantastisch.

Ich weiß, dass dies nicht auf die Mehrheit der Studierenden zutrifft, aber es sind doch dennoch einige.
Warum wäre es denn nicht möglich, die soziale Ungerechtheit durch eine entsprechende Vermögenssteuer + Einkommenssteuer auszugleichen? Ich weiß, das hat seine eigene Probleme, allein eine Einführung einer Vermögenssteuer, aber sollte man es deshalb verwerfen?
Ich finde es traurig, das meine Bildung vom Wohlwollen meiner Eltern (aber natürlich auch des Staates) so stark abhängt.

Des Weiteren, wäre nicht ein Vermögen- + Einkommenssteuerfinanziertes Bafög im Sinne des Staates? Dieser will doch eigentlich Anreize dafür schaffen, gut gebildete BürgerInnen zu haben und auch, Kinder zu bekommen (mit Kindergeld etc.)
Meiner eigenen Meinung nach sollten natürlich auch bei der Bildung Eltern (besonders wohlhabende) für ihre Kinder sorgen, aber wäre es nicht auch ähnlich wie Kindergeld (das nebenbei nur bis 25J gezahlt wird, wo viele, inkl. mir noch studieren) ein Anreiz, wenn einem als Eltern aus dem Bereich der Bildung des Kindes weniger Kosten auf einen zukämen?

Das man mich nicht falsch versteht, ich möchte auf jeden Fall ein sozial gerechtes Bafög-System, aber die in der Lage erwähnte Umverteilung von Unten nach Oben durch elternunabhängiges Bafög ließe sich mMn entsprechend durch Steuern kontern, was zudem diverse andere Vorteile hätte. Also eigentlich noch ein Grund mehr, politisch dafür zu kämpfen, oder nicht?

(Zur Notlösung des oben geschilderten Problems wäre es ja ggf. auch ein Ansatz, dass der Staat einem die Bildung finanziert und über das Gehalt der Eltern direkt wieder holt? Oder wäre da zu kompliziert dafür, dass es vermutlich nicht so viele wie mich gibt?)

1 „Gefällt mir“

Hallo,

Deine Situation kenne ich auch aus meinem nächsten Umfeld und auch ich fände andere Regelungen im Bafög wünschenswert, aber jede Regelung, die Leistungen vom Einkommen abhängig macht, ist für diejenigen, die knapp über oder unter dieser Grenze stehen immer ungerecht, das liegt in der Natur der Sache.

Man kann sicherlich über die hier geroffene Einkommensgrenze sprechen und wenn man die Einkommensgrenze nach oben verschiebt, finanziert man denen das Studium die eigentlich nicht auf Unterstützung angewiesen sind und für diejenigen die es brauchen, ist dann - bei begrenzten Ressourcen - weniger da.

Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich als „Arbeiterkind“, relativ wenig Lust habe, irgendwelchen Rich Kids das Studium mit meinen Steuergeldern zu finanzieren.

Aus meiner Sicht sind diejenigen durch das Bafög zu unterstützen, die sonst eben keine Möglichkeit auf ein Studium hätten.

Mich würde in diesem Zusammenhang insbesondere auch mal interessieren, ob Bafög immer noch auf HartzIV angerechnet wird.

2 „Gefällt mir“

Der Sinn hinter elternunabhängigen BAföG wäre aber eben die starren Einzelregeln für diejenigen, die besonders darunter leiden, abzuschaffen. Die „rich kids“ werden dann auch profitieren, aber eine echte Entlastung für die einkommensschwachen Studierenden schafft man nur indem man eben das BAföG elternunabhängig gestaltet, dass die rich kids profitieren steht nicht im Vordergrund, sondern, dass die einkommensschwächeren Studierenden profitieren, darum geht es bei der Idee. Denn man wird es ohne Elternunabhängigkeit nie schaffen alle Einzelfälle gesetzlich zu regulieren.

1 „Gefällt mir“

Bildung kann man auch als Investition sehen, der Staat erhält später Arbeitskräfte. Wenn du dich politisch beteiligen möchtest und dich für ein gerechteres BAföG einsetzen willst, kommt gerne in den Ausschuss für Sozialpolitik des fzs. Dort begleiten wir auch die Kampagne BAföG 50, die sich genau mit diesen Themen beschäftigt :slight_smile: https://bafoeg50.de.

Kann ich auch absolut verstehen und teile die Ansicht eigentlich auch. Wobei ich lieber über Steuern direkt die Eltern der Rich Kids zur Kasse bitten wollen würde. Irgendwo weit denke ich schon, dass man die Studierenden im Idealfall schon als Individuen, unabhängig von den Eltern betrachten sollte. Wenn die aber das Studium ihrer Kinder finanzieren können (und dies auch tun), ist das eine feine Sache. In Bildung investieren finde ich allerdings auch nie verkehrt, da gibt es weit idiotischere Regelungen, die wohlhabende Leute bevorzugen. Bin da schon hin- und hergerissen.

