Ich hätte auch nie gedacht, dass ich Volker Wissing einmal loben würde, aber seinen Austritt aus der FDP finde ich bemerkenswert und sehr positiv. Auch wenn niemand das Gefühl hatte, dass er seine Arbeit gut gemacht hat (und man sich fragt, ob alle Verkehrsminister an ihren Sesseln „kleben“), habe ich Hochachtung vor seiner Entscheidung und finde gut, dass er zu einer gewissen Kontinuität in der Regierung beiträgt und ein Zeichen setzt. Wer weiß, wie sehr er in seiner Amtszeit von Platzhirsch Lindner eingeschränkt war.
Ich habe auch größten Respekt vor der Entscheidung und denke das dieses Land ihm wirklich am Herzen liegt.
Es gab vor ein paar Jahren auch ein Interview bzw. Portrait über ihn.
https://twitter.com/bertpsch/status/1854495959402664204
Ich habe mir die Lage dazu angehört. Das Bild des „noblen staatstragenden Ehrenmannes Wissing“, der von Lindner in eine schlechte Richtung gepusht wurde, überzeugt mich nicht und ist sehr durch eine bestimmte Sichtweise auf die FDP geprägt.
Ich habe mir die Lage dazu angehört, aber ehrlicherweise gibt es für die Zuschreibung „mutig“ ebenso keinen Beleg. Es ist halt eine Zuschreibung und jeder sieht das, was er gerne sehen möchte, oder?
Aber ich muss meinen Hut vor Wissing ziehen - es ist natürlich ein cooles Narrativ für Wissing und damit hat er offensichtlich in bestimmten Lagern für ein gutes Standing gesorgt, dass ihm in Zukunft nutzen wird - sicherlich mehr als wenn er in der FDP bleiben würde, die ehrlicherweise wenig Zukunft hat.
Mal ganz wertfrei - schlauer Move von ihm, muss man schon anerkennen. Unter unseren Podcasthosts und hier im Forum hat er schon Fans gewonnen, das spricht ja für den Erfolg seines Manövers.
Ich weiß nicht ob es in einem anderen Forum schon geschrieben wurde, aber die Entlassung der FDP Minister ist in der LdN 405 falsch dargestellt worden.
Scholz hat nur Lindners Entlassung beantragt.
Die anderen zwei FDP Minister haben um ihre Entlassungen gebeten. Scholz hat sie nicht von sich aus entlassen!
Das ist ein sehr wichtiges Detail, weil Scholz damit klar zum Ausdruck bringt, dass er nur Lindner das vertrauen entzogen hat.
Ich stehe diesem Wissing-Hype auch etwas skeptisch gegenüber. Ich kenne den Mann nicht und weiß nicht, was seine Motive waren - und ich vermute mal, dass es den allermeisten Menschen, die gerade über ihn reden, sehr ähnlich geht. Vielleicht hat er auch einfach in der FDP keine Zukunft mehr (für sich) gesehen, vielleicht hatte er noch eine Rechnung mit Lindner offen und hat einfach eine gute Gelegenheit wahrgenommen, dem richtig einen zu verpassen - who knows?
Ich finde es auch übertrieben, einen Mann, der ja nicht zufällig in dieser FDP war und für diese Minister wurde und der jetzt gelinde gesagt nicht gerade für eine besonders fortschrittliche Verkehrspolitik steht, auf einmal über den grünen Klee zu loben, nur weil er sich entschieden hat, mit seiner bisherigen Partei zu brechen und für ein paar Monate einer Minderheitsregierung anzugehören. Denn das hat er de facto gemacht, nicht mehr und nicht weniger. Die zum Teil gepflegten moralischen Schwarz-weiß-Bilder (Lindner böse, Wissing gut), passen m. E. eher zu einem Hollywoodfilm als zu einer guten politischen Analyse.
Vor 35 Jahren haben wir solche Menschen als Wendehälse bezeichnet. Seit 26 Jahren bei der FDP und dann das einfach austreten und weitermachen? Wenn er angeblich durch CL ausgebremst wurde, warum hat er dann durchgezogen? Also erst Parteisoldat und dann Deserteur.
Das haben wir aber auch nicht anders gesagt. Bitte korrekt zitieren!
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„Der Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Bundespräsidenten gebeten den Bundesfinanzminister Lindner zu entlassen. Auch andere FDP Minister mussten gehen.“
Richtig hätte es heißen müssen, meiner Meinung nach, Auch andere FDP Minister sind zurückgetreten. Oder Auch andere FDP Minister haben um ihre Entlassung gebeten.
