Zunächst mal fand ich das Interview auch sehr interessant, teile die Einordnung in der Schärfe aber nicht.
Ich bin zudem noch nicht davon überzeugt, dass es der Debatte zuträglich ist, wenn man die Ausführungen der demokratischen Gegner immer direkt als Lüge diffamiert und andere Meinungen als Fake News darstellt. Jede Aussage zu der man ein Gegenargument hat, ist dann direkt Populismus, auch wenn gar nicht gesagt wird, dass mit dieser Maßnahme ein Problem direkt gelöst wird.
Herr Voigt distanziert sich ganz klar inhaltlich von der AfD, spricht sich dafür aus, dass die Möglichkeiten von qualifizierter Einwanderung verbessert werden sollen und schließt eine Koalition mit der AfD klar aus. Ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln. Sich selbst nicht wählen zu lassen, kann echt ein bisschen tricky werden: Falls die CDU mit bspw. SPD und FDP eine Minderheitsregierung machen möchte mit 45% - soll er sich dann etwa nicht aufstellen lassen und den Posten an Höcke abtreten, weil die Gefahr besteht, das die AfD als politischer Coup so abstimmt, dass er bei >50% landet? Die Schlagzeilen und das Wasser auf die wohl bekannten Windmühlen wären der AfD wohl sicher - besonders aus der linken Presse.
Und für die Bewertung der Aussagen und die Schwelle, ab wann hier (im Forum) Lüge gerufen wird, scheint mir auch mit zweierlei Maß gemessen zu werden. Wenn er sagt, Deutschland wäre das einzige Land, das bei Atom einen anderen Weg geht, ist das in Bezug auf “einzig” nur in einer begrenzteren Einordnung korrekt. Dahinter steht aber die wahre Tatsache, dass es einige Länder in Europa gibt, die einen Weg in die entgegengesetzte Richtung gehen, mit denen man sich wohl vergleichen kann (bspw. Frankreich - ich will hier jetzt aber nicht wieder dieAtom-Debatte aufmachen, es geht mir mehr um die Frage wie sehr wir in einem Interview jedes Wort auf die Goldwaage legen - anstatt den Menschen auch mal den Benefit of the Doubt zu geben und das Argument zu sehen).
Nur mal als Analogie, ohne dass ich es so sehen würde: Streng genommen müsste man dann vermutlich die Aussage von Ulf “Niemand will Asylgründe ausweiten” auch als Lüge bezeichnen, sobald man ein Zitat von irgendjemandem von Grünen, Linken, SPD oder sonstigen Parteien findet, der/die etwas mal gesagt hat, was in die Richtung deutet. Ich habe jetzt nicht recherchiert und möchte mich auf das Spiel nicht einlassen, würde mich aber wundern wenn es da nichts gibt - insbesondere wenn man den Zeitrahmen einigermaßen flexibel hält.
Also unterm Strich nochmal, interessantes Interview und hoffen wir mal, dass Herr Voigt es schafft vor Bernd Höcke zu kommen - wem anders scheint es ja in Thüringen nicht zuzutrauen zu sein. Auch wenn sich die Beiträge hier zum Teil so lesen, als sei es dasselbe, ist es für die Demokratie wohl trotzdem deutlich besser als ein Sieg der AfD.