LdN285: Mechanismus der Medienkontrolle in Ungarn

Ich freue mich, dass die LdN die Wahlen in Ungarn diskutiert hat. Und das sogar länger, nicht nur mit den paar üblichen Schablonen, wie es in den deutschen Medien häufiger der Fall ist.

Ich habe eine Ergänzung und Kritik zu dem Bild der Medienlandschaft in Ungarn. Aus der Folge klang es so, als ob es in Ungarn per Gesetz verboten wäre, ein Journalist zu werden oder sich an journalistischen Regeln zu halten. Das ist nicht wie der Mechanismus hinter der Medienkontrolle funktioniert. Jeder kann in Ungarn einfach journalistisch unterwegs sein und Inhalte veröffentlichen. Ähnliche Formate wie die LdN und kritische Medien existieren bereits. Das ist kein Problem; das machen auch viele unterschiedlich erfolgreich (Atlatszo, Magyar Hang, Partizan, etc). Ich finde, dass es für die Berichterstattung und für das Verständnis wichtig ist, den Mechanismus exakt und nicht nur so ungefähr zu beschreiben.

Der Haken ist die Finanzierung. Die jetzige Regierung hat folgendes Modell aufgebaut: Ein Kreis regierungsnaher Unternehmer erhalten fast alle lukrative Ausschreibungen (EU Gelder), zum Beispiel größere Bauprojekte. Als Gegenleistung haben sie Medien mit hohen Eintrittshürden (Fernsehen, gedruckte Tageszeitungen, etablierte Webseiten) aufgekauft und regierungsnah umgestimmt. Diese Strategie, kombiniert mit den öffentlichen Medien, sichert die Dominanz der Regierung in den Medien. Von den großen Medien ist ungefähr nur RTL (aus der RTL Gruppe in Luxemburg) übriggeblieben. RTL in Ungarn ist eher mit Boulevardthemen unterwegs.

Jedes Mal, wenn ein unabhängiges Medium startet, muss es ausschließlich von dem üblichen Markt leben (Patreon, etc), was in einem Markt von großzügig geschätzt 15 Millionen Leute, die Ungarisch reden, sehr schwierig ist. Manche schaffen es nicht Vollzeitjournalisten zu werden und die Qualität leidet darunter, und manche driften in Boulevardrichtung ab. Es gibt hin und wieder direkte Angriffe auf Medien in Form von Geldstrafen oder Verfahren, aber sie sind im Vergleich zu der Problematik der Finanzierung zweitrangig. Die Strategie ist: Der Träger des Mediums wird schlicht gekauft.

Regierungsmitglieder weigern sich, Medien Interviews zu geben, die nicht ihre eigene sind. Das ist seit 2010 konsequent die Strategie. Vorwände findet man immer.

Wenn die EU in dem Rechtsstaatmechanismus die Lage der Medien nur juristisch untersucht, dann wird es außer der öffentlichen Medien sehr schwierig sein überzeugend zu argumentieren.

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