Bei euere Formulierung klingt es, als ob Scholz um ihre Entlassung den Bundespräsidenten gebten hat.
Hat er ja auch Steht so im Grundgesetz - der Bundespräsident entlässt auf Wunsch des Kanzlers.
Wir haben nicht behauptet, dass er das von sich aus getan habe.
Bitte schenkt euch solche Kommentare. Wir machen genug echte Fehler, da müsst ihr nicht noch welche erfinden.
Danke. Das ist tatsächlich die richtige Formulierung, die in den anderen Berichten vereinfacht dargestellt wurden.
Da wird auch die Formulierung von Volker Wissing klarer.
Denn er musste sich ja an den Kanzler wenden und um seine Entlassung bitten. Worauf „mich der Kanzler bat“ weiter Minister zu bleiben.
Edit: „durften gehen“ oder „der Kanzler und der Bundespräsident kamen ihrer Bitte nach“ wäre dann vielleicht noch präziser.
Auch wenn es zu Beginn ein wenig unglücklich formuliert gewesen sein sollte, wollen wir uns doch hier nicht mit Besserwisserei beschäftigen, oder? Habt ihr sonst keine Probleme?
In der Lagefolge kommt die Situation klar zur Geltung.
Ein Podcast ist wie ein Gespräch. Vielleicht könnten wir aufhören, einzelne Wörter auf die Goldwaage zu legen.
„Müssen“ ist ein weiter Begriff. Wie man an Wissing sieht, mussten die Minister tatsächlich gegen (gehen, später verbessert), wenn sie in ihrer Partei bleiben wollten. Es gibt insoweit erheblichen Druck. Müssen ist also noch nicht mal falsch.
Volker wurde einfach vom Christian unter falscher Flagge in der Regierung belassen, denn irgendjemand muss schließlich die Freiheit unserer Porschefahrer verteidigen. Die Autobahn - das wichtigste Kulturgut Deutschlands - kann man ja nicht einfach Rot-Grün überlassen. Nicht auszudenken, wenns am Ende doch noch zu einer Verkehrswende kommen würde.
Ich glaube nicht, dass ihm das gerecht wird. Erhellend könnte das Interview auf tagesschau.de sein:
Wissing im Interview: "Das macht unser Land nicht stärker" | tagesschau.de
Wissing: Das ist ein schwerer Schritt. Aber am Ende war es nicht möglich, im Regierungsamt zu bleiben und gleichzeitig Parteimitglied zu sein, ohne dass ich eine Belastung für meine Partei geworden wäre. Ich konnte mich aber auch nicht gegen das Regierungsamt entscheiden, weil nach meiner tiefen Überzeugung immer zuerst das Land kommen muss und dann die Partei.
Ich bin und war kein Fan von Wissing, aber halte es für durchaus glaubhaft, dass er vom Typ her in seiner Position geblieben ist, weil er es als seine Pflicht angesehen hat. Trotz div. Probleme mit Lindner. Ebenso hat er es als seine Pflicht angesehen, nun nach Bitten des Kanzlers weiterzumachen. Es gibt weitere Hintergrundartikel dazu, in denen u.a. berichtet wird, dass er tief religiös ist etc. Von Deserteur oder gar Wendehals zu sprechen finde ich in dem Kontext unpassend. Im Gegenteil ist er ja kein Wendehals, sondern steht zu seinen persönlichen Überzeugungen.
Er hat hier m.E auch keinerlei persönlichen Vorteil. Seine politische Karriere ist vorbei - wäre sie ggf. nicht direkt gewesen bei Rücktrittsersuchen und Verbleib in der FDP. Bleibt noch „Lindner eins Auswischen“ als Motiv, das mag mit eine Rolle gespielt haben, aber ich glaube sein - wie auch immer man es bewerten mag - Pflichtgefühl hat hier alles überwogen. Ehrlich gesagt finde ich das insg. durchaus respektabel, und das sage ich als jemand, der das Ministeramt gerne bei jemand anderem gesehen hätte.
Genau das ist hat falsch dargestellt.
Wenn ARD, Spiegel, Stern, Welt usw. korrekt berichtet haben, dann ist die Situation wie folgt gewesen.
Scholz bittet Steinmeier um die Entlassung Lindners
Scholz führt mit allen drei anderen FDP Ministern Einzelgespräche mit der Bitte in der Regierung (Ministeramt) zu bleiben.
