Liebes Lage-Podcast-Team,
zuerst einmal vielen Dank für eure mühevolle Recherche und vor allem die Befragung der dahinter steckenden Mitarbeiter:innen an der Front!
Ich arbeite in der Verwaltung (Personal/Haushalt) an einer Hochschule für Verwaltungsrecht. Bei uns werden also stets die nächsten Generationen von Verwaltungspersonal „geboren“ und auch bei uns gibt es Arbeitsausschüsse, die sich mit E-Government beschäftigen und bei der Umstrukturierung auf Landesebene mit inter-/nationaler Vernetzung mitwirken.
Aus meiner Sicht hinkt diese Entwicklung aus folgenden Gründen:
Die Professor:innen wissen theoretisch wie, können aber selbst nichts umsetzen. Das Verwaltungspersonal weiß, was es benötigt und wozu, aber nicht wie. Die IT-Fachkräfte wissen wie, aber nicht was und wozu. Um unsere analog verstaubte Verwaltung vom Grunde auf zu digitalisieren, braucht es unbedingt Leute, die zumindest halbwegs gleichzeitig wissen was, warum,wie und zusätzlich Kenntnisse über Datenschutzgesetze sowie Nachweisanforderungen haben, sonst „beißen“ sich am Ende digitale Effektivität mit rechtlichen Anforderungen und es landet trotzdem alles wieder in einer Papierakte oder man beginnt wieder von vorn. Wenn nur die Theoretiker und Verordnungsgeber daran arbeiten ohne direkte Einsicht in Praxis bzw. nur durch Befragung und Zuarbeit von Infos eine effektiv sinnvoll funktionierende Verwaltung digitalisieren wollen, wird das nichts bzw. löst im Endeffekt dennoch wieder (noch) lahmere Prozesse/Verfahren aus. Genau das ist aktuell bereits schon mehrfach passiert und unsere Arbeit hat sich durch oberflächlich durchdachte Digitalisierung noch erhöht.
Nun kann man natürlich nicht die Sachbearbeiter:innen aller Behörden und Einrichtungen auf kommunaler und staatlicher Ebene befragen oder mit ins Boot holen. Dann dauert der Prozess noch hundert Jahre und ein gewisser Teil muss immer by doing oder durch try and error passieren. Aber:
An akademischen Einrichtungen wie unserer ist die (teilw. berufsbegleitende) Ausbildung solcher Personen und damit die bisher fehlende Herstellung der notwendigen Kompetenzen mit verknüpftem Wissen von Was-Wie-Wozu im Gange. Es läuft also, aber eben nicht von heut auf morgen, sondern über mehrere Generationen von Personal hinweg.
Natürlich ist es erstmal peinlich, wenn Studierende in digitaler Verwaltung ausgebildet werden an einer Hochschule, die selbst noch am Papierfetisch krankt und lahmt. Aber das ist wie die Sache mit Huhn und Ei… Es gibt quasi bisher keine digitalen Hühner und analoge Hühner müssen erst (halbwegs) digitale Eier legen.
Hinzu kommen fehlende Kompetenz und Verständnis im Umgang mit EDV zzgl. der Abneigung dagegen generell in einer Verwaltung mit hohem Altersdurchschnitt. Auch das löst sich erst mit dem Generationswechsel bis in die oberen Leitungspositionen. Denn der/die Sachbearbeiter:in kann noch so digital versiert sein, wenn der Chef/die Chefin es nicht schafft oder ablehnt, digital zu arbeiten.
Dringend bzw. eigentlich als aller erstes notwendig sind generell auch gesetzliche Änderungen, denn solang originale Unterschriften/Belege vorgeschrieben sind, müssen wir -auch, um uns bei einer Prüfung durch den Rechnungshof selbst zu schützen- mit Papierakten arbeiten. Zudem muss dennoch auch digital sichergestellt werden können, dass wir uns gegen Vorwürfe seitens Bürger/Kolleg:innen/Vorgesetzte etc. nachweislich „verteidigen“ können. Das ist leider oft der Grund, warum ich alle möglichen E-Mail-Konversationen mit ausdrucke und zum Vorgang nehme.
Mit digitalem Gruß an alle,
Janine