LdN 420 | Alternative Erklärung der Erfolge der AfD

Du kennst die Antwort.
Nein, hat man versäumt, hat man nicht vor.

Die Frage ist: Absichtlich? Oder ist es Dummheit? Oder ist man so mit eigenen Interessen und denen der eigenen Klientel beschäftigt, dass es einem egal ist?

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Danke für deine Antwort, die mir noch mal Gelegenheit gibt, zu präzisieren, worum es mir geht. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Menschen unterschiedliche Wahrnehmungen und Sichtweisen haben können - das gilt auch für Texte. Sich darüber zu streiten, welche dieser Lesarten nun „richtig“ oder „falsch“ ist, ergibt daher meiner Erfahrung nach nicht so viel Sinn. Lieber versuche ich meine Sichtweise möglichst nachvollziehbar zu machen.

Ich lese gerade dieses Zitat so, dass es sehr viel mehr darum geht, wie Menschen eine gesellschaftliche Situation wahrnehmen, wie sie sich selbst darin positionieren, welchen Blick auf andere sie haben, welche Zukunftserwartungen und welche Ängste sie haben etc. Und das korrespondiert natülrlich mit „ökonomischen Prozessen“, lässt sich aber eben nicht auf diese reduzieren. Und das ist aus meiner Sicht ein entscheidender Punkt. Ein sehr plattes Beispiel, um zu verdeutlichen, was ich meine: Ich kann in derselben sozioökonomischen Position (nehmen wir mal eine Kleinfamilie mit Reihenhaus und durchschnittlichem Einkommen) ebenso gut zufrieden sein mit dem Erreichten und meinem relativen Wohlstand oder aber geprägt von der Angst, das alles wieder zu verlieren und Migration als Ursache dafür ansehen. Und wenn Letzteres überwiegt, ist der Grund dafür m. E. nicht vor allem in der Ökonomie zu suchen.

Den Rassismus sehe ich sozusagen als eine notwendige, aber nicht als eine hinreichende Bedingung dafür an, dass Menschen eine Partei wie die AfD wählen. Was heißt das? Ich gehe davon aus, dass rassistische Denkweisen in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlichen Ausprägungen in weiten Teilen der Gesellschaft vorhanden sind. Ich bin fest überzeugt, dass konkrete Vorstellungen, etwa das ein „richtiger“ Deutscher nur sein kann, wessen Eltern und Großeltern schon Deutsche waren oder dass die Anwesenheit von Zugewanderten an sich ein gesellschaftliches Problem darstellt, weit über die Wählerschaft hinaus in der Bevölkerung verbreitet sind. Ich verstehe das aber eher als ein Kontinuum: Bei einigen sind diese Vorstellungen stärker ausgeprägt oder wirken sich stärker auf das Denken und Handeln aus und bei anderen weniger. Eine dichotome Unterscheidung á al „die sind Rassisten und die nicht“ finde ich nicht überzeugend. Da sich aber dieser skizzierte „Level“ des Rassismus individuell unterscheidet, stellen sich bezogen auf die Motivation von AfD-Wählern aus meiner Sicht zwei Fragen. 1. Haben wirklich alle AfD-Wähler denselben oder zumindest einen ähnlich hohen „Level“ an Rassismus? und 2. Ist dieser „Level“ an Rassismus wirklich ursächlich für die Entscheidung, AfD zu wählen. Beide Fragen können m. E. nur empirisch beantwortet werden und können nicht einfach abgeleitet werden aus der Tatsache, dass die AfD rassistische Ressentiment mobilisiert und dass Umfragen einen höheren Anteil von Menschen mit hohem „Level“ an Rassismus bei AfD-Wählern finden als bei Wählern anderer Parteien. Konkret runtergebrochen: Wenn eine Person mit einem sehr hohen „Level“ an Rassismus früher CDU, SPD oder gar nicht gewählt hat, jetzt aber AfD wählt, wie will man dann sagen, dass der Rassismus Grund für diese Wahlentscheidung ist?

Aus den genannten Gründen halte ich nichts von deiner Gegenüberstellung der zwei „Denkschulen“. Es gibt aus meiner Sicht überhaupt keine Notwendigkeit, einen entscheidenden Faktor zu isolieren und es gibt auch keine Notwendigkeit, das Ganze als ein Entweder-Oder zu betrachten, also (sozio-)ökonomische Faktoren und Rassismus gegeneinander zu diskutieren. Ich denke, man kommt viel eher zu einer adäquaten Erklärung, wenn man davon ausgeht, dass beide Faktoren eine Rolle spielen, aber vermutlich nicht alleine. Und wegen dieses „nicht alleine“ fand ich die von @JakobH zu Beginn des Threads angebrachten Punkte so spannend. Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion eher in diese Richtung weiterläuft.

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An der Stelle mal ein Punkt von mir: ich bin für ein AfD-Verbot. Ich sehe nur nicht wo der politische Wille besteht, das umzustzen. Und ich fürchte auch, dass das Verbot uns nur zeitweilig helfen würde, weil es wahrscheinlich ist, dass in der Lücke eine neue, rechtsextreme & populistische Partei entstehen würde. Dafür bin ich trotzdem, und zwar nicht mal aus politischen Gründen, sondern aus prinzipiellen: wofür ist das Verbotsverfahren im Grundgesetz denn sonst da? Das ist hier inzwischen so, als wüsste man, dass jemand ein Mörder ist aber man bringt ihn trotzdem nicht vor Gericht.