Ich denke, Fälle wie meine wird es, egal wo man die Einkommensgrenze hinsetzt, geben. Aber dass diese nach oben gesetzt wird, halte ich auf jeden Fall für eine gute Sache, vermutlich werden solche Fälle seltener, je vermögender die Eltern sind (hoffe ich jetzt einfach mal für die Kinder). Für mich ist es auf jeden Fall zu spät, aber wenn ich bei den anderen Studierenden sehe, wie abgekämpft die sind, weil es ihnen auch an allen Ecken und Kanten fehlt, freue ich mich für jeden mit, der BaföG bekommt.

Es geht ja nicht nur ums Studium. Die Ausbildungsberufe in Gesundheitsbereich wie Physiotherapie sind Mangelberufe, seit wenigen Jahren in einigen Bundeländern schulgeldfrei. Aber als schulische Ausbildung ohne Vergütung. Auch hier ist BaFöG ein Thema.

Thüringen setzt die Schulgeldfreiheit ab Januar rückwirkend aus. Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) - Fachkreise // News (bundesweit) // Einzelansicht (physio-deutschland.de)

Ob das dn Fachkräftemangel löst?

1 „Gefällt mir“

Also ich habe selbst mein ganzes Studium Bafög erhalten und kann nur eindringlich für ein Elternunabhängiges Bafög plädieren. Jeder, der einmal einen Antrag ausgefüllt hat, weiss, was das für ein bürokratisches Monster ist. Ich habe nicht nur meinen Teil des Antrags, sondern natürlich auch den Teil, den eigentlich meine Eltern ausfüllen sollten, ausgefüllt, weil die keine Ahnung hatten. Jedes Jahr unterschiedliches Einkommen und zig Sonderposten, die nur der Steuerberater verstand. Antrag stellen - direkt Antrag auf Aktualisierung des Einkommens meiner Eltern mit stellen und dann 3 bis 4 mal hin und her mit den Sachbearbeitern diskutieren, weil die ständig neue Unterlagen haben wollten obwohl doch eigentlich alles in der Steuerklärung stehen sollte. Zeit und Geld meiner Eltern, des Steuerberaters und der Mitarbeiter des Studierendenamtes. Ich frage mich, ob die Bewertungen der Kosten eines Elternunabhängigen Bafögs die möglichen Kosteneinsparung durch deutlich weniger Personal für die Prüfung der Anträge mitberücksichtigt.

Das Beste war dann, dass in einem Jahr in dem sich meine Eltern richtig ins Zeug gelegt haben und etwas mehr verdient haben, direkt mein Bafög gekürzt wurde - Bravo! So wird Leistung bestraft.

Und dieser Neidmist mit den „rich kids“ ist so ein Quatsch. Wahrscheinlich würden durch elternunabhängiges Bafög tatsächlich auch Kinder „reicher“ Eltern profitieren. Aber wieso denn nicht bitte? Die werden nach abgeschlossenem Studium auch gut verdienen und das mit ihren Steuern zig mal wieder gut machen. Schliesslich bekommen „rich kids“, die eine Ausbildung machen doch auch Ausbildungslohn oder? Der Nutzen durch eine deutlich niedrigere finanzielle Hemmschwelle für das Studium überwiegt meiner Meinung nach jedes Neidargument.

Mein konkreter Vorschlag wäre:
Elternunabhängiges Bafög für alle aber nur als 100% Darlehen.
Kürzung der Darlehensschuld um 50% bis 100% nach erfolgreichem Studienabschluss je nach Abschlussnote.
Förderdauer = Regelstudienzeit + 30%.
Jedes Semester müssen min. 30% der Credits erreicht werden. Maximal 1-2 Semster unter 30% der Credits und danach Förderabbruch.

Wäre das nicht für alle gerechter? Aber dafür müsste man gute Bildung ja als Investition sehen. Die rentiert sich aber leider erst nach ein paar Legislaturperioden und viele politischen Entscheider, die oft nur einen Zeithorizont von max. Einer haben, interessiert das daher leider nicht.

1 „Gefällt mir“

Also vielleicht lass ich mich zu leicht triggern, aber ich finde die Idee mit elternunabhängigen Bafög wirklich nicht gut.

Wenn der Staat ein Vorhaben fördert (in diesem Fall ein Studium), dann tut er das, damit einer Person etwas ermöglicht wird, das ohne diese Förderung für diese Person nicht möglich ist. Dabei muss er - da der Staat ja sparsam mit Steuergeldern umgehen soll - zunächst all die Einkommensquellen berücksichtigen die die antragsstellende Person hat und diese ins Verhältnis zum Bedarf setzen. Die Eltern sind dabei verpflichtet ihre Kinder bis zu einem gewissen Alter zu unterstützen, entsprechend muss das Einkommen der Eltern berücksichtigt werden.

