Auch wenn die Frage eher rhetorischer Natur war, möchte ich da doch meine Beobachtungen bei mir selber und bei anderen Menschen teilen. Bis vor ein paar Wochen war ich auch der Meinung, dass in vielen Diskussionen die Motivation und Beweggründe von Putin zu eindimensional dargestellt wurden.
Um ein Beispiel zu nennen: Häufiger hatte ich das Gefühlt, dass beim Thema Osterweiterung der NATO nicht berücksichtigt wurde, dass egal wie die faktische Lage aussieht, es auf emotionaler Ebene schon bedrohlich wirken kann. Man muss bedenken, dass auch in Russland viele mit der Ideologie des Kalten Kriegs groß geworden sind und auch wenn der vorbei war, wechselt man in seinem Denken ja nicht von heute auf morgen die Muster. Und wenn sich dann ein Bündnis immer weiter ausdehnt, welches hauptsächlich vom alten Feind getragen wird, dann fühlt sich das natürlich im ersten Moment nicht gut an.
Soweit die Perspektive, die mir manchmal gefehlt hat. Allerdings will ich an der Stelle auch nochmal klar stellen, dass ich deswegen nicht gut fand, was Putin gemacht hat, nur dachte ich zu verstehen, warum er es macht.
Aber wenn wir jetzt die Ereignisse der letzten Tage betrachten zeigt sich sehr deutlich, dass das nicht sein Hauptmotiv ist. Denn wie hier ja schon gesagt wurde, die Ukraine war weit davon entfernt der NATO beizutreten. Und wenn das sein Ziel gewesen wäre, hätte er da auf diplomatischem Wege einiges erreichen können.
Meine ganz persönliche psychoanalytische Erkenntnis war, sich einzugestehen, dass ich mich in meiner Einschätzung getäuscht hatte. Denn auch, wenn ich vielleicht nicht ganz falsch lag, ist das Thema NATO gerade nicht das, was Putin antreibt. Daher mein Appell an alle, die finden, das Thema NATO-Osterweiterung wird und wurde falsch dargestellt: Ja, das mag sein. Aber gerade muss man einfach erkennen, dass dort ein autokratischer Herrscher agiert der sehr offensichtlich Großmachtsfantasien hat. Da hilft es nicht mit Logik von Bündnissen zu argumentieren, da er auf lange Sicht nur ein Ziel hat. Wenn wir jetzt aber weiter auf Detailfehlern in der Darstellung rumreiten, spielen wir ihm am Ende nur in die Karten. Denn wie Ulf und Philip schon meinten, der Konflikt ist nicht Russland vs. NATO/EU/USA sondern der Konflikt ist autokratischer Staat vs. Völkerrecht.