LDN 399 Polizei solle Gesichterkennung nicht nutzen

Ich muss sagen, ich kann der Argumentation die von Philip bei 1:28:00ff der Lage getroffen wird, nicht zustimmen:

(sinngemäße Zusammenfassung)
Philip baut hier erst das Argument auf „man könnte ja argumentieren, dass die Datenbanken zur Gesichtserkennung jetzt in der Welt sind und nicht mehr weggehen und daher die Strafverfolgungsbehörden diese nutzen können sollten“
und antwortet darauf dann mit
„Selbst wenn man davon aussgeht, dass die Datenbanken nicht mehr weggehen, muss man ja trotzdem nicht den deutschen Polizeibehörden erlauben diese Technik zu nutzen. Man kann ja trotzdem sagen ‚unsere Polizei, unsere Geheimdienste dürfen so etwas nicht nutzen.‘“

Also da kann ich nicht mitgehen. Um es vorweg ganz deutlich zu sagen: Ich bin absolut dagegen, dass Polizeibehörden derlei Datenbanken nutzen dürfen!

Aber die Antwort darauf, dass das Problem in der Welt ist, müsste doch eine Regulierung dahingehend sein, dass die Nutzung solcher Datenbanken (in der EU) für alle Menschen verboten ist und nicht, dass nur die Strafverfolgungsbehörden diese Datenbanken nicht nutzen dürfen, oder nicht? Wie sähe denn eine Welt aus, in der wir nur den Strafverfolgungsbehörden verbieten, derlei Technologie zu benutzen, aber den Privatanwendern nicht? Da kursiert dann nach einem Kapitalverbrechen ein Foto und die Polizei sucht mit herkömmlichen Methoden nach den Verdächtigen/Zeugen die dort zu sehen sind, während Hans und Franz per Datenbanksuche nach einer Minute bereits Namen und Anschrift der Person ermittelt haben? Was würde das denn auch mittelfristig für das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden bedeuten, wenn sie ständig hinterhinken, weil sie im Gegensatz zu allen anderen Akteuren (bspw. Journalisten) bei der Technologienutzung gehandicapped sind?

Vielleicht habe ich die Aussage an der Stelle auch falsch verstanden, aber ich halte „diese Technologie nur für Strafverfolgungsbehörden verbieten“ für keinen sinnvollen Ansatz. Daher müsst aus meiner Sicht die Technologie entweder für alle in der EU verboten werden (damit auch die Arbeitgeber nicht mehr sehen können, auf welcher Demo ich war), oder - mein weniger präferierter Weg - für alle erlaubt sein (für die Behörden, dann trotzdem mit ganz erheblichen Leitplanken). Aber nur die Strafverfolgungsbehörden von der Nutzung zu exkludieren ist mMn keine sinnvolle Lösung, denn auch wenn diese auf keinen Fall übermächtig werden sollen, sollten man sie auch nicht zum einzigen Blinden in einem Raum voller Sehender degradieren.

(Ich bin jetzt kein Techwiz, der wüsste, wie man ein EU-weites Verbot sinnvoll umsetzen kann. Was ist mit VPN Nutzung? Was ist wenn ich nen amerikanischen Privatdetektiv engagiere der solche tools benutzt und mir am Schluss eine Antwort auf meine Frage liefert, von der ich nicht weiß, wo sie herkommt? etc Also mir ist bewusst, dass ein EU-weites Verbot da nicht problemlos wäre, aber zumindest könnnte erstmal niemand bei X posten, dass er den Tatverdächtigen XY durch Gesichtserkennung Z schon identifiziert hätte, während die Polizei im dunkeln tappt - denn das wäre dann illegal)

Nach meinem Verständnis geht es nicht darum, dass die Polizei die beiden kommerziellen Datenbanken nutzen soll, die beliebigen Fotos von Menschen im Internet mit sensiblen, personenbezogenen Daten kombinieren und diese Hinz und Kunz zum Abruf auf Basis eines hochgeladenen Fotos anbieten.

