LdN 399: Brandenburg Wählerwanderung

Die Lage-Ausgabe 399 diskutiert das Wahlergebnis der Landtagswahl in Brandenburg. Ein größerer Abschnitt dieser Diskussion widmet sich der Wahlkampftaktik der SPD, welche mit dem Slogan „Wir oder die AfD“ zusammengefasst wird. Diese Taktik scheint erfolgreich gewesen zu sein, da die SPD nun als größte Fraktion mit einem Stimmenzuwachs gegenüber der letzten Wahl in den Landtag einzieht.
Allerdings wird der Vorwurf erhoben, dass die SPD nur Stimmen aus dem demokratischen Lager umverteilt hätte, aber keine Stimmen von der AfD zurückgewonnen hat. Das hat dazu geführt, dass Grüne und Linke an der 5% Hürde scheitern, deren Stimmen ungültig werden und die AfD die Sperrminorität erhält. Außerdem ist die bisherige Kenia Koalition nicht mehr möglich.
Faktisch ist das richtig, gerade die Wählerwanderung von Grünen zu SPD ist deutlich in den Analysen z.B. der Tagesschau zu sehen.
Allerdings finde ich diesen Vorwurf aus zwei Pukten unfair.
Zum einen hat die AfD in beinahe allen Wahlen der vergangenen Jahre Stimmen hinzugewonnen. Daher hat in diesen Wahlen unter dem Strich niemand Stimmen von der AfD zurückgewinnen können. Folgerichtig muss jeder Wahlsieger der letzten Jahre Stimmen aus dem demokratischen Lager für sich gewonnen - und damit den anderen weggenommen - haben.
Zum anderen hätte die SPD sowieso schlechte Aussichten gehabt, Wähler:innen der AfD auf ihre Seite zu ziehen. Der Abschnitt der Lage-Folge, der die Gründe für das Wählen der AfD beleuchtet, stellt eine Studie vor, die die Motive der AfD Wähler:innen erforscht. Daraus geht hervor, dass 97% dieser Personen nicht-arbeitende migrantisch-gelesene Personen abgeschoben haben wollen. Diese Forderung kann die SPD gar nicht erfüllen selbst wenn sie wollte, wie in vorherigen Lage-Ausgaben stichhaltig herausgearbeitet wurde. Man könnte sogar sagen, dass sie es mit Einführung der Grenzkontrollen in den letzten Wochen versucht hat. Dieser Wunsch müsste eher andersherum erfüllt werden: allen müsste das Arbeiten erlaubt werden. Das erfordert aber Reformen auf Bundesebene, wäre also kein passendes Thema für einen Landtagswahlkampf.
Natürlich führt das Ergebnis der Landtagswahl nun zu einer schwierigen Situation - eine große Koalition scheitert um einen Sitz und die AfD hat eine Sperrminorität. Diese Situation aber mit einer solchen Deutlichkeit wie in der betreffenden Lage-Folge der SPD anzuhängen, finde ich vor allem deshalb übertrieben, da die Lage-Folge direkt danach anhand einer soziologische Studie Ansätze präsentiert, um Wähler:innen, die nicht zum harten rechtsextremen Kern der Partei gehören, für das demokratische Spektrum zurückzugewinnen. Letztendlich geht es um Verteilungskämpfe, die zwischen reichen und armen Menschen geführt werden müssen, nicht zwischen verschiedenen Gruppen armer Menschen. Das ist aber nicht innerhalb eines Wahlkampfes zu erreichen, der ohnehin nur Versprechungen machen kann. Es müssen zuerst Gesetze verabschiedet werden, um Geld von obszön reichen Menschen (dazu kann ich die neuesten Folgen der „Neuen Zwanziger“ inklusive Salon empfehlen) zu den ärmeren umzuverteilen. Erst dann können glaubwürdige Wahlkämpfe geführt werden, die im großen Stil Stimmen von der AfD zurück gewinnen. Wie in der Lage-Ausgabe diskutiert wird, muss dafür der Diskurs jedoch grundlegend verändert werden. Soziale Themen dürfen nicht dem BSW überlassen werden, während die anderen Parteien, von der AfD getrieben, komplett fruchtlose Abschiebe-Debatten führen.

Das stimmt schon mal nicht. Denn du lässt die vormals Nichtwählenden außen vor.

Die rechtsextreme AfD hat auch in Brandenburg mit weitem Abstand die größten Zugewinne aus dem Nichtwählenden-Reservoir:


Folglich ist dieses Potenzial größer als die Abwanderung von allen anderen demokratischen Parteien zusammengenommen.

Was alles über die Fremden-/Ausländerfeindlichkeit, sprich: den Rassismus, der AfD-Wählenden sagt.

Das geht aus der entsprechenden Studie genau nicht hervor:

Auf welche Empirie stützt du deine Hypothese, dass AfD-Wählende an mehr Umverteilung interessiert wären? Dafür gibt es nach meiner Kenntnis keinen seriösen Beleg.

Leseempfehlung:

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