LdN 383: Partyszene - Rassismus böse, Sexismus lustig?

Bei aller Empörung über das eklige Gegröle junger Snobs auf Sylt, die ich absolut teile, frage ich mich: Warum schlägt Rassismus bzw. Ausländerfeindlichkeit in der Partyszene (zurecht) hohe Wellen, aber am viel weiter verbreiteten Sexismus mit Texten wie „Geh mal Bier holen, du wirst schon wieder hässlich“ stört sich offenbar kein Mensch? Solche Lieder werden in Deutschland mit Sicherheit jeden Tag geschmettert, wenn Alkohol und Feiern angesagt ist, und Frauen werden mit solchen Texten nicht minder gedemütigt und herabgewürdigt, allen Fortschritten bei der Gleichberechtigung zum Trotz. Ich würde mir wünschen, wenn im Zuge der aktuellen Debatte auch diese Spielart feuchtfröhlicher Diskriminierung mal auf den Prüfstand käme. Oder hat jemand eine Erklärung, warum Sexismus auf solchen Partys in Ordnung ist, Rassismus aber nicht?

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Die Leila-Diskussion haben wir alle schon wieder vergessen?
Und natürlich

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Danke für den Hinweis, die Diskussion um das unsägliche Donaulied hatte ich nicht mitbekommen. Der Artikel zeigt aber ganz gut, dass Sexismus offensichtlich kein Aufreger ist - „man will das den Bands überlassen“. Und meine jüngsten (unfreiwilligen) Erfahrungen zeigen, dass diese Texte auch bei bildungsnahen jungen Menschen leider weiterhin salonfähig sind.

Anekdote zu Laila. Sohnemann hat im letzten Winter Kindergeburtstag gefeiert. 6 Kinder in unserer kleinen Bude. Ein Tagesordnungspunkt der Feier: Stuhltanz (Reise nach Jerusalem), denn da muss man ja nicht viel vorbereiten.

Schnell wurde unsere kindgerecht ausgewählte Musik abgewählt. Wünsche wurden geäußert, allen voran und besonders intensiv: Laila.

Verdutzt schauten meine Frau und ich uns an, kannten wir das Lied doch nur aus der medialen Berichterstattung und hatten daher unsere Vorbehalte.

Nach dem Geburtstag haben wir uns bei den Eltern informiert woher die Kinder das Lied kannten. Es stellte sich bald heraus, dass im Umfeld der Kinder vor allem ältere, bereits pupertierende, Geschwister, Cousins und große Geschwister der Freunde dieses Lied hörten, vermutlich aus Rebellion gegen die Alten und ihre Berichterstattung. Die Kleinen, die den Inhalt des Liedes gar nicht erfassen konnten, sogen das Lied dann scheinbar völlig unreflektiert auf.

Ich habe mich daher gefragt, ob wir solchem Dreck nicht einfach viel weniger mediale Aufmerksamkeit widmen sollten. Denn offensichtlich kann zuviel Diskussion darüber auch zu gegenteiligen Effekten führen. Quasi genauso wie bei einem missglückten NPD/AfD Verbotsverfahren.

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Vor Sylt gab es schon einige Vorfälle mit diesen rassistischen Lied in verschiedenen Kontexten, aber immer in der Party Kontext. Daher wundert mich eigentlich dieser Aufschrei ausgerechnet wegen dem Sylt Video Auftritt.

Seinen Ursprung, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, nahm das Lied auf einem Erntedank Fest letztes Jahr in Bergholz, Mecklenburg Vorpommern. [1]

Dann hat es sich über TikTok und andere Plattformen als Meme, „verbotener Ohrwurm“ und Partylied verbreitet und wurde auch unter diverse Videos gelegt als Tonspur.

Es gab, wie gesagt, bereits viele Vorfälle mit diesem Lied, eigentlich wo immer Partymusik läuft. Die folgende Liste ist nicht unbedingt chronologisch jedoch die meisten waren bevor der Sylt Vorfall bekannt geworden ist. Die Liste ist sicher auch nicht erschöpfend.

  • Auf einer Weihnachtsfeier im Emsland in Messingen [2],
  • beim Auftritt der Roten Funken in Bergneustadt[3],
  • beim Karaoke in Innsbruck[4]
  • beim Fasching durch die Landjugend in Landsberg (Bayern)[5],
  • bei der Abschlussfeier einer Beamtenschule in Rotenburg (Hessen)[6]
  • bei einer Karnevalsfeier in Olfen (NRW beim Ruhrgebiet)[7]
  • auf einer Abi Party in Neukalen (Mecklenburg)[8]
  • In einer Disco in Aßling bei Rosenheim (Bayern)[9]
  • Auf einem Dorffest in Hainching (Sachsen)[10]

Dann kam Sylt.

