Gustav Gressel hat mE die wesentlichen Aspekte, was es bedeutet, Deutschland und die Bundeswehr in den Status „verteidigungsfähig“ zu bekommen, anschaulich und nachvollziehbar dargestellt.
Was auch klar wurde: rein über Geldsummen zu sprechen sagt nichts wirklich aus.
Was aber auch deutlich wurde:
Es geht viel über das Mindset.
Um „verteidigungsfähig“ zu werden, muss die Gesamtgesellschaft die Notwendigkeit zur Verteidigung mitgehen bzw. Verstehen.
Aktuell scheint es genausoviele Menschen zu geben, die sagen „Auf Krieg gab ich keine Lust und Maßnahmen zur Verteidigung lehne ich ab“ wie es Menschen gibt, die sagen „Auf Klimawandel hab ich keine Lust und Maßnahmen zum Klimaschutz lehne ich ab“.
Erstaunlicherweise mit sehr ähnlichen Begründungen und Reaktiinsmustern.
Vielen Dank für das Interview mit Gustav Gressel. Ich bin auch ein Fan des Sicherheitshalber Podcasts. Es fällt schon auf, mit welcher angenehmen Nüchternheit über sicherheitspolitische Themen gesprochen wird. Diese Nüchternheit hat er gut transportiert.
Und er hat recht. Über lange Zeit war das Thema Verteidigung ausgeblendet, wurden Fähigkeiten vernachlässigt, bewusst abgeschafft oder sogar aggressiv verhindert. Als Älterer erinnere ich mich noch gut an das Thema Bewaffnung von Drohnen. Über gefühlt ein Jahrzehnt war das die moralische No-Go-Zone.
Auch von meiner Seite vielen Dank für dieses Interview, ich bin auch schon auf den zweiten Teil gespannt.
Es ist wichtig in die breitere Öffentlichkeit über diese Themen ganz nüchtern und unaufgeregt zu sprechen, denn bezüglich Militär und Rüstung sind die Diskussionen doch eher emotional geprägt, je nach eigener Wertvorstellungen.
Da uns dieses Thema aber die nächsten Jahre sehr intensiv beschäftigen wird/muss, muss man auch irgendwo mal anfangen die Ideologie zur Seite zu packen und rational zu diskutieren.
Letztlich ist es richtig, wir werden nicht verteidigungsfähig werden, wenn die Gesellschaft es nicht werden will.
Toll, dass Ihr beim Thema Pipelines hin zu deutschen Flughäfen für die Lieferung von Treibstoff gleich auf die Problematik CO2 hingewiesen habt. Ich hatte mir das auch sofort gedacht.
Schade allerdings, dass Ihr es gleich drauf wieder vom Tisch gewischt habt. Es wäre so wichtig gewesen, das zu vertiefen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr das Thema militärische THG-Emissionen und andere Beiträge zur Klimakrise (gerne auch positive?) mit einer Expertin oder einem Experten an anderer Stelle ausführlich und umfangreich nachholt.
Herzliche Grüße von Martin
Militärausgaben (und vor allem Krieg) werden immer zu extrem hohen Treibhausgas-Emissionen führen, aber letztlich sind wir da in dem gleichen Dilemma, das immer bei diesen Themen besteht: Diktaturen wie Russland oder Autokratien wie die USA und China werden sich vom Argument der Klimafreundlichkeit nicht von etwaigen Kriegen abhalten lassen, wenn sie darin einen Vorteil für sich erblicken. Die Gegenseite kann jetzt nicht sagen: „Aber wir sind besser, uns ist der Umweltschutz wichtiger, deswegen fahren unsere Panzer mit Solarenergie“ (bewusste Übertreibung!), wenn dadurch die militärische Abschreckung oder Stoppwirkung leidet.
Tatsächlich wäre es aber interessant, zu erörtern, inwiefern die Forschung an neuer Militärtechnologie dazu beitragen kann, auch Erträge für den Klimaschutz abzuwerfen. Letztlich war es in der Vergangenheit häufig die militärische Forschung, welche dann für das zivile Leben unglaublich nützliche Dinge hervorgebracht hat. Wenn man daher mit den beträchtlichen Mitteln, die für militärische Forschung und Entwicklung bereitgestellt werden, zumindest auch die Aspekte von Klimaverträglichkeit und Ressourcenoptimierung berücksichtigen würde (letzteres ist ja auch ein klarer militärischer Vorteil!) wäre vermutlich schon ein kleiner Teil des Klimaschadens durch Aufrüstung wieder relativiert, wenn die Ergebnisse dann auch in den Alltag Einzug finden.