Alle drei Minister erbitten sich Bedenkzeit. (Zu diesem Zeitpunkt wurde Lindner schon bei Steinmeiers Entlassung schon übermittelt).
Zwei der drei Minister haben dann erst am nächsten Morgen um ihre Entlassung gebeten (bei Scholz, welcher dem Wunsch entsprach).
Wissing hat dem Bitten von Scholz entsprochen. Weil er, Wissing, keinen Rückhalt für sein Handeln in den FDP Reihen gefunden hat, ist er freiwillig ausgetreten. Laut Aussage Wissings kam kein Druck aus der Partei für seinen Austritt (Quellen: ARD, Spiegel und wahrscheinlich noch andere Medien, die ich jedoch nicht gelesen habe).
Es geht hier nicht um die Goldwaage, sondern zeigt vielmehr, dass Scholz eigentlich probiert hat die FDP an Bord zu halten! Das unterstreichen auch Habecks Äußerungen.
Diese Abfolge ist für den komplette Zusammenhang sehr wichtig, meiner Meinung nach, da es mehrere Fragen und Erkenntnisse aufwirft.
- Warum hat Scholz überhaupt probiert die anderen FDP Minister zu halten?
- War Lindner vielleicht doch isolierter in seinem Vorgehen, als er es darstellt (andere Minister)?
- Welche Rolle haben die Bundestagsfraktionen in diesem Zusammenhang gespielt?
Es erklärt ebenfalls die doch sehr persönliche Rede von Scholz gegenüber Lindner.
Das wollte ich eigentlich damit herausarbeiten. Besonders ist für mich, dass Scholz & Habeck wohl wirklich bemüht war die Ampel nicht zu sprengen/ am Leben zu halten! Das finde ich halt sehr fasznierend und zu stark unterbeleuchtet.
Ich muss da jetzt doch mal einen deutlichen Kontrapunkt zu Wissing setzen.
Lasst Ihr Euch nicht alle kurzfristig blenden?
Vielleicht hat er aus einer tollen Haltung heraus gehandelt.
Vielleicht ist es aber auch nur Opportunismus?
Vielleicht ist er ja nur die Ratte, die das sinkende Schiff verlässt und sich selber rettet?
Muss man nicht die ganze politische Person und sein Handeln im Amt sehen?
Für mich ist das alles ein bisschen zu viel Heiligsprechung bei Wissing.
Schon vergessen dass es Wissing war,
- der sich mehrfach (rechtswidrig !!) Sektorzielen beim Klimaschutz verweigert hat ? Die Lage berichtete.
- der wahrheitswidrig behauptet, die Bahn sei ausreichend finanziert (kann ich aus eigener Anschauung widerlegen) ?
- der nach derzeitiger Sachlage dafür verantwortlich ist, dass Länder SPNV abgestellen werden (Stichworte: Eigenkapitalrendiete der Infrastruktur, Anhebung Trassengebühren Novellierung Allgemeines Eisenbahngesetz fehlt) ? Die Lage berichtete,
Was außerdem medial unterbelichtet ist: das Sanierungskonzept der Bahn, genannt S3. Die Bahn soll in drei Jahren saniert werden. Es soll jetzt in drei Jahren geschafft werden, was in fünf Jahren schon nicht geschafft wurde. Das Programm hieß „Starke Schiene“ und begann 2019. Wissing führte in Gemeinschaft mit dem Bahnvorstand die Öffentlichkeit hinters Licht, indem er die Sanierung innerhalb von drei Jahren verspricht. Das ist vollkommen unmöglich. Ich kann nicht 200 Stellwerke in drei Jahren ersetzen. Es geht nicht! Dieses Urtiel darf ich mir erlauben, weil ich vom Fach bin. Solche Projekte dauern länger, das ist einfach so. Für diese Täuschung habe ich wirklich null Toleranz.
Eine Heiligsprechung kann ich hier nirgends erkennen.
Allenfalls die Anerkennung dafür, dass Herr Wissing die übernommene Aufgabe in diesem entscheidenden Moment ernst nimmt und sich in Sachen Kompromissfähigkeit und Regierungsverantwortung klar von seinem Parteichef abgegrenzt hat. Wohl wissend, dass das wenig karrierefördernd sein dürfte. Nicht mehr und nicht weniger.
Den suggestiven Vergleich zwischen Ratten und Politikern finde ich ziemlich unappetitlich.