LdN 457 Hebammen - Arbeitsschutz

Hallo,
Vorweg: Ich selbst habe als Vater 2 Geburten im Geburtshaus begleitet. Für uns war die Entscheidung Pro-Geburtshaus vor allem eine Abwägung zwischen “Sofort Intensiv Medizin vor Ort” oder “Es ist immer jemand da (1:1 Betreuung), so dass Probleme ggf. früher erkannt werden”. Wir hätten bei den geringsten Anzeichen von Problemen sofort ins Krankenhaus gewechselt und aufgrund der örtlichen Gegebenheiten war ein Vollversorger für Mutter und/oder Kind nur wenige Minuten entfernt.

Meiner persönlichen Beobachtung nach Wünschen sich die meisten werden Mütter eine solche Begleitung, auch wenn dem natürlich “oh, ich habe die erste Wehe und fahre schon mal sicherheitshalber los” in der Praxis auch entgegensteht. In so fern kann ich die Lenkungswirkung die sich die Krankenversicherung durch eine Veränderung der Bezahlung erhoffen durchaus verstehen.

Aber aus (arbeitsmedizinischer) Sicht kann ich die Forderung nach 12 Stunden Schichten nicht verstehen. Natürlich verstehe ich den persönlichen Vorteil von weniger Fahrzeit oder ähnlichem. Und wenn man in einer 1:1 Betreuung wirklich nur eine Gebärende begleitet ist das sicher auch Konzentratorisch bei einer unkomplizierten (!) Geburt möglich. Denn wenn wir mal ehrlich sind - da gibt es auch eine Menge Zeiten, in denen nicht so viel zu tun ist und man die werdenden (oder gerade gewordenen) Eltern auch mal kurz (aber auf Abruf) alleine lassen kann. Wenn man aber 2 oder 3 Geburten gleichzeitig begleitet, und das auch noch rotierend (also mehr als 3 Gebärende in einer Schicht sieht), dann habe ich meine Zweifel, dass man nach 12 Stunden immer “voll bei der Sache ist” (da ist meines Wissens die Forschung sehr eindeutig). Daher müsste doch eigentlich die Forderung viel eher sein, dass mindestens im medizinischen System mehr als 8 Stunden die absolute Ausnahme bleiben müssen (Großrettungslagen sind eigentlich die einzig ethisch vertretbare Ausnahme). Man Stelle sich umgekehrt den Aufschrei vor, wenn bei VW am Band gefordert werden würde, dass man regelmäßig 12 Stunden arbeiten solle - obwohl da “nur” der neue Golf kaputt gehen kann (oder ein Mitarbeiter sich oder seinen Kollegen die Scheibe selbst vor den Kopf knallt). Und wenn wir ehrlich sind: Bei 12 Stunden Schichten ist man nicht unbedingt nach 12 Stunden raus - denn Pausen und Übergaben müssen auch gemacht werden - Oder wird es als erstrebenswert angesehen, wenn bei “Köpfchen guckt halb raus” noch schnell ein “Feierabend” durch den Kreissaal hallt. Diesen Punkt hätte ich gerne mehr beleuchtet gesehen.

Als weiteren Punkt frage ich mich, in wie fern hier vielfach nicht eine Scheinselbständigkeit bei den Beleghebammen vorliegt (da könnt ihr mit eurer juristischen Expertise sicher mehr zu sagen). Es erinnert mich ein wenig an die Sprachlehrer/innen und die Goetheinstitute - bei dem am Ende soweit ich es verstehe eher eine “politische” als juristische Lösung gefunden wurde.

Vielleicht könnte ein Aufgliederung des Berufs auch mehr Menschen motivieren in die Geburtsbegleitung einzusteigen. Einerseits ein hochqualifizierte (medizinische) Geburtshilfe (Geburten) und eine im ersten Schritt geringer qualifizierte Geburtsbegleitung (Vorbereitungskurse, Nachbereitung am Kind - evtl. etwas aufgeteilt nach bis eine Woche / Älter als eine Woche) - dafür ohne Blut und mit süßen Babys. Natürlich durchgängig im Sinne eines Bachelor / Master oder Geselle / Meister Systems (wie man es auch immer nennen mag). Anderseits war aus meiner Beobachtung (anekdotisch, da wären echte Zahlen interessant) an Hebammen eher genau andersherum der Fall: Die jungen haben die Geburten gemacht - und wer irgendwann selber Kinder hatte, hat lieber die (arbeitszeittechnisch) angenehmen Vorbereitungskurse / Nachbereitungen übernommen. Von daher gibt es meiner Beobachtung immer einen gewissen Anteil an Hebammen pro Jahr, die eh von den Geburten in die Vor/Nachbereitungen wechselt.

Hallo zusammen,

in der aktuellen Folge wurde in Bezug auf das 8h-Schichtsystem von Hebammen kritisiert, dass das Arbeitsschutzgesetz über das Ziel hinausschieße und so das sinnvollere 12h-Schichtsystem unterbinde. In einer weiteren LdN-Folge gab es einen Interviewgast, die über zu viel Bürokratie in Unternehmen berichtete, weil bestimmte Arbeitsschutzvorgaben diese erforderten.

Ich möchte an dieser Stelle keinesfalls die vielen Errungenschaften und sinnvollen Maßnahmen des Arbeitsschutzes in Frage stellen, aber trotzdem kam mir der Gedanke, ob wir bei diesem oder nicht auch bei anderen Themen über das Ziel hinausgeschossen sind. Was denkt ihr dazu?

Hi, ich kenne mich im Gesundheitswesen generell nicht unbedingt aus, aber ich schreibe gerade eine Arbeit zum gleichen Thema im Bildungssystem und dort sieht es sehr ähnlich aus. Es ist von allen Seiten durchaus gewollt, dass Lehrkräfte nicht streng nach Uhr arbeiten (und meistens geschummeln sie sich selbst) aber die Nachweispflichten des Arbeitgebers lassen keinen wirklichen Raum dafür.

Also so sehr ich eigentlich für den Arbeitsschutz eintreten will, er steht der besten Lösung für alle gerne mal im Weg. Jede Aufweichung wird aber zu Lasten vieler ausgenutzt werden befürchte ich