Ich will jetzt nicht neidisch klingen und ich spitze hier zu, aber warum soll der Staat den Sprösslingen von Millionären jeden Monat Geld überweisen, wenn die Eltern ihr Kind unterstützen müssen und dies in den meisten Fällen auch tun?

Die Ressourcen des Staates sind begrenzt. Eine Ausweitung der geförderten Personen ohne eine entsprechende Ausweitung des Budgets bedeutet, das für die Personen, die die Unterstützung brauchen im Schnitt weniger da ist.

Tut mir leid ich finde das unfair. Ich sehe keinen Grund, warum das Kind aus einer Millionärsfamilie durch den Staat finanziell genauso gefördert werden soll, wie das Kind aus einer armen Familie. Das ist die berühmte Gießkanne und wie in der entsprechenden Podcast-Folge auch erwähnt eine Umverteilung von unten nach oben.

1 „Gefällt mir“

Wieso kriegt nicht zunächst einmal jeder Bafög um studieren zu können. Über die Steuererklärung der Eltern wird dann geprüft, ob diese das Kind unterstützen können und das gezahlte Bafög wird direkt über die Steuererklärung wieder eingezogen. Das verhindert zum Einen das Gießkannen-Prinzip und dass Kinder ihre Eltern verklagen müssen.

1 „Gefällt mir“

Dann müssten die Eltern auch eine Steuererklärung machen. Es ist nicht jeder Steuererklärungspflichtig und das Bafög ist dann ja Einkommen des Kindes.

Man könnte über eine Steuererklärungspflicht in dem Falle reden oder falls die Eltern keine machen wollen das Geld automatisch per Bescheid einfordern.

1 „Gefällt mir“

Ohne mich sonst in die Diskussion einmischen zu wollen:
Wenn jemand keine Steuererklärung machen muss, dann liegt das doch daran, dass sie Lohnsteuer zahlt und kein anderes steuerpflichtiges Einkommen hat (denn sonst müsste sie ja eine machen) und auch sonst keine Besonderheiten, wie Ehegattensplitting mit Klassen 3, 5.

Das heißt, in dem Fall weiß der Staat doch sehr genau, wie es um die Einkommen bestellt ist, also kein Problem für die Bafög-Diskussion.

1 „Gefällt mir“

Im ersten Moment mag das elternunabhängige Bafög wie die einfachste Variante wirken, vor allem, weil hier sichergestellt wird, dass niemand durch Raster fallen kann. Die Probleme mit den Bafög-Berechnungsgrundlagen kenne ich selber auch und lag während meines Studiums immer genau unter der Fördergrenze, war also knapp nicht Bafög-berechtigt. Da liegt das Problem aber so wie ich sehe vor allem in den Antragsbedingungen und veralteten Freibeträgen, die dringend reformiert werden müssen.

Ein vollständig elternunabhängiges Bafög wäre aber wieder genau das Prinzip Gießkanne, also tendenziell eine Umverteilung von unten nach oben. Deswegen finde ich das Modell Sockelbetrag + elternabhängige Förderung am ansprechendsten. Durch den Sockelbetrag sollte sichergestellt sein, dass Studierende nicht darauf angewiesen sind, dass den Eltern z.B. das Studienfach passen muss, damit einem das Studium finanziert wird. Da kenne ich persönlich auch genug Fälle, wo Studierende stark in duale Ausbildungen gedrängt wurden oder ihnen das Studium gar nicht finanziert wurde, auch wenn sie aus einem gut situierten Elternhaus kommen. Ein Sockelbetrag würde da wenigstens den Druck abfedern und dafür sorgen, dass die Betroffenen nicht gleich die eigenen Eltern verklagen müssen, um auch studieren zu können.

Für die Finanzierung des ganzen finde ich ein Solidarprinzip ansprechend. Da durch den Sockelbetrag alle von der Ausbildungsförderung profitieren, könnte man die sie durch eine zeitlich begrenzte Berufseinstiegssteuer (z.B. x% für die ersten 5 Jahre nach Abschluss) refinanzieren. Das hätte mMn den zusätzlichen Vorteil, dass die Belastung gleichmäßiger (wenn auch nicht komplett fair) verteilt ist. Während aktuell die maximale Rückzahlung bei 10000€ liegt, sind die abhängig vom Studienfach unterschiedlich schwierig zurückzuzahlen. Zwar wären durch diese Steuer Absolvent:innen von künstlerischen oder geisteswissenschaftlichen Studiengängen, die tendenziell geringere Einstiegsgehälter haben als beispielsweise Ingenieur:innen, immer noch stärker durch die Rückzahlung beeinträchtigt, es wäre aber zumindest fairer verteilt.