LdN291: Bafög und (fehlende) Förderung von Auszubildenden (Azubis)

Moin,

TLDR: Ausbildung bedeutet nicht immer Studium und Azubis könnten ebenfalls Unterstützung gebrauchen.
Einige Unterschiede:

  • Gehaltsaufbesserung durch Nebenjob in der Ausbildung fast unmöglich
  • Studentenwohnheime, Leichtere WG-Suche
  • Wenig Freizeit/ Urlaub
  • Semesterticket (Öpnv)

    Das ist mein erster Post in diesem Forum also seht mir eventuelle Fehler bitte nach.

    Hintergrund:
    Ich möchte nicht gegen Studenten wettern und bin mir der prekären Situation vieler Studenten bewusst. Sondern ich möchte mit einem Blick auf weitere Ausbildungswege ergänzen. Die folgenden Ausführungen sind kein objektiver Vergleich von Ausbildung und Studium, sondern ein einseitiges Aufzeigen von Nachteilen einer Ausbildung.
    Ich habe (Coronabedingt) mein Bachelor-Studium abgebrochen und habe vor einem knappen Jahr eine Ausbildung begonnen. Seit dem fallen mir immer mehr Bereiche auf, in denen Azubis mehr Förderung bräuchten. Probleme treten vor allem auf, wenn man nicht (mehr) bei seinen Eltern leben kann oder möchte.

    Wohnungsmarkt:
    Ein Klassenkamerad von mir muss/möchte ausziehen, da ihn die familiäre Situation psychisch sehr belastet.
    Das finden einer Wohnung/WG ist jedoch sehr schwierig bis fast unmöglich:
  • Studentenwohnheime nehmen keine Azubis auf
  • Am WG-Markt hat er als Nicht-Student und Introvertierter IT-Nerd ohne WG-Erfahrung ebenfalls kaum Chancen.
  • Eine eigene Wohnung ist nicht finanzierbar. (siehe unten)

    Nebenjobs und Gehaltsaufbesserung:

    Egal wie der Finanzierungsanteil zwischen ellterlicher Finanzierung und Bafög aufgeteilt ist, sind Nebenjobs eine wichtige Einnahmequelle für Studenten, um das Einkommen aufzubessern und um vor allem Probleme beim Bezug von Bafög oder bei der elterlichen Unterstützung zumindest zeitweise auszugleichen.

    Diese Möglichkeit haben Azubis nicht! Denn ein Nebenjob muss vom Ausbildungsbetrieb genehmigt werden und ist zusätzlich zu einer 40-Stunden-Woche sowieso utopisch.

    Das bedeutet, dass viele Azubis mit dem Azubi-Mindestlohn von knapp 600 € Brutto auskommen müssen.

    Freizeit/ Urlaub:

    Das war für mich die größte Umstellung. Plötzlich hatte ich nur noch 25 Tage Urlaub im Jahr und konnte mir nur in den Schulferien mehr als 3 Tage Urlaub am Stück nehmen. Denn meine Berufsschule ist 2 mal pro Woche und eine Freistellung für Urlaub ist praktisch unmöglich. Das ist ein wirkilch krasser Unterschied zu den vielen Monaten Semesterferien im Studium.

    Semesterticket:
    Bis ich ein WG-Zimmer in der Nähe meiner Ausbildungsstelle gefunden hatte, musste ich 3 Monate pendeln.
    In den ersten 2 Monaten galt mein Semesterticket (200 €) noch.
    Im 3. Monat hat mich die Monatskarte 150 € gekostet. Mehr als das 4-Fache.

    Ähnliches gilt für viele weitere Ermäßigungen, die nur mit einem Studentenausweis erhältlich sind.
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Guter Beitrag!

Davon abgesehen finde ich es eh befremdlich, dass teilweise mittlerweile ein Studium als notwendig angesehen wird, um überhaupt später irgendwie Geld zu verdienen.

Wahr ist: Für die bestbezahlten (Bullshit-)Jobs ist natürlich ein Studium (am besten Jura, BWL) unverzichtbar. Aber sehr viele landen nach dem Studium eben auch in der „Generation Praktikum“ und hangeln sich über Jahre und Jahrzehnte von einem prekären Job zum nächsten, während man als Handwerksgeselle sich eigentlich mittlerweile den Arbeitsort aussuchen kann und zumindest ein vernünftiges Auskommen hat, selbst mit Familie.

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Sehr gutes Thema.

Berufsausbildung wird fast immer vergessen, alle schauen nur auf Studenten.

Vor über 20 Jahren gab es im Berliner ÖPNV mal ein Azubiticket.

Weiß aber nicht mehr, was man als Nachweis vorlegen musste.

Ansonsten hast du Recht, viele Vergünstigungen die Studenten genießen fanden für Azubis keine Anwendung.

