LdN301 - Digitalisierung

Hallo, die neueste Folge ist zwar in soweit wichtig, um vielleicht mehr Druck auf den Kessel zu bekommen und stellt vermutlich klassische Negativbeispiele dar, aber meine Erfahrungen sind deutlich positiver.

Ich arbeite in einer Kommunalverwaltung, wo seit 6 Jahren durchweg mit der digitalen Akte gearbeitet wird. In einigen Bereichen seit über 10 Jahren.

Was mir fehlte, ist die Kritik an fehlenden Gesetzesänderungen, denn es gibt Bereiche , bei denen ist das persönliche Erscheinen oder eine handschriftliche Unterschrift vorgeschrieben.

Zudem bremst der Datenschutz ungemein. Ich müsste alle eventuellen Verarbeitungsvorgänge abfragen und mir bestätigen lassen, dass ich die Daten nutzen darf. In der Regel bekommt man die Zustimmung, aber was macht man in den restlichen Fällen?

Selbst wenn ich Gutes tun möchte (ein Tochterunternehmen möchte Neubürger:innen einladen) hab ich sofort ein Problem.

Zudem werden bei uns zentral alle Posteingänge eingescannt, soweit rechtlich zulässig. Ausnahme: Zeitschriften und Einladungen sowie handschriftliche Briefe.

Es ist somit nicht überall alles schlecht. Dennoch ist noch ein weiter Weg vor uns und insbesondere die (nicht vorhandenen Schnittstellen bei) Fachverfahren sind ein großes Problem.

Das hört man oft, ist aber in den allermeisten Fällen eine Fehldeutung der DSGVO. Und falls nicht, dann hat man vermutlich bei den gleichen Vorgängen im Nicht-Digitalen auch Verordnungen misachtet, da wird nur oft nicht so genau hingeschaut.

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Das mit dem Datenschutz ist in der ÖV eigentlich Quatsch. Alle Anträge die gestellt werden können haben als Grundlage Gesetze oder Verordnungen. Damit dürfen alle Daten die im jeweiligen Gesetz oder der jeweiligen VO stehen erfasst, verarbeitet und gespeichert werden. Da kann der Datenschutz nicht gegen sagen.

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Das wird gerne immer so hingestellt, dass die DSGVO nur fehlgedeutet wird und man eh Vorschriften verletzt hätte. Leider ist es im Zweifel so, dass man keinerlei Chance hat nicht in irgendeiner Weise gegen die DSGVO zu verstoßen - wenn man nicht Datenschutz im Hauptberuf hat; das ist ein Minenfeld sondergleichen.
Wenn ich DSGVO-Daten von anderen Behörden abfrage, dann weigern die sich mittlerweile diese zu übermitteln. Sie könnten es zwar, aber der Aufwand das zu dokumentieren um bei einer Anfrage zu belegen ist schlicht ein enormer Aufwand.
Man muss sich vor Augen halten, dass das die Anfragen bezüglich des Auskunftsrechts der Betroffenen in meiner Großbehörde mittlerweile 2 Vollzeitstellen bindet - ohne Personalausgleich versteht sich.
Unser Einwohnermeldeamt beantwortet Amtshilfeersuchen mittlerweile nicht mehr mit dem Verweis auf die DSVGO und den damit verbundenen Aufwand. Also fordern wir wieder alles selbst an.

Mit der DSGVO hat man eine kleine, aber sehr laute Gruppe sehr glücklich gemacht - die große Masse ist einfach nur genervt davon, dass es keine Bilder mehr aus der Kita gibt und man keine Webseite ohne Bestätigung mehr öffnen kann.

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Ja genau. Bei uns gibt es zwar eine Person, die für Datenschutz zuständig ist, allerdings bekommt man hier kaum Infos/die Zeit und die Expertise fehlen. Also lassen Einzelne lieber die Finger von schwierigen Fragen.

Daa Thema „Papier“ ist bei uns keines mehr. Dennoch gibt es Medienbrüche leider.

Gefühlt haben aber viele Kolleg:innen Interesse an Verbesserungen

Ich arbeite im Jugendamt. Kürzlich war ich für einige Wochen im Urlaub. Für die Fälle mit Kindeswohlgefährdungen hatte ich zuvor noch Hilfen initiiert. Als ich zurückkam, lagen alle Fälle wieder bei mir und nirgends war eine Hilfe drin. Warum? Ich hatte 3 Klicks vergessen. Die hätte auch jeder andere machen können, aber bei diesen Dingen geht es ums Prinzip. Nun sind wir vollständig durchdigitalisiert. Was ich sagen will: Die Verwaltung in Deutschland hat ganz sicher ein Problem. Aber: fehlende Digitalisierung ist nur ein Symptom dieses Problems. In Folge 301 habt Ihr Euch darüber empört, dass irgendein simpler Verwaltungsvorgang wegen fehlender Digitalisierung ganze 10 Tage dauere. Kann ich nicht nachvollziehen. Also ich kenne überhaupt keinen Verwaltungsvorgang, den wir in 10 Tagen schaffen könnten, geschweige denn wollten.

