Rein juristisch gesehen - okay.
Moralisch gesehen bliebe eben die Frage, ob „unser“ Reichtum und „deren“ Armut nicht doch irgendwie zusammen hängen, und hier lautet die Antwort auch ohne großer Anhänger postkolonialer Theorien zu sein recht klar: Ja, natürlich ist das kapitalistische System so ausgelegt, dass die finanzstarken Länder des globalen Nordens profitieren. Auch von der Armut im globalen Süden. Irgendwer muss, damit wir in Luxus leben können, eben die billigen Rohstoffe aus der Erde holen und die billigen T-Shirts nähen.
Und hier verläuft eben der Graben zwischen Konservativen und Progressiven. Die Konservativen bestreiten diese Zusammenhänge und wollen es so aussehen lassen, als sei unser Reichtum einzig unser Verdienst und die Armut in den Fluchtländern einzig auf deren Unfähigkeit, Faulheit oder was auch immer zurück zu führen. Die Progressiven erkennen an, dass die Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa drängen, durchaus einen legitimen moralischen Claim haben, an unserem Wohlstand teilhaben zu wollen.
Klar, aber sind wir doch mal ganz ehrlich:
Einen wirklich angemessenen Ausgleich, der mehr als ein „Tropfen auf den heißen Stein“ ist, wird es hier nie geben. Der globale Norden versucht sich ja gerade deshalb wie eine Festung gegen Migration aus dem Süden abzuschotten, damit es keinen Ausgleich gibt, damit weiterhin nur „wir“ „unseren“ Luxus genießen können und nicht „die“ aus dem Süden. Im Rahmen dieser Logik wird es auch dabei bleiben, dass wir allenfalls Brotkrumen in Form von Entwicklungshilfe in den Süden schicken, um das Leid dort so weit zu mindern, dass der Leidensdruck nicht mehr so groß ist, dass sich Unmengen auf den Weg nach Europa machen. Aber um Fairness und Gerechtigkeit geht es dabei eben nicht, es geht im Gegenteil um Erhaltung des für uns vorteilhaften Status Quo zum niedrigst-möglichen Preis. Ich bin folglich voll dafür, die Not in den Herkunftsländern durch massive wirtschaftliche Ausgleiche zu bekämpfen, aber mir ist absolut klar, dass sich dafür weder in Deutschland, noch in einem anderen Land des globalen Nordens, Mehrheiten finden lassen. Und das „Beruhigen“ der Migrationssituation durch Brotkrumen, wie es seit Jahrzehnten praktiziert wird, halte ich für moralisch ebenso fragwürdig wie die Abschottung, die neuerdings im Vordergrund steht.