LdN 378 - Völkerrechtswidriger Beschuss der iranischen Botschaft

Moin, habe eben begonnen die aktuelle Folge zu hören und dabei ist mir die Behauptung aufgestoßen, der Beschuss der iranischen Botschaft sei völkerrechtswidrig, weil Botschaftsgebiet Hoheitsgebiet sei. Das ist zumindest missverständlich, weil der Eindruck entsteht, es handle sich bei der Botschaft um Hoheitsgebiet des Iran, was meines Wissens nach allgemeiner völkerrechtlicher Auffassung gerade nicht der Fall ist. Relevant ist dies mit Blick auf eine etwaige Rechtfertigung des Gegenschlags. Der Iran kann nicht die im Beschuss liegende Verletzung syrischer Souveränität geltend machen. Insofern liegt der relevante Verstoß in der (allzu beiläufig nur) erwähnten Verletzung besonderen Regeln zum Schutz von Botschaften oder in der Tötung iranischer Staatsbürger bzw. Funktionsträger. Spannend wäre gewesen, welche gesandtschaftsrechtlichen Regeln genau in Betracht kommen; mir sind bisher nur Regeln bekannt, die den (näher liegenden) Zugriff des Empfangsstaates verbieten.

Jetzt höre ich mal weiter :slight_smile:

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Bin ich auch drüber gestolpert, nachdem ich kurz vorher auf Spiegel.de das Interview mit Völkerrechtler Daniel-Erasmus Khan gelesen habe. Zitat: Das war „eine Verletzung der territorialen Integrität Syriens, aber nicht Irans. Auch wenn das immer wieder behauptet wird: Botschaftsgebäude sind nicht Teil des Territoriums des Entsendestaates.“

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Dennoch werden Angriffe auf Botschaftsgebäude in aller Regel als direkte Angriffe auf den Staat, dessen Botschaft angegriffen wurde, gedeutet. Das machen alle Staaten so, auch z.B. die USA, deren Botschaften recht oft in den letzten 30 Jahren angegriffen wurden. Wenn ein Staat direkt einen solchen Angriff durchführt, wird das als Angriff durch diesen Staat gewertet.

Kurzum: Formaljuristisch ist es korrekt, dass Botschaftsgelände kein „Territorium“ des Staates sind, der die Botschafts betreibt. Aber es ist eine Einrichtung dieses Staates, in der Menschen dieses Staates arbeiten und leben und folglich wird ein Angriff auf eine Botschaft natürlich als Angriff auf das Land gewertet. Welchem Land das Territorium, auf dem diese Botschaft steht, nun offiziell zusteht, hat damit recht wenig zu tun und ist letztlich ziemliches Nitpicking.

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Dazu Düzen Tekkal diese Woche in der Sendung Maybritt Illner:

#Hamas-Propaganda geht auf, wenn wir von einem Konsulat, einer Botschaft sprechen. Das ist eine Kommandozentrale der Al-Quds-Einheiten gewesen, wo die Drahtzieher des Massakers des 7.10. gesessen haben. Der Kopf der Schlange sitzt in #Teheran.“

Und das ist wiederum Propaganda der anderen Seite. Und ich finde es schade, dass man in solchen Konflikten immer so geneigt ist, die Propaganda der eigenen Seite zu glauben, während man alles, was die andere Seite sagt, direkt als Propaganda abtut.

Die Grenze zwischen „Botschaft“ und „Kommandozentrale“ ist bei vielen Ländern extrem problematisch. Die USA haben wie gesagt in so ziemlich jeder großen Botschaft eine CIA Station, also ihren Auslandsgeheimdienst, stationiert, der von dort extrem fragwürdige Aktionen plant. Auf die Russen trifft das gleiche zu, auch die haben in so ziemlich jeder Botschaft paramilitärische Geheimdiensteinheiten stationiert, die dann Dinge wie die Anschläge auf Skripal und co. durchführen.

Das kann man alles mit Recht kritisieren, aber es ist und bleibt ein Fakt, dass es ein von Syrien an den Iran übertragenes Gebäude war, von dem aus der Iran - mit Zustimmung Syriens - operieren durfte, wobei beide Staaten scheinbar von einem Botschaftsstatus (und nicht etwa von einer Militärbasis) ausgingen. Das entspricht auch den Tatsachen, da in diesem Gebäude eben keine „kämpfenden Truppen“ stationiert waren, sondern scheinbar vor allem ein Planungsstab (weshalb es eben keine Kaserne ist, sondern allenfalls eine - politisch-militärische - Kommandozentrale, wie auch die CIA Stations in US-Botschaften).

Niemand würde einen Anschlag auf eine US-Botschaft völkerrechtlich rechtfertigen, nur weil dort auch eine CIA-Station war. Nicht mal einen Militärschlag gegen eine russische Botschaft würde man mit Verweis auf FSB-Aktivität rechtfertigen wollen. Warum also hier?!?

