Hallo Lage-Team,
ich habe mich sehr gefreut, dass Ihr in der aktuellen Lage die Situation in Myanmar besprecht. Bleibt da bitte dran, damit die Welt sich nicht nur für das Aerobic Video interessiert.
Einige Anmerkungen würde ich aber gerne machen:
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Man kann Aung Sang Suu Kyi durchaus für ihr Appeasement ggü dem Militär während des Genozids an den Rohingya kritisieren (siehe unten) - dann sollte man aber ihr nicht weniger Sätze später vorwerfen, dass sie mit mehr Appeasement ggü. dem Militär diesen Putsch hätten verhinden sollen.
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Zur Rolle des Militärs in Myanmar:
Die Militärdiktatur in Myanmar war eine der härtesten, die die Welt je gesehen hat. Als die Generäle 2010 Teile der Macht auf öffentlichen Druck abgeben mussten, haben jene dies nur so weit getan, wie es nötig war.
Große Teile der Wirtschaft und der Medienlandschaft sind nachwievor in der Hand der „Cronies“ genannten Militärseilschaften. Auch die von euch thematisiserte Sperrminorität gehört dazu sowie die Ministerien für Inneres und Verteidigung (ergo das Gewaltmonopol). Wichtig ist aber, dass im eigenen Selbstverständnis, dass Land immer eigentlich dem Militär gehört hat.
Die fehlenden Checks und Balances sind also kein handwerklicher Fehler in der Verfassungsgebung sondern vom Militär so gewollt.
Es ist äußerst fraglich ob die Zivilregierung den politischen Einfluss hat, den der Westen gerne annimmt.
- Interkulturelle Überlegungen:
Myanmar ist ein unglaublich armes Land, dass zu dem noch 50 Jahre kulturell von der Außenwelt abgeriegelt war. Selbst im Vergleich zum Ländern wie Kambodscha fällt einem dies auf. In Myanmar gehören beispielsweise Ochsenpflüge noch zum alltäglichen Bild.
Das Land hat seit seiner Öffnung unglaubliche Fortschritte gemacht - dennoch kann man nicht erwarten, dass in so kurzer Zeit nun jeder Birmane einen Gymnasialkurs „Kulturrelativismus nach Europäischem Muster“ gemacht hat. Auch schließen wir immer gerne von unserer westlichen „individuellen Kulturen“ auf „interdependete Kulturen“ wie jene Asiens, ohne uns den Unterschied bewusst zu machen. Vorstellbar, dass ein einräumen des Genozids durch die Zivilregierung einen Gesichtverlust für das gesamte Land bedeutet hätte. (So albern dieses Konzept für uns scheinen mag, so real ist das Konzept von „Face“ für viele Asiaten)
Es ist also auch fraglich ob die Zivilregierung kulturell die Möglichkeiten hat, die der Westen gerne annimmt.
Klar ist in diesem Land vieles im Argen, aber kulturellen Wandel braucht Zeit. Auch wenn der Rohingya-Genozid ein absolut verurteilenswertes Verbrechen gegen die Menschlichkeit war und ist, lohnt sich ein differenzierter Blick auf diesen (und auch andere bewaffnete etnische Konflikte in dem Vielvölkerstaat). Kultureller Wandel braucht Zeit - die hat Myanmar aber bisher gut genutzt, ist aber (verständlicherweise) noch lange nicht am Ziel. Diesen Prozess jetzt abzuschreiben, weil Aung Sang Suu Kyi sich nicht so verhalten hat, wie es nach unserem Verständnis richtig gewesen wäre, halte ich für einen fatalen Fehler.