Hallo zusammen, im Corona-Segment in der Lage 214 wurden ja zurecht die Probleme bei der Digitalisierung der Schulen benannt. Diese wurden allerdings etwas zu oberflächlich behandelt. Ich bin selber Lehrer und beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema Digitalisierung und Schulentwicklung und schreibe auch in meinem Blog darüber. Daher ist es mir ein Anliegen hier etwas genauer darauf einzugehen. Da das Thema sehr komplex ist, setze ich auch ein paar Links auf meinen Blog, in dem ich mich mit dem Thema schon viel ausführlicher beschäftigt habe - ich hoffe das ist okay.
Ganz wichtig ist erstmal festzuhalten, dass die Zuständigkeiten klar sind. Für die Ausstattung der Schulen sind die Schulträger verantwortlich. Das sind die Städte und Gemeinden. Auf diesen Ebenen muss also die IT-Infrastruktur geplant werden. Die Landesregierungen können zwar zentrale Plattformen stellen oder die Lehrer fortbilden. Die im Podcast genannten Bezirksregierungen sind zwar für die Schulaufsicht verantwortlich, die Technik vor Ort müssen aber die Kommunen bereit stellen und den Support garantieren. So ist zumindest in NRW die gesetzlich klar festgelegte Aufgabenteilung.
Ein zentrales Problem im Hinblick auf die Digitalisierung ist dabei, dass die meisten Städten und Gemeinden heillos mit dieser Aufgabe überfordert sind - vor allem weil es an Personal fehlt. Das war schon vor Corona so, wie ich in meinem Blog beschrieben habe. Deswegen werden zum Beispiel die Mittel aus dem Digitalpakt gar nicht abgerufen, weil es in den Rathäusern zu wenig Leute mit Sachverstand gibt. Es ist daher auch zu befürchten, dass viele der jetzt extra ausgeschütteten Milliarden nicht nachhaltig investiert, sondern eher aktionistisch verpulvert werden. Nicht zuletzt für die Bürgermeister in dieser Republik habe ich in meinem Blog mal aufgeschrieben, was Schulträger tun sollten, um die Schulen zu unterstützen.
In einem Nebensatz hieß es zudem auch, dass die Schulen nun auch mal Konzepte liefern müssten. Mir wäre es als Lehrer wichtig darauf hinzuweisen, dass wir Schulen sehnlichst darauf warten endlich bessere Konzepte entwickeln zu können. Fakt ist aber, dass wir nicht gelassen werden. Ein Beispiel ist ja das, was in Solingen passiert ist, wo die Schulen in ein Schichtsystem gehen wollten, aber nicht durften. Ich habe in meinem Blog schon darüber geschrieben, dass Schulen endlich mehr Freiheiten brauchen, wenn wir gut und am Wohl der Schüler*innen orientiert arbeiten sollen. Stattdessen werden wir durchgehend durch Rahmenbedingungen gegängelt und eingeschränkt. So ist es zum Beispiel gerade für uns jetzt eigentlich unmöglich, Konzepte für eine teilweise Beschulung zu entwickeln, weil die Länder bislang gar keine gesetzlichen Rahmenbedingungen vorgelegt haben. Wenn wir also jetzt ein Konzept entwickeln, müssen wir immer befürchten, dass wir das dann gar nicht umsetzen können, weil die Landesregierung andere Vorgaben macht. Das wäre einfach zu lösen, wenn die Kultusminister einfach gesagt hätten, unter welchen Bedingungen wir Teilbeschulungen durchführen dürfen. Derzeit müssen wir quasi parallel an 3-4 Konzepten arbeiten, damit wir dann vielleicht eines davon umsetzen dürfen.
In einem Nebensatz wurde Moodle als „alte Software“ bezeichnet. Dem würde ich widersprechen: Moodle ist eine Open-Source-Software mit einer sehr großen Entwicklergemeinde und gerade durch Corona hat sich nochmal viel Dynamik entwickelt. Im Paket mit anderen Open-Source-Software-Paketen wie Nextcloud sehe ich wirklich eine gute Alternative - gerade wenn man wie im Podcast angesprochen nicht den Konzernen das Feld überlassen will. Mehr dazu gibt es bei mir auch im Blog.
Und vielleicht als letzten wichtigen Punkt: Was sich auch in dieser Krise zeigt, ist, dass die Bildungspolitik keinerlei Zukunftvision von Bildung hat. Alles was ihnen im Umgang mit der Krise einfällt ist, Schule wie immer zu machen, mit einem Lehrer am Pult vor einer Tafel - nur mit offenen Fenstern und Masken. Dabei gibt es zahllose Lehrerinnen (z.B. bei Twitter unter dem Hashtag #twitterlehrerzimmer), die viele Ideen haben, wie ein schülergerechteres Schulsystem aussieht, in dem Schülerinnen flexibel und selbstbestimmt lernen. Und ich habe in meinem Blog auch versucht zu beschreiben, welche positiven Lektionen man aus dem Lockdown ziehen könnte. Was wir hier aber erleben, ist auch eine Krise der Bildungspolitik, der jegliche Innovationskraft fehlt.
Tatsächlich glaube ich, dass es sich lohnen würde dieses Thema mal etwas ausführlicher und nicht nur nebenbei in der Lage zu erörtern. Vor allem auch, weil hier gerade die Weichen für die Zukunft gestellt werden!
Viele Grüße
Dominik