Hey,
ich habe doch sehr gestutzt und dachte erst ich hab mich verhört, aber auf welcher Basis wird Yoav Gallant, der israelische Verteidigungsminister, als Rechtsextremist dargestellt?
Er wird in den Medien, die ich sonst so sehe, als eher einer der gemäßigten Likud’ler an der Regierung eingeschätzt und war sogar rund um die Justizreform in klarer Opposition zu Netanjahu. Woher da bei der LdN da so eine andere Einschätzung? Oder doch nur ein Verwechsler?
Bei Minute 1:23:30 wars glaube ich.
Gallant ist tatsächlich relativ schwer zu bewerten. Auf der positiven Seite steht jedenfalls, dass Gallant sich gegen die Justizreform eingesetzt hat, was ja sogar dazu führte, dass gerade Ben-Gvir Netanyahu aufgefordert hat, Gallant als Minister zu entlassen. Das wollte Netanyahu dann auch, aber massive Proteste haben es verhindert. Das spricht zumindest dafür, dass Gallant kein kompletter Antidemokrat ist.
Gegen ihn spricht jedoch, dass er sehr wenig kompromissbereit im Hinblick auf die ganze Palästinenser-Frage ist. Er ist ein relativ starker Vertreter der israelischen Siedlungspolitik und ein starker Befürworter eines extremen Vorgehens im Gaza-Streifen, als Bildungsminister hat er relativ stark versucht, den israelischen Diskurs einzuschränken (dh. er hat versucht, Meinungen, die nicht pro-jüdisch-zionistisch waren, zu unterdrücken und wollte Organisationen verbieten, die z.B. Israel als Apartheidsstaat bezeichnen, was durchaus weite Teile der israelischen Linken betrifft). Gerade sein Vergleich von Hamas-Kämpfern mit Tieren und seine Weigerung, bei klaren Menschenrechtsverstößen wie Foltervorwürfen einzuschreiten, spricht definitiv für ein Einschätzung als Extremist.
In diesem Sinne bin ich mir auch nicht ganz sicher, ob ich ihn als Rechtsextremist bezeichnen würde, muss aber auch sagen, dass es durchaus nachvollziehbare Gründe gibt, zu diesem Schluss zu kommen. Das Problem ist wohl, dass gerade wir als Deutsche bei „Rechtsextremist“ natürlich vor allem an Nazis denken, und das ist hier nicht gemeint. Gemeint ist hier ein Politiker, der extreme, „rechte“ Politik („rechts“ im Sinne Israels: für Siedlungspolitik, für hartes Vorgehen gegen die Palästinenser usw.) betreibt.
Folglich ein Rechtsextremist.
Wie gesagt, ist definitiv eine vertretbare Meinung. Er vertritt in jedem Fall eine sehr rechte Politik, im deutschen Diskurs wäre, folgt man der Extremismustheorie der Verfassungsschutzbehörden, die Unterscheidung zwischen „Rechtsradikal“ und „Rechtsextrem“ dann aber noch, ob die betreffende Person demokratische Mittel zur Zielverfolgung einsetzt oder letztlich die Demokratie zerstören will, also entweder eine Machtergreifung mit Gewalt („Putsch“) anstrebt oder nach der Machtergreifung anstrebt, die Macht durch undemokratische Mittel zu erhalten (wie die NSDAP damals).
Und da kommt der Aspekt in’s Spiel, dass Gallant gegen die Justizreform war, die als wesentlicher Schritt der Machtsicherung der Netanyahu-Regierung angesehen wird. Da Gallant sich in dem Punkt „demokratietreu“ gezeigt hat kann man bestreiten, ob „Extremist“ wirklich treffend ist. Aber das gilt nur, wenn wir eben den in Deutschland üblichen Diskurs über die Extremismus-Definition auf Israel übertragen. Lässt man dieses Element des „Wie will man es erreichen“ weg und fragt nur nach dem „Was will man erreichen“ kann man Gallant auch als „Extremist“ bezeichnen.
Es bleibt daher dabei: Ich halte die Bezeichnung Gallants als Rechtsextremist in jedem Fall für vertretbar, bin mir aber nicht sicher, ob ich ihn auch als Rechtsextremist bezeichnen würde. Ich denke, ich würde eine geringfügig mildere Bezeichnung wie „rechter Hardliner“ verwenden, aber das ist letztlich sehr von der subjektiven Einschätzung abhängig.
Hey,
Evtl. sind einfach zwei Namen im Podcast durcheinander geraten. Ich vermute, als zweiter rechtsextremer Minister der israelischen Regierung ist Bezalel Smotrich (Finanzen) gemeint, neben Itamar Ben Gvir, und nicht Yoav Gallant.
Ich hab’s mir jetzt auch noch mal angehört, im Kontext des Wortlauts könntest du Recht haben:
„Diese Regierung existiert nur, weil zwei Minister dabei sind, die viele als Rechtsextrem bezeichnen“ deutet darauf hin, dass auf die zwei Regierungsparteien Mafdal (eine rechtsextreme Siedlerpartei, aus der Finanzminister Bezalel Smotrich kommt) und Otzma Yehudit (eine rechtsextreme Partei, aus der Innenminister Ben Gvir stammt) angespielt wird, ohne die diese Regierung nicht zu Stande gekommen wäre, und folglich auch die beiden Minister dieser Parteien gemeint sind.
Die Likud als Netanyahus Partei hätte natürlich von Anfang an einen anderen Verteidigungsminister als Gallant bestellen können, also Gallants Anwesenheit in der Regierung war keine Existenz-Bedingung für die Bildung dieser Regierung. Ich stimme daher zu, dass es sich vermutlich um eine Verwechslung handelt. Gallant würde ich daher weiterhin eher als „rechten Hardliner“ denn als „Rechtsextremist“ bezeichnen, die Bezeichnung „Rechtsextremist“ sollte den wirklich eindeutigen Fällen vorbehalten werden.