Ansonsten bleibt es eben dabei, dass Geld- und Ressourcenverwendung für das Militär natürlich „verschwendet“ sind, ähnlich wie Geld- und Ressourcen, die für Strafgerichte und Gefängnisse „verschwendet“ in dem Sinne sind, dass wir alle lieber ohne diese Ausgaben leben würden. Aber es geht halt nicht anders, so lange es Staaten gibt, die bereit sind, Krieg zu führen - oder Menschen gibt, die Straftaten begehen. Und wie schon so oft gesagt: Ohne die Sicherheit vor einem militärischen Angriff sind alle unsere sonstigen Errungenschaften nichts wert. Wenn wir uns eigennützig nicht darum kümmern, dass z.B. die baltischen Staaten (und danach Polen) vor einem imperialistischen Russland sicher sind, wird das imperialistische Russland irgendwann vor unseren Grenzen stehen.
Nur um nicht missverstanden zu werden (denn diese Gefahr sehe ich erst jetzt nach Ihrer/Deiner Antwort, @Daniel_K) , möchte ich noch ergänzen:
Ich stehe durchaus auch auf der Position, dass es wichtig ist, sich jetzt zu stärken und Abschreckung ausüben zu können, denn wie ganz richtig gesagt: ohne das ist vieles andere nichts wert. Ich plädiere nur dafür, militärische Emissionen konsequent mit zu bilanzieren und offen zu legen. Denn das werden sie meines Wissens nach bisher nicht. Der Atmosphäre und allen anderen Erdsystemen ist aber egal, wo die Emissionen herkommen. Deshalb wüsste ich gerne, wie groß sie im Vergleich zu anderen industriellen/mobilitätsbedingten/wärmebedingten/wohlstandsverursachten Emissionen eigentlich sind. Ich habe nämlich den Verdacht, dass sie garnicht so groß sind, im Vergleich zu vielem anderen, was deutlich weniger „notwenig“ ist. Ich glaube, militärische Emissionen werden oft überschätzt. Und dann sagen die Menschen „die verschmutzen ja sowieso die halbe Welt, so lange Kriegt ist, brauche ich mich also eh nicht anstrengen“. Und dieses Argument ist definitiv falsch. Deshalb plädiere ich für eine LdN, die genau dieses Thema durchleuchtet und transparent darstellt.
Die größten Emissionen entstehen beim Wiederaufbau, da Beton der größte CO2-Killer ist.
Habe die Meinung auch vertreten. Technisch war ich fasziniert, aber wollte nicht, dass Europa hier die Entwicklung vorantreibt und mit beiträgt, dass die Hemmschwelle für einen Krieg sinkt. Naja, zeigt sich: wenn die einen die Mauern nicht einreißen tun es andere - und dann sind wir die, die der Meute hinterher laufen müssen.
Das gängige Gegenargument ist mWn die militärische Geheimhaltung. Je genauer die Aufschlüsselung von Treibhausgasquellen ist, desto größer ist die Gefahr, daraus Daten über militärische Fähigkeiten zurückrechnen zu können. Alleine die Erhebung der Daten würde erfordern, dass mehr (vor allem militärfremde) Menschen Zugang zu konkreten Informationen über militärische Fähigkeiten und Bestände bekommen müssten, was wiederum das Risiko für Datenleaks bildet.
Da bin ich ehrlich gesagt skeptisch. In Friedenszeiten mögen die Emissionen noch tolerabel sein, aber spätestens im Kriegsfall ist die Umweltwirkung katastrophal, alleine durch den Wiederaufbau.
Insgesamt bin ich auch durchaus dafür, militärische Emissionen zu messen, ich frage mich aber wirklich, ob das realistisch machbar ist und welcher Rattenschwanz weiterer Probleme da dran hängen könnte.
Was spannend sein könnte, ist der Einsatz regenerativer Energien in militärischen Einrichtungen und Fahrzeugen. Reduziert einerseits die Emissionen, aber auch die Abhängigkeit von fossiler Logistik.
Also quasi ein Hybrid-Panzer, der eigene Energie erzeugen kann, um auch mal mit leerem Tank mobil zu sein, oder eine Radaranlage.
Die Ideen sind aber sicher schon im Köcher.
Aber: jede abgefeuerte Granate oder Rakete oder jede Gewehrpatrone erzeugt reichlich umweltschädliche Rückstände.