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Hallo YO_LO, das sind wirklich interessante Gedanken. Umso ungerechter erscheint es, wenn Berufsausbildungen (Maschinenbau in Ansbach, Kinderspflege/ErzieherIn, Ernährung und Versorgung usw.) schulisch absolviert werden. Die bekommen nämlich das sogenannte Schüler BAföG, das überhaupt nicht zurück gezahlt werden muss (betrifft 2 meiner Kinder). Über die schulische Ausbildung an einer Berufsfachschule bekommt man ein Verbundticket (in Bayern der jeweilige Anbieter, hier die VGN) zumindest in der sogenannten 10. Klasse bezahlt, danach nur bei Familien mit 3+ Kindern. Da eine Änderung herbei zu führen, könnte ja auch den Lehrlingsmängel etwas beheben und Lehrberufe attraktiv machen.

Über den Mangel an Wohnheimplätze für Azubis habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, man hört ja in den Medien typischerweise eher vom Azubimangel oder den präkeren Arbeitsbedingungen. Aber dein Punk leuchtet natürlich ein: es gibt für Azubis kein Äquivalent zum Studentenwohnheim, und das kann ein Problem sein.

Was die WG Suche angeht, kann ich das nicht so bestätigen als jemand der viele Castings organisiert hat, aber das ist nur meine persönliche, anekdotische Evidenz :slight_smile:

Dem würde ich mich anschließen. Ich lebe mittlerweile seit 16 Jahren in einer WG (und wenn ich nicht bald die „Frau für’s Leben“ finde wird sich das auch nicht ändern, denn auf alleine wohnen habe ich sowas von keine Lust…) und habe da natürlich auch dutzende Castings über die Zeit gehabt. Azubis wurden definitiv nie benachteiligt, ebenso wenig wie Menschen benachteiligt wurden, die schon im Arbeitsleben standen und dennoch in einer WG leben wollen.

Vielleicht sind wir die Ausnahme, aber ehrlich gesagt kann ich mir auch gut vorstellen, dass die Befürchtung von Azubis, bei der WG-Suche benachteiligt zu werden, zur selbst erfüllenden Prophezeiung wird…

Aber die Nicht-Rückzahlungspflicht ist dann doch ein Vorteil der Azubis gegenüber den Studenten? Oder verstehe ich da etwas falsch?

Viele vor allem kommunale Vergünstigungen, die Studenten betreffen, werden auch Auszubildenden zugestanden (und i.d.R. auch allen anderen Transferleistungsempfängern, Freiwilligendienstleistenden usw.).

Für die Fälle, wo das nicht so ist, müsste man vielleicht sogar mit den Mitteln des Gesetzgebers ran und Diskriminierungen nach Ausbildungsform unterbinden. Daher: Wenn Studenten eine Ermäßigung bekommen, müssen auch vergleichbare Zielgruppen (also vor allem Auszubildende jeder Form) diese Ermäßigung bekommen. Bei der Gelegenheit sollte man auch die Altersdiskriminierung bei den Ermäßigungen verbieten (z.B. „Studenten bis 25 Jahre“). Es ist einfach auch unfair, wenn Leute benachteiligt werden, weil sie z.B. erst auf dem zweiten Bildungsweg in’s Studium finden und entsprechend älter sind.

Ich glaube diese Problematik ist gänzlich unabhängig vom Ausbildungsweg. Ausbildungen im eher kreativen Bereich können auch ähnlich problematisch sein wie gesellschaftswissenschaftliche oder kreative Studiengänge, Studenten im technischen Bereich haben ebenso wie Handwerker hingegen weniger Probleme.

Ausgebildete haben natürlich den Vorteil, dass sie eventuell vom Ausbildungsbetrieb übernommen werden, andererseits bleiben auch etliche Hochschulabsolventen im Hochschulbetrieb als wissenschaftliche Mitarbeiter.

Hier hoffe ich einfach, dass das Experiment mit dem 9-Euro-Ticket langfristig zu einem Umdenken führt und generell Monatstickets deutlich günstiger werden - alleine schon aus Umweltschutzgründen. Der „niedrige“ Preis des Semestertickets (i.d.R. etwas über 1 Euro pro Tag) sollte der Normalfall für alle ÖPNV-Dauertickets sein, dann klappt’s vielleicht auch mit der Verkehrswende.

Zum generellen Thema:
Auszubildende und Studenten sollten grundsätzlich gleich behandelt werden und sollten dann natürlich auch vergleichbar viel Geld für den Lebensunterhalt bekommen. Alles andere ist eine meines Erachtens kaum zu rechtfertigende Ungleichbehandlung.

Dem kann ich mich nur anschließen. Ich arbeite im Personalwesen im Maschinenbau im Mittelstand. Ich würde sagen unsere Arbeitsbedingungen sind prima - für Azubis und Mitarbeiter:innen. Und trotzdem: der Fachkräftemangel ist auch schon bei den Azubistellen angekommen.