Und selbst wenn wir davon ausgehen, dass es eine von Syrien dem Iran überlassene Kaserne (also rein militärische Kommandozentrale) war, wäre das Resultat dennoch, dass dann Israel direkt den Iran angegriffen hätte (statt wie sonst die Proxys).

Ich bleibe daher bei der Grundaussage:
Wenn Syrien und Iran sich darauf einigen, dass ein Gebäude der Botschaft zugehörig ist (und kein offensichtlicher Missbrauch vorliegt, wobei offensichtlich hier bedeutet, dass es für jedermann ersichtlich ist, z.B. wenn ganze Kasernen mit hunderten Soldaten zur Botschaft erklärt werden oder Abschussrampen für Raketen) dann muss das erstmal völkerrechtlich akzeptiert werden, auch wenn aus diesem Botschaftsgebäude Spionage oder militärische Planung stattfindet. So lange keine direkten militärischen Aktionen von dem Botschaftsgelände ausgehen steht es als Botschaft unter dem Schutz des Völkerrechts.

Das ist deshalb wichtig, weil - wie man auch hier sieht - die Wahrheit immer das erste Opfer des Krieges ist. Wenn wir zulassen, dass Kriegsparteien sich das Recht nehmen, zu definieren, was in ihrem Sinne eine Botschaft zwischen zwei anderen Ländern ist, ist der Schutz von Botschaften grundsätzlich in Gefahr. Deshalb definieren nur der Gaststaat und der Empfängerstaat, was eine Botschaft ist, mit den oben genannten Ausnahmen in offensichtlichen Missbrauchsfällen.

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Unabhängig davon ob das jetzt ein Botschaftsgebäude oder eine Kommandozentrale oder irgendein anderes Gebäude ist. Fakt ist: das Gebäude lag auf dem Gebiet eines anderes Staates. Egal wer in dem Gebäude war und für was die Personen verantwortlich waren: ist es (völkerrechtlich/moralisch) in Ordnung das Gebiet eines andere Staates zu bombardieren?

Es geht mir ja bei der Frage gar nicht nur um Israel. Die USA hat Drohnen Einsätze in Pakistan, im Jemen, in Syrien und im Iran durch geführt und diese auch (fast) jedes Mal
Öffentlich bestätigt.

Mal angenommen Staat X wüsste in Deutschland, irgendwo in der Berliner Vorstadt in einem Einfamilienhaus, hält sich der oberste Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden auf (die Revolutionsgarden sind in Deutschland keine Terrorgruppe und nicht verboten). Staat X schickt ne Drohne um das Haus hoch zu jagen. Ja ziemlich abwegig alles: aber mal angenommen. Was wäre hier los? Wie würden wir darüber diskutieren?

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Naja, das ist schon recht kompliziert, weil diese Länder (Syrien, Pakistan usw.) das Problem haben, dass von ihrem Staatsgebiet terroristische Gruppierungen operieren und die Staaten entweder nicht in der Lage sind, das zu unterbinden - oder es nicht unterbinden wollen. In solchen Situationen stellt sich natürlich schon die Frage, ob der von diesen Terrorgruppen angegriffene Staat ein Recht hat, Militäroperationen auf dem Staatsgebiet des anderen Staates durchzuführen.

Daher:
Wenn Taliban-Verbündete aus Pakistan Angriffe gegen US-Militärstellungen in Afghanistan führen oder palästinensische Gruppen aus Syrien Raketen gen Israel schicken ist die Frage, inwiefern sich die Angegriffenen pro-aktiv verteidigen dürfen, schon recht schwierig zu beantworten. Ich würde hier jedenfalls dem Angegriffenen nicht jedes Recht zur Verteidigung absprechen wollen, wobei natürlich diplomatische Lösungen erst ausgeschöpft werden müssen. Aber das ist im Fall Israel/Syrien wohl der Fall, da ist einfach diplomatisch nichts zu machen aktuell…

Diese Frage stellt sich in Deutschland nicht - aber die USA würden natürlich, wenn z.B. aus der Vorstadt von Kaiserslautern plötzlich irgendwelche Terroristen Raketen auf die Ramstein Air Base abfeuern würden, Deutschland auffordern, das zu unterbinden. Wenn Deutschland dazu nicht in der Lage wäre, würde man wohl Hilfe anbieten - aber hier reden wir eben auch über Verbündete, bei Pakistan-USA und Syrien-Israel ist das nicht der Fall. Daher sind diese (hypothetischen) Fälle nur schwer vergleichbar.

Ich finde das Beispiel zeigt sehr gut, wie ein Rechtsstaat funktioniert. Die Organisation ist nicht verboten, aber es ließe sich leicht beweisen, dass der Kommandeur an Verbrechen beteiligt war. So können wir gegen ihn vorgehen, auch wenn seine Organisation nicht verboten ist.
In Syrien ist die Lage ungleich komplizierter.
Übrigens wäre sie das auch in Deutschland, wenn es sich um ein iranisches Botschaftsgebäude handeln würde, aber darum ging es in deinem Beispiel ja nicht (wobei es da ja den Status der Persona non Grata gibt).