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Liebes Lage-Podcast-Team,

zuerst einmal vielen Dank für eure mühevolle Recherche und vor allem die Befragung der dahinter steckenden Mitarbeiter:innen an der Front!

Ich arbeite in der Verwaltung (Personal/Haushalt) an einer Hochschule für Verwaltungsrecht. Bei uns werden also stets die nächsten Generationen von Verwaltungspersonal „geboren“ und auch bei uns gibt es Arbeitsausschüsse, die sich mit E-Government beschäftigen und bei der Umstrukturierung auf Landesebene mit inter-/nationaler Vernetzung mitwirken.

Aus meiner Sicht hinkt diese Entwicklung aus folgenden Gründen:

Die Professor:innen wissen theoretisch wie, können aber selbst nichts umsetzen. Das Verwaltungspersonal weiß, was es benötigt und wozu, aber nicht wie. Die IT-Fachkräfte wissen wie, aber nicht was und wozu. Um unsere analog verstaubte Verwaltung vom Grunde auf zu digitalisieren, braucht es unbedingt Leute, die zumindest halbwegs gleichzeitig wissen was, warum,wie und zusätzlich Kenntnisse über Datenschutzgesetze sowie Nachweisanforderungen haben, sonst „beißen“ sich am Ende digitale Effektivität mit rechtlichen Anforderungen und es landet trotzdem alles wieder in einer Papierakte oder man beginnt wieder von vorn. Wenn nur die Theoretiker und Verordnungsgeber daran arbeiten ohne direkte Einsicht in Praxis bzw. nur durch Befragung und Zuarbeit von Infos eine effektiv sinnvoll funktionierende Verwaltung digitalisieren wollen, wird das nichts bzw. löst im Endeffekt dennoch wieder (noch) lahmere Prozesse/Verfahren aus. Genau das ist aktuell bereits schon mehrfach passiert und unsere Arbeit hat sich durch oberflächlich durchdachte Digitalisierung noch erhöht.

Nun kann man natürlich nicht die Sachbearbeiter:innen aller Behörden und Einrichtungen auf kommunaler und staatlicher Ebene befragen oder mit ins Boot holen. Dann dauert der Prozess noch hundert Jahre und ein gewisser Teil muss immer by doing oder durch try and error passieren. Aber:

An akademischen Einrichtungen wie unserer ist die (teilw. berufsbegleitende) Ausbildung solcher Personen und damit die bisher fehlende Herstellung der notwendigen Kompetenzen mit verknüpftem Wissen von Was-Wie-Wozu im Gange. Es läuft also, aber eben nicht von heut auf morgen, sondern über mehrere Generationen von Personal hinweg.
Natürlich ist es erstmal peinlich, wenn Studierende in digitaler Verwaltung ausgebildet werden an einer Hochschule, die selbst noch am Papierfetisch krankt und lahmt. Aber das ist wie die Sache mit Huhn und Ei… Es gibt quasi bisher keine digitalen Hühner und analoge Hühner müssen erst (halbwegs) digitale Eier legen.

Hinzu kommen fehlende Kompetenz und Verständnis im Umgang mit EDV zzgl. der Abneigung dagegen generell in einer Verwaltung mit hohem Altersdurchschnitt. Auch das löst sich erst mit dem Generationswechsel bis in die oberen Leitungspositionen. Denn der/die Sachbearbeiter:in kann noch so digital versiert sein, wenn der Chef/die Chefin es nicht schafft oder ablehnt, digital zu arbeiten.

Dringend bzw. eigentlich als aller erstes notwendig sind generell auch gesetzliche Änderungen, denn solang originale Unterschriften/Belege vorgeschrieben sind, müssen wir -auch, um uns bei einer Prüfung durch den Rechnungshof selbst zu schützen- mit Papierakten arbeiten. Zudem muss dennoch auch digital sichergestellt werden können, dass wir uns gegen Vorwürfe seitens Bürger/Kolleg:innen/Vorgesetzte etc. nachweislich „verteidigen“ können. Das ist leider oft der Grund, warum ich alle möglichen E-Mail-Konversationen mit ausdrucke und zum Vorgang nehme.

