LdN 381 - CDU/Klima

Lieber Ulf, DANKE für Deine klaren Worte zu Klima im Grundsatzprogramm der CDU (LdN 381)! Auf den Seiten 1-5 („Auf einen Blick: das ist CDU“) stehen 22 Überschriften, Klimaschutz steht wörtlich „unter ferner liefen“, an 18. Stelle, lange nach Digitalisierung, Sprache, Rente usw. Um diese Reihenfolge werden die entsprechenden CDU-Gremien lange gerungen haben. Wer weiß, welche Stunde es beim Klima geschlagen hat, und welche Kraftanstrengung erforderlich ist, um Maßnahmen durchzusetzen, die auch nur das Schlimmste verhindern, weiß, wie groß die Lücke zwischen dieser Priorisierung der CDU und dem nötigen politischen Krafteinsatz ist.

Ebenfalls kann ich Dir nur zustimmen, dass es ein offenkundiges Missverhältnis gibt zwischen dem (volkswirtschaftlich nicht zu beanstandenden) Verweis auf CO2-Preise, die, setzte man allein auf sie, einen sehr hohen politischen Krafteinsatz benötigen würden, und dem recht niedrigen Stellenwert, den man sowohl aus der o.a. Priorisierung als auch aus bisherigen CDU-Handlungen ablesen kann. Da muss man erwarten, dass zwar CO2-Preise verwendet werden, diese aber mangels politischen Krafteinsatzes deutlich zu niedrig bleiben, um die bitter benötigten Emissionsminderungen zu erzielen.

Auch an anderer Stelle wird ordentlich Realitätsferne bewiesen:

  • „Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten“ (S. 64) - nun ja, was soll das bei aktuell null AKW heißen? Gegenwärtig beweist Deutschland eben täglich, dass es das „kann“. Und wenn das Neubau heißen soll - wirklich? Mit, unter Verwendung der aktuell verfügbaren Technologien, irre langen Vorlaufzeiten, irre hohen Kosten und weiterhin fehlendem Endlager?
  • „Wir wollen den weltweit ersten Fusionsreaktor bauen“ - dieser Satz ist es nicht würdig, in einem Grundsatzprogramm zu stehen. Er bedient mehrere Fantasien gleichzeitig und ist gleichzeitig ordentlich realitätsfern. Bediente Fantasien: (a) „Deus ex machina“-Lösung der Klimakrise („eine Wundertechnologie wird vom Himmel fallen und all unsere Energieprobleme lösen“); (b) „Deutscher Sonderweg mit Technikstärke“ („Wir Deutsche können Technik viel besser als andere Länder - wo sie sich seit Jahrzehnten abmühen und Projekte bereits am Laufen haben, werden wir es vom Start weg schneller schaffen“). Realitätsferne: ein Fusionsreaktor muss nicht nur irgendwelche Plasmen halten, sondern auch Kernfusion bewirken und eigentlich auch Energie erzeugen. Angesichts der damit verbundenen Probleme sagt inzwischen auch der Leiter des weltweit größten Kernfusionsprojektes, Pietro Barabaschi vom ITER, dass ein Beitrag der Kernfusion zur Energieversorgung nicht mehr in seinem Leben stattfinden wird.

Im Grundsatzprogramm werden zwar an diversen Stellen entsprechend brave Worte zum Klimaschutz geschrieben. Angesichts der klaren Herunterpriorisierung des Themas und der stellenweise bewiesenen Realitätsferne müssen diese jedoch als Beruhigungspillen eingeordnet werden: der ausgeprägte politische Wille, der ja für ein so politisch dorniges Problem dringend benötigt wird, fehlt.

Herzliche Grüße und weiter so!

James

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Man könnte auch argumentieren, dass die Umwelt gemeinsam mit anderen Themen auf Rang 1 steht. Schließlich wird da auch von „ökologischer Sicherheit“ gesprochen. Ich würde das nicht überinterpretieren. Ich denke am Ende geht es eher darum, mit welchen Themen man die eigene Wählerbasis am besten abholt. Glaube nicht dass die CDU glaubt im grünen Lager Wähler wegfischen zu können.

Am Ende zählen ohnehin nur Taten.

Hallo Tim911,

ja, Du hast Recht, es wird auf S. 1 auch von „ökologische[r]Sicherheit“ geschrieben (wobei auch in dieser Auflistung „ökologisch“ eben an letzter Stelle steht). Was das „Wegfischen“ angeht, an sich gäbe es Potenzial, Wähler von den Grünen wegzufischen: bei den Grünen gibt es genug Bürgerliche, die auch für die CDU offen wären, wenn diese sich glaubhaft mehr für Bewahrung der Schöpfung/Umweltthemen engagierte. Aber sicherlich ist es aktuell eher die Sorge der CDU, Abwanderung an die AfD aufzuhalten/zurückzudrehen, und weniger, bei den Grünen zu fischen.

Was Taten angeht: die neuerliche Online-Umfrage der CDU zum „Verbrenner-Aus“ („Unterstützen Sie die Forderung zur Rücknahme des Verbrenner-Verbotes?“) macht wenig Hoffnung, dass die CDU besonders klimainteressiert ist.

Herzliche Grüße

James

Auch das Thema „Verbrennerverbot“ sehe ich entspannt. Politik ist zum großen Teil Theater. Eben gelesen, dass in einer ZDF Umfrage zur Europawahl sich 60% für eine Abschaffung des Verbrennerverbots ausgesprochen haben. Die CDU versucht da halt noch ein bisschen auf dieser Welle zu schwimmen.
2027 kommt der europäische Emissionshandel für Verkehr - spätestens dann wird E-Mobilität für den überwiegenden Teil der Bevölkerung interessant werden. Bis 2035 werden wir viele Jahre immer weiter steigende CO2 Preise haben. Ein Verbot des Verbrenners wird dann schlicht überflüssig sein, weil ökonomisch nicht mehr wettbewerbsfähig.

Wenn die CDU jetzt auch den Emissionshandel rückabwickeln wollen würde, dann wäre das was anderes…

Sehe hier am ehesten die Gefahr das eine CDU/FDP Regierung die CO2 Steuer aushebeln. Entweder durch Senkung der Kraftstoffsteuer oder durch Subventionen. Den Testlauf hierfür hatten wir ja schon. Das Geld müsste nur wo anders (Abbau von Sozialleistungen) wieder reinkommen.

@Tim911 Du hast ja Recht, dass die Aussagen im neuen Grundsatzprogramm, so lauwarm sie sein mögen, keine explizite Positionierung gegen Klima sind. Aber sie signalisieren eben keine Veränderung gegenüber der Untätigkeit der Merkel-Zeit, in der es ähnliche Floskeln gab.

Soll das im Jahr 2024 wirklich reichen, wo, wenn wir auf die Klimawissenschaft hören, das Haus lichterloh brennt? Soll es dem Selbstbild der CDU als verantwortungsvoller, ja staatstragender Partei entsprechen, weitgehend untätig vor dem brennenden Haus zu stehen und ein paar lauwarme Floskeln zu sprechen (und nebenbei populistisch versuchen, Maßnahmen wie das Verbrenner-Aus zu torpedieren)? Doch sicher nicht! Und von dieser Verantwortungslosigkeit mit katastrophaler Konsequenz bin ich bodenlos enttäuscht.