Wenn man versucht, Krieg nach Umweltschutz-Aspekten zu bewerten, wird man ziemlich frustriert
Werden auf 5% geschätzt. Sofern man da nix klimaneutrales entwickelt, wird der Anteil mit der Zeit steigen.
Das größte Gegenargumente war wohl die entmenschlichung des Tötens und die vielen zivilen Opfer durch die Drohneneinsätze der USA. Das fand und finde ich auch immer noch legitim als Gegenargumente. Aber wie du sagst, bringt einem das wenig, wenn sich die anderen nicht dran halten. Wie mit Anti Personen Minen.
Das Argument „es fällt ja was gutes bei den Militärinvestitionen für die Gesellschaft ab“ sehr schwierig. Wieso dann nicht einfach ohne Militär in die Bereiche, sei es Infrastruktur oder Technologie investieren. Wäre sicher günstiger. Ich bin nicht gegen eine funktionierende Bundeswehr und sehe in der aktuellen Lage die Notwendigkeit, aber ich will’s mir auch nicht schön reden.
Zu China. Habe ich so noch nicht gesehen. USA „müssen“ dort was machen und dadurch müssen wir uns selbst kümmern. Da der Konflikt anders als mit Russland noch nicht eskaliert ist. Was kann man tun, um den Taiwan Konflikt zu lösen bevor es militärisch eskaliert. Ggf sollte man dafür auch Zeit und Geld investieren. Oder ist China so verkopft wie Russland? Eine Sounderfolge zu dem Thema, da es uns ja wohl auch betrifft, wäre spannend.
Wie in Russland spielt auch in China eine sehr nationalorientierte Ideologie eine Rolle.
Da wird man mit Völkerrecht, Moral und Menschlichkeit nicht viel erreichen als Argumentation.
Höchstens wirtschaftliche Gründe haben da einen gewissen Einfluss. Zumindest wenn es die Autokraten/Diktatoren in ihrer Macht bedroht
Für Panzer dürfte das leider schwierig werden.
Einen Panzer 100 km zu bewegen braucht etwa 550 bis 800 kWh an Energie, wenn wir von 300 Liter Benzin pro 100 km ausgehen (Leopard II) und berücksichtigen, dass ein Liter Benzin etwa 8,9 kWh bereitstellt, von denen etwa 20-30% effektiv für die Bewegung genutzt werden. 800 KWh sind in etwa die Menge Strom, die eine durchschnittliche Dach-PV-Anlage im Jahr produziert. Für einen Panzer und 100 km. Das zu skalieren und gerade im Hinblick auf die Logistik mobil zu halten (dh. die regenerativen Energien müssten auch verlegbar sein) dürfte unmöglich sein, zumal großflächige Solaranlagen extrem weiche Ziele wären. Ein Treibstoffdepot lässt sich noch halbwegs schützen, eine quadratkilometergroße Solaranlage nicht.
Ich fürchte, was den Antrieb von Panzern angeht wird so schnell keine regenerative Energie zum Einsatz kommen können. Dafür bräuchte es schon einen technischen Durchbruch in der Wasserstofftechnologie, der es uns ermöglichen würde, riesige Mengen Wasserstoff herzustellen. Aber wenn wir diesen Durchbruch hätten wären so viele größere Probleme gelöst ^^ Also ich bin da nicht sehr hoffnungsvoll.
Militär und Klimaschutz muss man wohl differenzierter sehen.
Wenn im Feldlager in Kabul damals einer der knappen Geländewagen stillgelegt wurde, weil die AU abgelaufen war, kann man sich schon fragen ob das wirklich sinnvoll ist.
Ist der Wiederaufbau eine militärische Emission? Vielleicht hilft ein Flugabwehrpanzer mehr, dass ein Gebäude nicht bombardiert und in Schutt und Asche gelegt wird. Dann also lieber mehr Waffen ?
Ich hätte es ja interessant gefunden, wie er als Österreicher Österreichs Rolle beim Thema europäische Verteidungsfähigkeit einordnet. Österreich spielt ja bekanntlich die „Neutralitäts“-Karte und klammert sich da der schon lange überholten Nachkriegsordnung fest, profitiert de facto aber natürlich massiv davon, dass es von der NATO quasi „umzingelt“ ist. Von irgendeiner Verteidigungsfähigkeit kann man bei der österreichen Armee jedenfalls nicht ernsthaft reden. Es stellt auch keinerlei nennenswerte militärische Unterstützungsleistungen für die Ukraine bereit. Vielleicht gibt es dazu etwas im zweiten Teil?
