LdN232: Impfstoff liegt auf Halde

Hallo Julian,

diese Struktur ist zu groß und ineffizient. Per Kurier vom Flieger ins Impfzentrum. Das würde minimalen Totraum erzeugen und viele Menschen schützen :slight_smile:
Mit Organen können wir das doch auch.

Gruß!
Anja

Kleine Anekdote als Nachtrag am Rand, gestern treffe ich meine Nachbarn, 30 keine Vorerkrankungen , frisch geimpft, der die Arzthelferin des Allgemeinmediziners kennt (es waren wohl am Abend impfdosen übrig), bei dem meine autoimmunerkrankte Frau Patientin ist und bei dem sie extra Bescheid gesagt hat, dass sie um die Ecke wohnt. Anstatt dafür mit den bekannten kranken Patienten mit Impfprio auf kurzfristigen Abruf eine Liste zu erstellen, wird am Ende nach Freundschaft entschieden.

Das frustriert schon ein bisschen. Sicher ist das vermutlich ein Einzelfall und es geht nur um übrig geblieben Impfdosen, die sonst weggeschmissen werden müssen, aber egal wo man hinhört, hört man im Augenblick derartige Vetternwirtschaftsthemen oder fehlende chaotische Organisation.

Um aber auch was positives zu zeigen, anscheinend kommt das Impfen auch richtig in Gang, sonst würde man persönlich nicht so viele Leute kennen die aus unterschiedlichsten Gründen geimpft sind.

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Den Frust verstehe ich im Einzelfall natürlich. Und es gibt leider auch reihenweise Fälle in den Impfzentren, wo sich Menschen vordrängeln konnten, aus den verschiedensten Gründen. Aus hausärztlicher Sicht ist die Organisation der Impftermine sehr zeitaufwändig, da wir in Bayern nicht an das Impfsystem des Freistaates angeschlossen sind und so auch oft Leute anrufen, die dann schon vom Impfzentrum geimpft sind-das summiert sich. Und so gestaltet sich die HopOn-Liste natürlich auch sehr schwierig, da ich oft x Telefonate führen muss, bevor ich -vor allem aus diesem Grund, aber auch, weil manchmal einfach niemand grad zu Hause ist, endlich jemand habe, dem ich die übrige Impfung geben kann (die Dinger halten nur 6h). Bislang konnten wir es vermeiden, aber natürlich würde auch ich in so einem Fall einem jungen Gesunden, der mir über den Weg läuft, die Impfung geben, bevor ich sie wegwerfe. Denn epidemiologisch gesehen zählt einfach jede und jeder, der geimpft ist. Und eben auch ein junger Mensch, der dadurch wahrscheinlich niemand Gefährdeten mehr infizieren kann. So unverständlich das im Einzelfall für den Risikopatienten freilich ist.

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Hallo Dr.B,

vielen Dank für diese Rückmeldung. Ich finde es sehr wichtig, wenn wir hier wirklich dadurch auch mal die Gelegenheit haben, die Dinge durch die Brille der verschiedenen „Teilnehmer“ der Impflösung zu sehen.
Es warten ja wirklich viele auf die Chance die Impfung zu bekommen und das frustriert dann irgendwie, wenn man drumrum immer mehr Menschen kennt, die diese Sicherheit schon bekommen haben.
Mich macht es auch mürbe, doch jeder um mich, der schon geimpft ist, bringt es mir auch sehr unwahrscheinlich mit.
Vielleicht hilft das ja solange ein bisschen.

Noch eine Frage am Rand: Was passiert eigentlich mit den Impfzentren, wenn die Hausärzte effektiver das Zeug unters Volk bringen?

Gruß!
Anja

Krass! Danke TRq!

Die These, es liege Impfstoff in Millionen Höhe auf Halde, die in der besagte LdN232 bzw. 234 auch angeklungen ist, basiert auf einer irrigen Annahme. Die Annahme, dass aus einem Werk ausgelieferte Dosen (Erfassung in der Impfstatistik als „geliefert“) am gleichen Tag in den Oberarmen landen könnten (Erfassung in der Impfstatistik als „verimpft“), ist dabei nicht zutreffend. Tatsächlich liegt dazwischen allerdings eine Logistikkette (zentrale Auslieferung → Bundesländer → Landkreise/Impfzentren → Verimpfung), die gar nicht auf Null Tage verkürzt werden kann. Die Betrachtung von gelieferten und unverimpften Impfdosen am gleichen Tag ist also unzulässig, so stark sie auch verbreitet ist.

Betrachtet man das korrekt im Zeitverlauf, stellt man folgendes fest: Die gelieferten Impfdosen werden mit einem durchschnittlichen Zeitversatz von 13 Tagen verimpft. Der variiert offensichtlich nach Bundesländern (die genauen Variationen lassen sich allerdings mangels verfügbaren Zeitreihen nach Bundesländern nicht ermitteln) und ist zuletzt leicht gestiegen (von 12 auf 13) - das ist allerdings wesentlich ein Effekt der erstmalig gestoppten AstraZeneca-Impfungen, könnte nach dem nun nochmaligen Stopp von U60-Personen wieder erhöht sein.

