LdN205: Corona und Fußballspiele

Ich fand das Unverständnis über die Diskussion über Zuschauer beim Fußball etwas einseitig. Natürlich, das Argument der Verkehrswege dahin und weg kann ich noch nachvollziehen, aber davon abgesehen muss man imho mit betrachten, dass Fußballspiele immerhin im Freien ausgetragen werden. Nach dem was man so aus der Wissenschaft hört, ist die Gefahr der Ansteckung im Freien deutlich geringer und geschlossene Räume sind das eigentliche Problem, wo die Aerosole in der Luft stehen.

Ich bin z.B. bei einem Verein involviert, der nicht in den Bundesligen spielt, sondern in der 4. Liga vor (prä-Corona) durchschnittlich vielleicht 1200 Zuschauern. Jetzt, nachdem fast die komplette Rückrunde vor der Sommerpause schon ausgefallen ist, dürfen wir seit neuestem wieder Spiele veranstalten, mit einem Hygienekonzept, das uns praktisch vom Gesundheitsamt diktiert wurde.

Demnach dürfen wir z.Zt. in unserem 5000-Leute-Stadion maximal 750 Eintrittskarten verkaufen, (was wir nicht schaffen, weil viele Leute unter diesen Umständen mit den Auflagen keine Lust haben zu kommen,) müssen pro 15 Zuschauer einen Ordner haben, mussten uns Holzbänke organisieren, weil Stehplätze nicht erlaubt sind, auf denen es nummerierte Plätze in 1er, 2er und 4er-Gruppen gibt mit 2 Meter Abständen dazwischen. Die Plätze werden namentlich vergeben und nur im persönlichen Vorverkauf. Es gilt Maskenpflicht bis zum Sitzplatz und striktes Alkoholverbot. Aufstehen ist nur gestattet um auf den vorgegebenen Wegen zur Toilette oder zum Cateringstand zu gehen, Gästefans sind ebenfalls generell nicht erlaubt.

Das alles ist nicht nur Stimmungskiller, sondern resultiert auch in einem fetten Einschnitt in den Etat. Ich würde das ja trotzdem akzeptieren, wenn mir der Sinn klar wäre und es überall ebenso stringent zugehen würde. Tut es aber nicht. Einkaufspassagen sind z.B. samstags voll mit Leuten, die sich nirgendwo registrieren müssen und zu Tausenden in geschlossenen Räumen aneinander vorbei drängeln, überall natürlich ohne Ordner, die den Leuten ihre Nasen in die Masken zurück stopfen. Unsere Zuschauer – die sich im übrigen sehr diszipliniert verhalten – könnten theoretisch vor dem Spiel mit 10 Leuten an einem Tisch in einer engen Kneipe zum Frühschoppen gehen, wo der nächste Tisch mit 10 Leuten 1,5 Meter entfernt ist und man also Rücken an Rücken sitzt. Dann müssen sie sich im Stadion unter freiem Himmel unter den wachsamen Augen von Polizei und Gesundheitsamt in mehrere Kleinstgruppen aufteilen, mit Cola begnügen, bevor sie nach dem Abpfiff sich in einer anderen Pinte mit anderen zehn Leuten treffen und wieder Bier bekommen würden.

Irgendwie hat man das Gefühl, da fehlt jede Verhältnismäßigkeit. Wenn man als Amateurverein mit dem Gesundheitsamt kooperiert und guten Willen zeigt, bekommt man einen Stapel Auflagen präsentiert, und wenn man die umsetzt, kommen zeitnah nochmal zusätzliche oben drauf. Aber wenn es um Profite geht, ist auf einmal nahezu alles wieder erlaubt, ob nun in Kaufhäusern, Fitnessstudios, Restaurants, Freizeitparks…. Und wenn man eine Corona-Verschwörungs-Demo veranstaltet und vorher ankündigt, sich sowieso an keine Maskenpflicht o.ä. zu halten, dann sind die Auflagen plötzlich von vornherein extrem lasch, damit sich bloß kein Grund findet einschreiten zu müssen.

So richtig nachzuvollziehen ist das alles nicht. Es kommt anscheinend alleine darauf an, welcher Lobbyverband den besseren Zugang zur Politik hat um für seine Klientel die weitestgehenden Lockerungen auszuhandeln. Und wenn einige Bundesländer mittlerweile sogar wieder Indoor-Konzerte mit bis zu 1000 Gästen erlauben, fällt mir ehrlich gesagt auch kein wirklicher Grund ein, warum Bundesligaclubs ihre Stadien nicht zumindest teilweise wieder füllen dürften.

Naja, ich finde man muss hier die Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen.

Der potenzielle Schaden durch Fußballspiele ist recht hoch: Fußballspiele sind potenzielle Super-Spreader-Events: Man hat viele Leute auf sehr kleiner Fläche. Und auch wenn das Risiko draußen geringer ist, dadurch dass die Leute dort schreien, oder sogar singen, wird es wiederum erheblich erhöht

Potenzielle wirtschaftliche Verluste sind dagegen sehr gering. Ja, es ist für den einzelnen Verein sicher ärgerlich, wenn Einnahmen wegfallen, aber es ist nunmal nicht so, dass der hundertausende von Arbeitsplätzen wegfallen.
Gesamtwirtschaftlich gesehen, halte ich es für richtig, große Sportereignisse weiterhin ohne Zuschauer stattfinden zu lassen.

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