Von der gesamten Abschätzung her bestimmt richtig, trotzdem noch eine Anmerkung: bei Elektrifizierung steigt die Effizienz von den genannten 20-30% auf rund 90%, also Faktor 3 bis 4 weniger Primärenergiebedarf für die gleiche Nutzenergie. Trotzdem noch viel, natürlich und weniger Schutz möglich…
Deshalb habe ich die Energieeffizienz von Benzin berücksichtigt (mit 20-30%). Ohne die Berücksichtigung der höheren Energieeffizienz von Elektromotoren wären es nicht 550 bis 800 kWh, sondern fast 2700 kWh pro 100 km Da ist dein Faktor 3-4 drin…
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass die zitierten Zehen stimmen, da ich sie nicht prüfen kann.
Deutschland: 34 Milliarden (1) edit: +38 Milliarden
Österreich: 3 Milliarden (2) Bei einem Faktor 1:10 geht sich das aus. Damit entspricht die Unterstützung Österreichs bei einem Faktor 1:10 der deutschen zivilen Unterstützung. Ansonsten macht sich Österreich tatsächlich in der Ukraine einen schlanken Fuß.
Ansonsten stimmt, dass sich Österreich gerne militärisch raushält, aber auch Österreicher in Afghanistan waren. (3) Ich glaube, die Realität hält mit den Worten nicht mehr mit. Man gibt es nur nicht gerne zu.
Können wir beim Thema Wehrdienst mal darüber reden was die verteidigen sollen. So weit ich weiß sind die NUR für Landesverteidigung heranzuziehen. Russland wird aber die Nato nicht in Deutschland angreifen.
Und bzgl Rheinmetall. Einfach verstaatlichen den ganzen Militärischen Komplex, dann wird nicht mehr nach Profit produziert sondern nach bedarf.
Vorab zur Sicherheit nochmal: Ich bin auch gegen eine Wehrpflicht, weil wir eben - entgegen vieler Medienberichte - nicht annähernd „alles andere versucht“ hätten und deshalb „die Wehrpflicht bräuchten“, um das Personalproblem der Bundeswehr zu lösen.
Dennoch: Das Argument für die Wehrpflicht ist gerade nicht, Wehrpflichtige im Bündnisfall nach Litauen zu schicken, das fordert in der Tat niemand. Das Kernargument der Befürworter der Wehrpflicht ist die Aufwuchsfähigkeit der Bundeswehr, daher im Prinzip: Wenn wir wie früher jedes Jahr bis zu 200.000 junge Männer in die Uniform zwingen, bleiben zumindest ein paar davon als Zeit- und Berufssoldaten bei der Bundeswehr hängen. Darum geht es letztlich.
Sekundärziele sind natürlich aus konservativer Sicht „dass die Jugend Zucht und Ordnung lernt“, dass wir über einen ergänzenden Zivildienst billige Arbeitskräfte für den sozialen Bereich bekommen (warum auch Leute fair dafür bezahlen, wenn man sie zwingen kann…) usw. Gerade diese sekundären Ziele lehne ich vollständig ab.
Und ich denke wie gesagt, dass die stärkere Rekrutierung für die Bundeswehr über andere Wege günstiger und mit weniger harschen Einschnitten in die Freiheit der Menschen zu erreichen ist. Wir sollten wirklich erstmal jedem Bürger, egal wie alt, eine dreimonative militärische Grundausbildung anbieten, entweder am Stück oder in 2 mal sechs Wochen. Das kann jeder Interessierte in seine Lebensplanung packen und die dort erlernten Fähigkeiten (erweiterte erste Hilfe, austesten körperlicher Belastungsgrenzen usw.) sind tatsächlich nützlich. Dadurch bekäme man genügend Interessierte in den Kontakt mit der Bundeswehr - und in Verbindung mit wesentlich weniger bürokratischen Reserve-Regelungen wäre es auch leicht möglich, diejenigen, die Lust darauf haben, aber kein Zeit- oder Berufssoldat werden wollen, ihr Leben lang als Reservist auszubilden.
Hätte ich absolut nix gegen, wenn es einen Bereich der Wirtschaft gibt, der möglicherweise besser als Planwirtschaft funktioniert, als als Marktwirtschaft, dann ist das die Rüstungsindustrie.