Ansonsten kann ich dir moralisch überall zustimmen und ich rege mich selbst oft genug darüber auf, was das alles für Arschlöcher sind. Nur hilft das halt leider nicht weiter.

Wenn wir kein Verbot kriegen (und selbst wenn wir eins kriegen) und weiter in einer Demokratie leben wollen, dann müssen wir Lösungen finden für dieses Problem. Und den Leuten vorzuwerfen (berechtigterweise), dass sie Rechtsextreme wählen, das hilft erwiesenermaßen genauso wenig wie „inhaltlich stellen“.

In dieser Hilflosigkeit will ich nicht verharren, deshalb habe ich versucht in diesem Thread zu beschreiben, was ich für die ursächlichen Probleme halte - weil es mir nicht plausibel erscheint, dass allein der Rassismus ausreicht eine Partei im Osten auf bald 40% hochzuschießen, wenn wir Rassismus sicher schon immer hatten - und rechtsextreme, populistische Parteien auch.

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Ich würde nicht unterschreiben, dass das unveränderlich und gleichbleibend ist. Rassismus kann eher latent-unterschwellig oder manifest-offensichtlich sein, und welche Form er annimmt macht zumindest für davon betroffene einen massiven Unterschied.

Auch halte ich es nicht grundsätzlich für ausgeschlossen, dass der „Arschloch-Quotient“ (um es mal von Rassismus auf andere Aspekte wie Misogynie etc zu erweitern) reduziert werden kann. Anders fällt zumindest mir es schwer, gesellschaftlich ja unübersehbare Fortschritte wie gleichgeschlechtliche Ehe, Gleichstellung der Frau etc. zu begreifen.

Ich glaube allerdings, dass diese Prozesse sehr lang dauern können und über Jahrzehnte passieren. Und ich denke, dass ein unterschätzter Faktor die soziale Akzeptanz ist: wenn Rassismus öffentlich und in der peer group systematisch geächtet wird, dann drängt das langfristig auch diese Einstellungen zurück, weil die Reproduktion ohne regelmäßige Aussprache & Wiederholung schwerer fällt. Wir drohen gerade, diese Ächtung zu verlieren - und das dreht die Spirale in die andere Richtung.

Wie man diese gesellschaftlichen Konsense wieder herstellt um die Entwickung in die richtige Richtung zu leiten, das steht auf einem anderen Blatt - und ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung.

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Aktuell in den Nachrichten klingt insbesondere im Zuge der Koalitionsverhandlungen durch, das es speziell innerhalb der CDU Stimmen gibt, die sich für Verhandlungen mit der AfD aussprechen, weil diese ja von einem signifikanten Teil der Wahlbevölkerung demokratisch gewählt sei.
So das Zitat einer CDU-Politikerin heute, deren Namen ich wieder vergessen habe.

Wird also mangels Verbotsmöglichkeiten der AfD nun doch auf Kooperation subtil oder offen hingearbeitet?

Ob da alle Beteiligten wissen was sie tun?

//Edit: der Beitrag ist als Antwort auf Flixbus aufgehängt, richtete sich aber an @Broesel - tut mir leid, mein Fehler.

Ich würde mich hier anschließen mit der Anmerkung, dass wohl alles gesagt ist. Wir sind nach meinem Eindruck einfach unterschiedlicher Auffassung und mir sind offen gesagt einige deiner Analysen zu sehr an der Oberfläche, basieren zu sehr auf dem sicht- und sagbaren - und das ist meiner Erfahrung nach selten die wirkliche Erklärung dafür, wie die Dinge sind.

Dass ökonomische Faktoren eine starke Rolle spielen wurde denke ich aus der verlinkten Studie deutlich. Ich erkenne an, dass einige meiner Positionen auch eher persönliche Einschätzungen als wissenschaftliche gehärtete Erkenntnisse sind. Ich spreche enorm viel mit Menschen aus diesem Spektrum, möglicherweise färbt das mein Bild.

So oder so habe ich nicht den Eindruck, dass wir hier noch produktiv diskutieren. Es läuft inzwischen eher auf den Kampf um die Interpretation hinaus, da bin ich nicht der größte Fan für.

Danke für das Gespräch an alle, ich habe viel gelernt!

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Ich würde dann zeitnah schließen hier.

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Kann es sein, dass der Antwortpfeil wegen „mich anschließen“ an @Flixbus geht, der Rest aber nicht an ihn, sondern an @Broesel gerichtet ist? – Falls ich mit meiner Annahme richtig liege, kannst du den Beitrag ja noch entsprechend überarbeiten, falls nicht, muss ich nochmal alles durchlesen …

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Ich bin ganz sicher, dass da nicht alle Beteiligten wissen was sie tun - das ist überall sonst im Leben meiner Erfahrung nach jedenfalls so. :smiley:

Wirklich schwer nachzuvollziehen ist für mich allerdings immer wieder, dass selbst die glasklarsten wissenschaftlichen Erkenntnisse (z.B. „nachmachen hilft dem Original“) so konsequent ignoriert werden. Und zwar nicht nur von Politiker*innen/Parteien, denen man vielleicht selbst ein rechtsoffenes Weltbild attestiert, sondern ja auch von den Mitte-Links/Progressiven.

Es fühlt sich ein bisschen so an als würde man jemandem mit Sehschwäche der permanent ohne Brille Auto fährt jeden Tag sagen, dass er damit wahrscheinlich einen Unfall bauen wird, er hat auch schon drei Unfälle deshalb hinter sich - aber er fährt weiter ohne Brille Auto.

Das ist mir viel unerklärlicher als das rechts blinken einiger.

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