Seit dem gab es schon ein paar neuere Vorfälle: in einer Disco Kärnten (Österreich) [11]

  • Auf einem Maiwagen in Nagold (BaWü) [12]
  • Schüler eines Elite Internat in Louisenlund [13]
  • Bei einem Volksfest in Erlangen [14]

Und das sind nur die Fälle über die berichtet wurde und ich gerade gefunden habe.
Das Lied ist zum Partyhit geworden, es ist etwas wie das Leila Lied (wer sich erinnert) durch das Tabu und die aktuelle Aufregung darüber spätestens jetzt populär geworden, der Streisand Effekt.
Die meisten werden es nicht aus tiefer Überzeugung, sondern aus Spaß an Tabubruch singen und auch weil es wie Schlager wirkt, die häufig auch absurde, dumme aber auch sexistische oder diskriminierende Texte haben und die trotzdem oder gerade deswegen mitgegrölt werden.

Dennoch halte ich die Vielzahl von Vorfällen mit diesem doch ziemlich deutlichen Text für ein deutliches Indiz für eine latente Ausländer/Fremdenfeindlichkeit bzw Rassismus die einerseits schon länger besteht aber auch durch viele problematische Vorfälle mit muslimischen bzw arabischen Menschen verstärkt wurde.
Die Ablehnung von Migration, besonders von arabisch gelesenen und dunkelhäutigen Menschen hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen, dabei war die AfD, ähnlich wie Trump, Symptom und Brandbeschleuniger zugleich, und hat nun sehr verbreitet, auch wenn die meisten es mit klaren Kopf verneinen, schwelt es verdeckt im inneren.

Das drückt sich in Unverständnis über die Aufregung über dieses Lied aus und whataboutism Vergleiche zwischen der Aufregung in diesem Fall und dem vermeintlich geringeren Aufschrei wegen der Kalifat Demo und anderen problematischen Vorfällen mit migrantisch gelesenen Menschen.

Ich fürchte der Aufschrei ist groß in Medien und Politik, aber nicht unbedingt in der Bevölkerung. Und das macht mit Sorgen.

[1] "Ausländer raus"-Video einer Party kommt aus diesem Ort
ostsee-zeitung.de/mecklenb…egen-volksverhetzung-XG6VWKMRIREOLISFV36P7LAZJI.html
[2] Rassistischer "Ohrwurm" wird zum TikTok-Trend | NDR.de - Nachrichten - Niedersachsen
[3]Karnevals-Eklat: Rechte Parolen bei Auftritt der „Roten Funken“ | Express
[4] meinbezirk.at/innsbruck/c-…-raus-zu-lamour-toujours-von-gigi-dagostino_a6519998
[5] https://www.tz.de/muenchen/region/skandal-bei-faschingsumzug-landjugend-skandiert-auslaender-raus-vom-gaudiwagen-92823901.html
[6] Ermittlungen wegen rassistischer Gesänge an Beamtenhochschule | regionalHeute.de
[7] Nazi-Parolen bei Karnevalsparty in Olfen: „Ramba-Zamba“ wird gestört
[8] POL-NB: Durchsuchungs-Maßnahme im Zusammenhang mit Vorfall in Neukalener Diskothek | Presseportal
[9] Aßling: Rechtradikale Parolen im Maibaumstüberl gesungen
[10] Polizei ermittelt weiter nach Dorffest Hainichen wegen Volksverhetzung | MDR.DE
[11] Nach Sylt-Video - Rassismus-Gegröle auch in Kärntner Club gefilmt | krone.at
[12]Noch vor Sylt: Rassistisches Lied auf Maiwagen in Nagold - SWR Aktuell
[13] Louisenlund: Schüler von Eliteinternat werden wegen rechtsextremer Gesänge für eine Woche suspendiert - DER SPIEGEL
[14] Nach Sylt-Skandal-Video: Männer rufen „Ausländer raus“ auf Volksfest in Bayern

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Das Lied selbst, also ohne den NPD Slogan als Text war schon seit das Lied existiert Partyhit.

Das macht es umso schwieriger. Verbietet man das Lied selbst kommt ein Aufschrei, dass ein harmloses Lied mit harmlosen Text verboten werde, verbietet man es nicht wird immer wieder der „neue“ Text in die Köpfe gespült und der Neonazislogan in einem harmlosen Kontext normalisiert.

Ich denke es gibt gute Gründe bei großen Festen auf das Lied zu verzichten oder es ausdrücklich in einem antirassistischen Kontext zu spielen.

Am Ende wird es aber wichtig sein generell ein Bewusstsein dafür zu schaffen warum es indiskutabel ist diesen Text zu singen.

Die Häufung im ländlichen Raum zeigt meines Erachtens, dass vorwiegend Leute mitmachen die im Alltag weniger mit Ausländerfeindlichkeit in Kontakt kommen und wahrscheinlich auch selbst weniger mit Ausländern die unter dieser leiden in Beziehung stehen.

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