Mit digitalem Gruß an alle,

Janine

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Wieso sollte man das nicht wollen?

Aus verschiedenen Gründen. Weil sie nicht damit umgehen können und „Angst“ haben, fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit für Veränderung und Fortschritt oder einfach nur Sturheit nach dem Motto „Das war schon immer so und so bleibt es“. Und da reden wir noch nicht von Software und Schnittstellen… sondern über simple EDV wie Excel. Zuzüglich Misstrauen gegenüber IT-Prozessen generell.

Meine Erfahrung aus der Innennsicht:
Natürlich hat der Staat ein Eigeninteresse. Auch wenn das von außen häufig anders aussieht bei uns hängt extrem viel an den Kosten. Ein IT-ler im ÖD wird in den meisten Fällen mit E11, evtl mit E12 eingruppiert. Das entspricht dem gehobenen Dienst, der eigentlich für Menschen mit Ausbildung vorgesehen ist. Ein Informatiker verdient in der freien Wirtschaft das 2-4fache.
Das man hier nicht die fähigsten und motiviertesten Mitarbeiter findet ist ja klar.

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Mich fasziniert, dass Leute lieber mehr arbeiten.
Aber es wäre ja genau die Aufgabe von Politik und Management diese Ängste zu nehmen und hier Überzeugungsarbeit zu leisten.

Dass ein gut umgesetztes Programm seine Kosten schon im ersten Jahr einspielen kann wird bei solchen Kostenbetrachtungen leider oft übersehen.

Also grundsätzlich hast du ja durchaus eine gute Erklärung, was sich mir aber nicht erschließt daraus, warum man nicht wenigstens das beschriebene Schnittstellenproblem der vorhandenen IT angehen (will).

Da muss doch erstmal keiner der Beteiligten „Was, Wie“ wissen und das „Wozu“ ist quasi selbsterklärend.

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Ich mach aktuell ein Praktikum in einem Bundesministerium. Digitalisierung bedeutet oft einfach nur, dass man doppelten Aufwand hat. Die Unterlagen müssen ausgedruckt, gescannt und in Akten abgeheftet werden und dann noch mal als PDF-Datei im eAkte-System abgelegt werden, sowie dem federführenden Referat per Mail geschickt werden. Bei den eAkte-Systemen hat auch irgendwie jedes Ministerium seine eigene proprietäre Lösung.

Kassenanordnungen an die Bundeskasse werden in einem Programm eingetragen, das keinerlei Unterstützung bietet. Wenn man also eine Zahl falsch ausgeschrieben hat, dann kommt die Kassenanordnung von der Bundeskasse zurück und man darf den Vorgang nochmal anstoßen. Unterschreiben dürfen die Kassenanordnungen nur die Anordnungsbefugten. Wenn die im Urlaub sind oder Home Office machen, bleiben die Kassenanordnungen liegen und das Geld geht deutlich später raus. Ich habe davor 15 Jahre in vielen verschiedenen Unternehmen gearbeitet und nirgendwo hatte ich etwas mit Umlaufmappen und Stempelkissen am Hut. Am Geld kann es eigentlich nicht mangeln, der Bund sollte genug davon haben.

Menschen mit Ausbildung sind im mittleren Dienst. Wir haben bei uns im Studium eine Aufsteigerin, die um in den gehobenen Dienst zu kommen mit Anfang 40 jetzt noch ein Studium draufsattelt. Sie arbeitet schon seit 20 Jahren als Beamte. Der gehobene Dienst ist für Bachelor-Absolventen und der höhere Dienst für Diplom/Masterabsolventen.

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Stimmt. Die Sache mit den Schnittstellen… das wird wohl an den schon im Podcast angeführten Problemen liegen (alle verwenden andere Programme, verschiedene Strukturen, Software-Anbieter wollen/können nicht zusammenarbeiten als Konkurrenten etc.). Wie aufwendig es ist, das anzupassen unter Beachtung der Anforderungen der verschiedenen Behörden, weiß ich technisch nicht.

Ich weiß nur, dass eben auch immer gespart wird. Unser Verwaltungsprogramm läuft dramatisch langsam wegen mangelnder Serverkapazitäten. Im Homeoffice ist es so schlimm, dass es nicht nutzbar ist.