Förderung für ein Studium hin oder her. Wir brauchen auch noch Menschen, die die Jobs mit Ausbildung übernehmen.

Und ich würde im Bafög gerne noch betonen. Eine Freundin hat kein Bafög bekommen, weil es durch ihre Eltern nicht möglich war. Die Eltern waren avez der Meinung, dass wer studieren will möge sich das selbst finanzieren (die Eltern hatten beide nicht studiert und haben es als überflüssig gesehen). Sie hat letztlich sehr viel gearbeitet, um das Studium zu finanzieren. Es gibt wohl auch Möglichkeiten dann trotzdem an bafög zu kommen, aber sie wollte nicht gegen ihre Eltern „aussagen“.

Das ist ein typisches Problem im BAföG - wenn die Eltern sich weigern, den Unterhalt zu zahlen (wozu sie gesetzlich verpflichtet sind!) muss das Kind halt juristisch gegen die Eltern vorgehen. Und das tut kaum jemand. Wer also solche A******ch-Eltern hat wie die besagte Freundin, hat ein Problem. Und es darf nicht sein, dass das Problem der asozialen Eltern auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird.

Studenten sollten bei Einschreibung automatisch BAföG bekommen und es sollte die Aufgabe der BAföG-Ämter sein zu überprüfen, ob sie sich etwas von den Eltern zurückholen können (wenn wir schon kein völlig unabhängiges BAföG wollen) - im Idealfall in Kooperation mit dem Finanzamt, denn das weiß ganz genau, ob bei den Eltern etwas zu holen ist oder nicht. Nur so kann verhindert werden, dass Kinder aufgrund von sozialem Druck auf ihren gesetzlichen Unterhaltsanspruch verzichten.

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unangemessene Wertung

Mhh, vielleicht müssen wir mal an dieser (oder gerne auch anderer) Stelle über die Regeln hier im Forum diskutieren.

Nach meinem Dafürhalten sind Wertungen wie „asozial“ gegenüber konkreten Personen oder eingrenzbaren Personengruppen (Ethnien, Berufsgruppen, politischen oder sexuellen Ausrichtungen usw.) natürlich unangemessen.

Bestimmte Verhaltensweisen - insbesondere, wenn diese Verhaltensweisen einen klaren Gesetzesverstoß darstellen, wie dies bei der Weigerung von Unterhaltszahlungen durch Eltern unter Ausnutzung sozialen Drucks der Fall ist - als „asozial“ zu bezeichnen, finde ich hingegen nicht unangemessen, insbesondere, wenn die benannten Verhaltensweisen neben ihrer Gesetzeswidrigkeit auch gesellschaftlich-moralisch zuhöchst problematisch sind.

Da im vorliegenden Beispiel weder eine konkrete Person, noch eine allgemeine Personengruppe (z.B. „alle Eltern“) angesprochen wurden, sondern explizit nur die Gruppe der Eltern, die eine ganz bestimmte Rechtspflicht bewusst verletzen (und sich dabei auch noch im Recht sehen), sehe ich das Problem nicht.

Aber gut, in Zukunft schreibe ich dann statt „der asozialen Eltern“ etwas wie „der sich gegenüber ihren Kindern in sozial- und gesetzeswidriger Art verhaltenden Eltern“. Fraglich ist, ob dieses „maximal-sachliche Behördensprech“ die vermutlich ohnehin schon nicht ganz einfache Lesbarkeit meiner Beiträge steigern wird. Manchmal sind einfache, wertende Ausdrücke halt doch sinnvoller, gerade, wenn man damit auch Empörung zum Ausdruck bringen will (was hier durchaus beabsichtigt war).

Sorry für die themenfremde Diskussion, aber ich habe das Gefühl, dass wir für solche Dinge klare Regeln brauchen, die auch allen Beteiligten deutlich sind.

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Genau so ist es - und das ist eine sehr klare Regel.

Aber gut, in Zukunft schreibe ich dann statt „der asozialen Eltern“ etwas wie „der sich gegenüber ihren Kindern in sozial- und gesetzeswidriger Art verhaltenden Eltern“. Fraglich ist, ob dieses „maximal-sachliche Behördensprech“ die vermutlich ohnehin schon nicht ganz einfache Lesbarkeit meiner Beiträge steigern wird.

Nein, Behördensprech wird die Lesbarkeit Deiner Beiträge sicher nicht erhöhen und ist deshalb auch hier „nicht erwünscht“ :wink:

Manchmal sind einfache, wertende Ausdrücke halt doch sinnvoller, gerade, wenn man damit auch Empörung zum Ausdruck bringen will (was hier durchaus beabsichtigt war).

???