Im Umkehrschluss lässt sich somit sagen: Die Impfkapazität hält bisher mit den Lieferungen Schritt. Die ganzen allg. Debatten, man müsse nur mehr Kapazitäten schaffen und dann ginge das alles viel schneller, gehen daher an der Sache vorbei. Man kann dies schon machen, aber die Menschen zu den zusätzlichen Kapazitäten stehen dann halt sinnfrei in der Gegend rum (überspitzt gesagt), weil sie mangels Impfstoff gar nicht mehr impfen können.

Diese ganze Debatte, die auch in der LdN 234 zumindest anklingt, hat auch einen katastrophalen Nebeneffekt: Den Menschen wird suggeriert, mehr Kapazität bedeute mehr Impfungen. Millionen Menschen dürfen mittlerweile überzeugt sein, ihre Hausärztin werde sie kurzfristig zur Impfung einbestellen, wenn nur endlich die Hausärtz*innen (in Bayern sogar schon seit der Karwoche) impfen dürfen. Das wird brutal enttäuscht werden, weil der Impfstoff weiter knapp ist. Und die gesamte Missstimmung „über die unfähige Politik“ (so berechtigt sie in vielen Teilen ist) wird in diesem Punkt unrechtmäßig weiter zunehmen.

Tatsächlich bräuchte es drei Dinge:

  1. Mehr Impfstoffe beschaffen, auch durch Nutzung zusätzlicher Produktionskapazitäten
  2. Die Logistikketten optimieren und dadurch verkürzen - insb. in den Ländern, in denen sie besonders lang sind (der Effekt ist allerdings beschränkt, weil Mangel beseitigt das auch nicht)
  3. Statt die Illusion einer schnellen Impkapagne zu wecken endlich eine Langfrist-Strategie entwickeln, wie das Leben bis dahin funktioniert (es ist ein riesen Versäumnis und ein Grund für die eskalierende Stimmung, dass das im Herbst versäumt wurde, weil die politisch Handelnden in der Illusion einer schnellen Impfkapagne aufgingen und auch bei den Menschen geweckt haben)

Generell kann ich aus Bayern, speziell meiner Heimat Erlangen, berichten, dass auch schon vor der Rechtsänderung aus dem BMG die Impfreihenfolge am Abend durch sog. Reservelisten umgangen worden ist. Dies wird in Bayern eigentlich schon von Anfang an gemacht, soviel ich mitbekommen habe. Auf diesen Reservelisten sind Personen, bei denen Impfen auch Priorität hat und die kurzfristig verfügbar sind, bspw. Mitglieder der (Freiwilligen) Feuerwehr oder dem Katastrophenschutz. Diese werden dann angerufen, wenn am Ende eines Tages noch Impfstoff in der Ampulle ist. Auch werden teilweise in Bayern die Ehepartner*innen gleich mitgeimpft, auch wenn diese noch nicht „dran“ ist. Eine Verallgemeinerung ist dabei nicht zielführend.

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Ich bin ziemlich sicher, dass das Geschrei doch SEHR groß wäre, wenn plötzlich Leute mit Termin nach Hause geschickt werden würden, weil keine Impfen vor Ort sind. Das würde die Motivation und das Vertrauen an die Impfzentren absolut erschüttern.
Ich bleibe dabei, dass ich Vorräte für 10 Tage für ABSOLUT normal halte. Keine Firma schafft es, alles just in Time zu regeln. Überall gibt es Zwischenlager, um einen reibungslosen Ablauf zu schaffen. Und hier gibt es ja auch noch die absolut unzuverlässige Konstante der Patienten. Es ist für VW ja schon schwierig, die Bauteile „just in Time“ am Band zu haben - auch ohne Personen die nicht oder zu spät zum Termin kommen. Dazu noch die Kühlkette, Sicherheitsvorkehrungen, die ganz Logistik - das muss ja auch alles verpackt, transportiert, ausgepackt werden. Das liegt ja nicht impfbereit im Zentrum rum. Zu erwarten, dass man das alles ohne ein Minium an zwischengelagerten Material (Impfstoff) schafft, ist einfach nur unrealistisch.

Außerdem: es kann jederzeit zu Lieferverzögerungen Seiten der Hersteller kommen. Wenn es mal eine Woche Verzug gibt, will man ja auch nicht gleich alle Termine canceln müssen, sondern will das ohne Unterbrechung durchziehen können.

Diese Zwischenlagerung und kleine Reserve als riesige Katastrophe darzustellen, halte ich für überzogen.

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Das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass es so schnell wie möglich verimpft werden sollte. Nicht schneller.

Wie viel Zwischenlager man für das Ziel der Terminsicherheit wirklich benötigt, kann ich von außen nicht sagen, Sie?

In Deutschland setzen wir allerdings erkennbar die falschen Ziele bzw. Prioritäten: Letzte Woche hat man in Brandenburg ernsthaft wegen kurzfristiger Lieferengpässe die Erstimpfungen eingestellt statt der Zweitimpfungen. Das macht einfach überhaupt keinen Sinn.

Inzwischen erledigt sich die Diskussion ja auch durch große Lieferungen und pragmatische Ärzte, die einfach alles impfen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Edit: letzter Satz.