Ich habe auch immer dafür argumentiert, schwere Straftäter - wenn möglich - abzuschieben, obwohl ich sonst deutlich für Migration bin. Der Grund ist recht simpel: Ich ziehe da die Parallele zu den Diskussionen über Polizeigewalt. Wir regen uns - mit gutem Grund - darüber auf, wenn die Union sich pauschal vor alle Polizeibeamten stellt und teilweise aktiv verhindert, dass „Problembeamte“ ausgesondert werden können, z.B. indem eine Kennzeichnungspflicht auf Demonstrationen oder auch nur in Seehofer-Manier eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Polizeigewalt verhindert wird. Wir argumentieren als Linke hier auch relativ klar damit, dass es wichtig ist, diese Problembeamten zu bekämpfen, damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei erhalten bleibt, damit die Polizei Rückhalt in der Bevölkerung hat. Problembeamte im Dienst zu halten ist ein Bärendienst für alle aufrichtigen Polizeibeamten.
Exakt diese Logik gilt auch bei Flüchtlingen. Wir sind in der Flüchtlingspolitik auf die allgemeine Akzeptanz der Bevölkerung für Flüchtlinge angewiesen. Jede einzelne schwere Straftat beschädigt diese Akzeptanz, zum Nachteil aller Flüchtlinge, von denen eben der absolute Großteil keine schweren Straftaten begeht. Die Problemfälle auszusondern dient auch hier dazu, die Normalfälle vor pauschalen Verurteilungen zu schützen. Niemand (außer der direkten Opfer) leidet stärker unter diesen Problemfällen als die „ganz normalen Flüchtlinge“, jeder dieser Problemfälle erweist allen Flüchtlingen in Deutschland einen Bärendienst. Und genau deshalb müssen wir um Flüchtlinge insgesamt zu schützen, die Problemfälle bekämpfen, ebenso wie wir um die Institution Polizei insgesamt zu schützen die Problemfälle dort besonders ernst nehmen müssen. Und das bedeutet: Wenn es die Möglichkeit zur Abschiebung schwer straffällig gewordener Flüchtlinge gibt, sollte die auch genutzt werden.
Ich denke, wir sind uns alle einige, dass wenn Menschen abgeschoben werden müssen, diejenigen, die abgeschoben werden sollten, nicht diejenigen sein sollten, die sich gut integriert haben, nur, weil sie gerade deswegen „leicht abschiebbar“ (da leicht auffindbar und kooperativ) sind. Natürlich kann man über die Frage streiten, ob überhaupt Menschen abgeschoben werden müssen. Das Problem bleibt aber: Wenn wir uns schützend auch vor die schweren Straftäter stellen stärken wir damit vermutlich Parteien, die gegen alle Flüchtlinge vorgehen wollen (wie die AfD und die Union), wir tun damit den anderen Flüchtlingen keinen Gefallen.
Der Punkt, der häufig dagegen vorgebracht wurde, dass dies eine Doppelbestrafung sei, ist dabei nicht durchschlagskräftig. Derartige Doppelbestrafungen kennen wir auch aus anderen Bereichen, z.B. wenn der Buchhalter mit Sicherheit seinen Job verlieren wird, wenn er im privaten Bereich wegen schweren Betrugs verurteilt wird, der Beamte seinen Job verliert, wenn er zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt wird, der Arzt seine Zulassung verliert, wenn er bestimmte Straftaten (darunter auch Betrug) begeht usw. usf… diese Dinge sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, daher: Wenn klar ist, dass jemand wegen einer schweren Straftat abgeschoben werden wird (und mit einem Einreiseverbot belegt wird) wäre es logisch, die verhängte Haftstrafe (wie auch bei Beamten üblich) geringer anzusetzen. Daher: Statt 6 Jahre gibt’s dann halt nur 3 Jahre, aber dafür geht’s aus dem Strafvollzug direkt in die Abschiebung. Kurzum: Dem Vorwurf der Doppelbestrafung kann man - wie in allen ähnlichen Bereichen auch - auf der Strafzumessungsseite begegnen. Dafür sprechen letztlich auch ökonomische Gründe, auch wenn diese nicht handlungsleitend sein sollten.
(Das alles gilt natürlich nur, wenn eine Abschiebung auch rechtlich und technisch möglich ist)