Aus meiner Erfahrung gibt es gute und schlechte Beispiele. Beide hängen viel mit den handelnden Personen zusammen. Man kann sich hinter Vorschriften und Gesetzen verstecken, aber auch konstruktiv mit den Beteiligten kommunizieren.
Ich arbeite bei einem Reha-Bildungsträger, einem von insgesamt rund 28 Einrichtungen bundesweit, zusammengeschlossen in einem Bundesverband.
Jeder dieser Bildungsträger hat wiederum unterschiedliche Gesellschafter/Träger. In unserem Fall ein katholischer Träger mit 17 sehr unterschiedlichen Einrichtungen, vom Pflegeheim über WfbM bis hin zu Krankenhäusern.
Wir arbeiten wiederum sehr eng mit Institutionen wie Arbeitsagenturen, JobCentern, Rententrägern und Berufsgenossenschaften zusammen.
Wenn man versucht, sich hier auf verschiedenen Ebenen auf gemeinsame Standards zu einigen, ist das ein ziemlich dickes Brett. Ob digitale Unterschrift, ob datensichere Kommunikation und Datenversand bis hin zu einer übergreifend kompatiblen Verwaltungssoftware…es gibt das viele Meinungen, Ängste und Befindlichkeiten. Für viele davon zählt schon das Fax zu Social Media.
Aber: Mit den richtigen, engagierten Leuten, der nötigen Fachkompetenz, Kreativität und Hartnäckigkeit lässt sich vieles bewegen. Die Papierakte verschwindet bei uns gerade, verschlüsselte digitale Kommunikation mit den Rententrägern und JobCentern läuft grad an (CryptShare z.B.). Die Taktik der kleinen Schritte ist zäh, aber geht voran. Aber wie schon von anderen hier angeführt: Man/frau braucht hier kompetente Menschen, die auch weit über den Tellerrand gucken, weil es meist komplexe Sachverhalte und übergreifende Strukturen sind, die digitalisiert werden wollen.

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Danke für die Folge zur Digitalisierung der Verwaltung! Es gibt ein Problem auf der Seite der Anwender: viele Ältere sind nicht sehr technikaffin. In meinem Bekanntenkreis gibt es etlich, die kein onlinebanking nutzen. Ich selbst denke (mit fast 70), dass ich gut klarkomme, verzweifle aber immer wieder auch da, wo online etwas möglich ist. Z.B. habe ich ein erweitertes Führungszeugnis beantragt. Letztlich hat das sogar geklappt. Doch der Weg war steinig: erst im Prozess und nachdem die Anmeldung nicht leicht war, wurden von mir weitere Dokumente gefordert, z. B… eine Geburtsurkunde, so dass ich los musste, die zu suchen und in der Zwischenzeit wieder aus dem Programm flog… für Leute, die dich mit der Bedienung ihres Smartphones schwer tun ist das alles zu kompliziert.

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Ja und Nein.

Es ist verständlich, dass sich ältere Menschen mit der Digitalisierung schwer tun. Das ist auch immer wieder Thema in Schweden, dass man die Älteren nicht vergessen darf.

Aber: Wäre der Prozess bereits einheitlich digitalisiert, wäre es einfacher zu helfen und wäre auch einfacher für dich in der Nutzung.

Denn:

Das würde es nicht geben.

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Liebes Lage-der Nation-Team, ich habe Eure aktuelle Folge heute auf der Fahrt zu meiner kleinen Stadtverwaltung gehört und möchte Euch dringend auf einen kleinen, aber feinen Fehler bzw. eine Unrichtigkeit hinweisen. Das OZG verpflichtet rein formal lediglich die Bundes- und die Landesverwaltung, ihre eigenen Dienstleistungen digital zugänglich zu machen. Der weitaus größere Teil der angesprochenen Fachverfahren wird allerdings auf der kommunalen Ebene erbracht. Die Gemeinde-, Stadt- und Kreisverwaltungen allerdings können aus verfassungsrechtlicher Sicht durch ein Bundesgesetz nicht direkt angesprochen werden. Verpflichtungen zur Änderung kommunaler Dienstleistungen könnten lediglich durch Landesgesetze erfolgen. Diese sind allerdings genau so nicht gefasst, weil die Landesregierungen - wie der Teufel das Weihwasser - die sofortige Implikation fürchten, nämlich nach dem Konnexitätsprinzip dann auch für die Kosten aufkommen zu müssen. Damit ergibt sich die Problematik, dass zwar immer von einer Verpflichtung durch das OZG gesprochen wird (auch auf der kommunalen Ebene), tatsächlich aber nur ein Appell vorhanden ist, sozusagend eine zwar dringlich vorgetragene, aber eigentlich zu nichts verpflichtende Bitte. Da die Kommunalfinanzen zwar durchaus unterschiedlich entwickelt sein können, in der Regel aber „auf Kante genäht“ sind, wird sich also auf absehbare Zeit nichts anderes als ein bunter Flickenteppich ergeben und definitiv keine flächendeckende Online-Verwaltungs-Initiative.

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