Hier geht es offenbar darum, dass der Staat selbst eine solche Datenbank anlegen soll. So jedenfalls verstehe ich den Kommentartor aus dem Heiseverlag, auf den die Hosts verlinken:

Quelle:

Wo hast du das her? in dem Text den du zitierst steht es so nicht drin. Da steht nur „Wie das im Einzelnen genau funktionieren soll, darüber schweigt sich der Gesetzentwurf aus“.

Aber aus dem Kontext dessen was in der Lage gesagt wurde, habe ich es definitiv so verstanden, dass sich die Kritik auch gegen die Nutzung der existierenden kommerziellen Datenbanken durch die Polizei richtet.

Aber das würde schon ein komisches Machtgefälle erzeugen, wenn Privatpersonen mit der Nutzung privater Gesichtserkennungsdatenbanken jederzeit Personen identifizieren könnten, aber Ermittlungsbehörden nicht.

Könnte allerdings auch zu ganz neuen Industriezweigen führen. Die Polizei kann ja heute schon Belohnungen für Hinweise, die zur Ergreifung von Tätern führen, ausschreiben. Dann könnten ich eine Firma gründen, die die Bilder von gesuchten Personen durch die Datenbank jagt, die Ergebnisse ausdruckt, der Polizei per Fax zuschickt und dann die Belohnung kassiert.

Da an der Stelle im podcast explizit die bereits in Amerika existierenden Datenbanken genannt werden, klang die aussage an genannter Stelle für mich danach, dass auch die bestehenden nicht genutzt werden dürfen sollen.

Das wird schlechterdings nicht gehen. Auch deren Nutzung verstößt sehr wahrscheinlich gegen Datenschutzgesetze und die Gesetzentwürfe ändern daran nichts.

Unabhängig von dieser Frage hier noch eine interessante Quelle:

Ja wenn man das tatsächlich so umsetzt, gibt es einfach einen gigantischen Raum für merkwürdige Entwicklungen und rechtliche Grauzonen. Was ist bspw. auch mit den hinweisen ausländischer Behörden / Geheimdienste, die umgänglich Gesichtserkennung nutzen dürfen? Dürften die deutschen Behörden solche Hinweise dann nicht verwenden (und wie realistisch wäre das)? Oder entsteht dann einfach ein großer Verschiebebahnhof für solche Informationen, die im Ausland akquiriert werden, um an die deutschen Behörden weitergeleitet werden?

Und die Polemik sei mir gestattet: Darüber dass unser Staat eine solche Datenbank anlegen mache ich mir keine Sorgen. Wenn der was mit IT baut, dann dauert das eh ewig und drei Tage (Studentencoronahilfe, Klimageldauszahlung, etc.)

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Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich auf ein Sicherheitspaket geeinigt, das unter anderem die Nutzung von Gesichtserkennung umfasst. … Die Gesetzesentwürfe sollen jedoch noch überarbeitet werden, insbesondere in Bezug auf Migration, neue Ermittlungsbefugnisse für Sicherheitsbehörden und das Waffenrecht, da es bei einer Anhörung im Bundestag erhebliche Kritik gegeben hatte[2].

Ein zentraler Punkt ist, dass die Polizei künftig Fotos von Verdächtigen mit allgemein zugänglichen Internetdaten abgleichen darf. …

Die Grünen betonen, dass sie Verbesserungen erreicht haben, wie die Beschränkung neuer Befugnisse auf schwerste Straftaten und eine stärkere Beteiligung der Bundesdatenschutzbeauftragten[2].

Der biometrische Abgleich mit Internetdaten bleibt im Gesetz vorgesehen, jedoch unter strengeren Auflagen. So darf das Verfahren nicht gegen Personen eingesetzt werden, von denen keine Gefahr ausgeht. Zudem dürfen BKA und andere Behörden nur mit Anbietern im Schengen-Raum zusammenarbeiten, um den Datenschutz zu gewährleisten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser begrüßte die Einigung als Stärkung der inneren Sicherheit[2].

https://www.golem.de/news/gesichtserkennung-ampel-einigt-sich-auf-sicherheitspaket-2410-189763.html