Thema Antisemitismus und Stunde Null
Vor allem direkt nach dem zweiten Weltkrieg war die These der „Stunde Null“ beliebt. Kurzgefasst: Nach der Befreiung durch die Alliierten war der Faschismus vorbei. Alle die das Reich gestützt haben waren entweder selber Opfer der Umstände oder wurden abgeurteilt und sind jetzt weg. Die Bundesrepublik ist frei von Faschismus und konnte bei neu anfangen. Eine neue Zeitrechnung fing an, eben eine Stunde Null.
Ich bin Jahrgang 90, nicht mehr ganz jung, aber definitiv zu jung um die Diskussion in den 50er und 60er Jahren mitbekommen zu haben. Aber über die Jahre habe ich dann doch immer wieder Fälle mitbekommen, die für mich Kontinuitäten darstellen:
Ich habe auch keinerlei Erinnerungen daran in meinem Leistungskurs Geschichte die offenbar unzureichenden Versuche der Entnazifizierung der Judikative oder Exikutive behandelt zu haben.
Von der Filbinger Affäre habe ich trotz Schulbesuch in Baden-Württemberg erst im Zuge dessen erfahren, das Günther Öttinger bei der Grabrede Geschichtsklitterung betreiben wollte. Filbinger (Marinerichter und später Ministerpräsident von BW) hatte noch 4 Todesurteile unterschrieben als das Reich schon im Niedergang war und darüber gelogen. Öttinger hat Filbinger im „geistigen Widerstand“ verortet.
@vieuxrenard das wäre vielleicht ein Thema für ein Spezial. Wie hat man das den mit der Entnanzifizierung der Judikative versucht? Und wie kann man das vielleicht in Zukunft bei ähnlichen Anlässen besser machen?
Mir ist klar, das Juristen nicht auf Bäumen wachsen, also einfach alle raus schmeißen die sich an der Unrechtsjustiz beteiligt haben war wohl nicht möglich. Hier etwas der Bundeszentrale für politische Bildung zur (gescheiterten) Entnazifizierung der Judikative.
Noch heute heißen juristische Standardwerke nach Nazis und es existiert offenbar nicht genug Druck um das zu ändern. (Artikel dazu)
Bei Kasernennamen u.Ä. das selbe Problem mit Ehrengedenken an Nationalsozialisten.
Während der Faschist Höcke offenbar im Schuldienst verbleiben kann, musste sich ein antifaschistischer Lehrer durch die Instanzen klagen um einem Berufsverbot zu entgehen.
Ein Polizeianwärter gibt 2018 auf weil er nicht mehr mit Rechtsradikalen lernen will. Er war offenbar damit in der Minderheit und Opfer von Mobbing.
„Sieg Heil“ schallte es auch nach 45 aus deutschen Polizeischulen, zuletzt im Januar
Wir haben einen Innenminister der HIV-Positive in Lagern konzentrieren wollte , der eine Spitze des Verfassungschutz stützte, der die SPD für Linksextrem kontrolliert hält.
Der NSU und NSU 2.0 , Brandstiftung an einer Synagoge ist Israelkritik laut Gericht, überhaupt Isrealkritik steht im Duden…
Die Liste könnte noch viel weiter gehen. Mein Punkt ist, es entsteht bei mir ganz persönlich der Eindruck: Beim Thema „Antisemitismus“ kann man sich auf den Deutschen Staat im Zweifelsfall nicht verlassen. Ich bin es satt, dass wenn Sorgen ernst genommen werden von Politiker*innen es in aller Regel darum geht Rassismus u.Ä. als legitimes politisches Anliegen zu framen. Sorgen wie meine (und vermutlich vielen Leuten hier) dagegen gefühlt ausgesessen werden. Herrn Steinkes Buch scheint ein ähnliches Fazit zu haben, es kommt auf meine Leseliste.
Auch von mir Danke für das Interview, es ist wirklich gut eine Innensicht zu hören. Detail was mir gefehlt hat: Die Gemeinde in Halle hat um Polizeischutz gebeten und ihn nicht bekommen. Im Interview könnte der Einruck entstehen, dass wenigstens Polizeischutz für Synagogen und jüdische Schulen die Regel ist in Deutschland.