LdN 374 - Flugvehrkehr wird normalisiert

Liebes Lage Team,

ich bin ein großer Fan von Eurem Podcast. Vielen Dank für Eure gut recherchierten Einordnungen und das Aufzeigen von politischen Handlungsoptionen, um angesichts der planetaren Polykrise nicht zu verzweifeln.

Mir hat Bens Hörer*innen Email mit seinem Lesetipp zur Klimakommunikation gefallen. Dies würde ich gerne zum Anlass nehmen um anzusprechen, was ihr bereits in der LdN321 (03.02.23) präsentiert habt: den Flugverkehr und seinen zerstörerischer Wachstumspfad von 3-4% / Jahr.

Im Epilog zum Telegram-Abschnitt (LdN 374) hat Philip folgendes gesagt:
„Also ich würde mittlerweile sagen hey, ist doch fast egal wohin man auf der Welt fliegt. Da gibt es überall Infrastruktur und Backpacker und hier und da und so. […] Und wenn ihr aber da seid, guckt euch den Shrine an.“

Ich finde die Aussage sehr problematisch. Es gilt jetzt Gegennarrative zu erzählen anstatt die fossilen Eskapismusträume weißer Menschen zu wecken. Wie wäre es mit lokalen Widerstandsgeschichten aus Westafrika oder Berichten über terrane Reiseformen? Die Menschen in Nigeria drohen auch aufgrund unserer Flugexzesse ihre komplette Lebensgrundlage zu verlieren.

Mit den leichtfertigen Aussagen über den Flugverkehr, normalisiert ihr diese schädlichste Form der Mobilität, die nur von einer kleinen Minderheit genutzt wird. Um den globalen Temperaturanstieg auf unter 1,5 Grad zu halten, müsste im globalen Durchschnitt jede*r die verbrauchsbasierten Treibhausgasemissionen senken: auf 0,7 Tonnen bis 2050. (1 Langstreckenflug nach Neuseeland=über 5 Tonnen CO₂-Äquivalent) (Info. Der internationale Flugverkehr ist nicht Teil der nationalen Budgets des Pariser Klimaabkommens, macht jedoch knapp 2/3 der Emissionen aus.

Schön, dass ihr in LdN 321 den Stand der Forschung dahingehend zusammengefasst habt, dass der Flugverkehr über die Nachfrageseite sozial gerecht reduziert werden muss. Jedoch muss das jetzt geschehen, denn:

  • Technologische Entwicklungen kommen zu langsam
  • "Grüne“ Scheinlösungen lenken von der Notwendigkeit ab, den Flugverkehr sofort zu reduzieren

Zuletzt gilt es noch folgendes zu beachten:

Der CO2-Gehalt in der Luft ist viel zu hoch (0,42 ‰). Der Weltklimarat zeigt einen Weg (SSP1-1.9 “1,5°-Pfad”), mit dem die Menschheit die beste Überlebenschance hat. Dieser Pfad hat einen Zielwert von 0,35 ‰ (bis zum Jahr 2150). Das bedeutet, es sind bereits jetzt hunderte Gigatonnen zu viel CO2 in der Luft.

Es gibt noch weitere Stellschrauben neben den No-Brainern Klimageld und Abschaffung fossiler Subventionen. Diese führen z.B. dazu, dass aktuell Benzin um den Faktor 80 stärker besteuert wird als Kerosin.

- Verbot von Privatjets
- Vielfliegerinneabgabe und Verbot von Vielfliegerinnen-programmen („Miles“)
- Werbeverbote von Flugreisen
- Moratorium für Flughafenausbau
- Decklung von Flugslots
- Verbot staatlicher Finanzierung der Luftfahrt

Beste Grüße,
Elias

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Ich bin da über eine Zahl gestolpert:

Dagegen spricht folgende Statistik:
"Unter den Verkehrsträgern ist die Straße der Klimasünder Nummer Eins – rund 18 Prozent des weltweiten Ausstoßes von CO2 wurden im Jahr 2019 durch Straßenfahrzeuge produziert. Der Beitrag des Luftverkehrs sowie der Schifffahrt fiel mit Anteilen von knapp drei Prozent deutlich geringer aus.!
aus:

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Denke es geht um den Anteil der internationalen an den gesamten Flügen. Dass diese nicht in die nationalen Budgets mit eingerechnet werden halte ich tatsächlich auch für ein Problem.

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Danke für die Antwort. Der Absatz hätte so lauten müssen:

„Der internationale Flugverkehr (im EU Kontext: von und zu Drittstaaten) ist nicht Teil der nationalen Budgets des Pariser Klimaabkommens, macht jedoch knapp 2/3 der Emissionen des Flugverkehrs aus.“ D.h. hiermit sind vor allem Mittel- und Langstreckenflüge gemeint.

Also wird nur der nationale/EU Flugverkehr erfasst (bis 2025 gibt es auch noch die Zertifikate geschenkt). Umweltbundesamt EU-ETS 1 Das Instrument für die Regulierung des internationalen Flugverkehrs (bzw. von und zu Drittstaaten) CORSIA ist ein Witz, da es letztlich auf reinen Kohlenstoffkompensationszahlungen basiert. Und zwar nur für zusätzlichen Flugverkehr im Vergleich zum Basisjahr 2019. Umweltbundesamt Factsheet

Von der Flugindustrie wird immer wieder gerne auf diese (vergleichsweise) niedrige Zahl von 2-3% verwiesen. Auf den ersten Blick ist es auch korrekt.

Aber: Bei 49 Millionen in Deutschland zugelassenen PKWs ist die Diskrepanz nicht verwunderlich. Zudem lassen sich PKWs einfach dekarboniseren und haben zumindest im ländlichen Räum eine größere Berichtigung als Privatjets oder Wochenendtrips. Pro Kilometer gibt es keine klimaschädlichere Mobilitätsform als das Fliegen (siehe LdN 321 und Stay Grounded).

1% der Menschen sind für 50% der Flugemissionen verantwortlich (da sind dann 3% plötzlich unglaublich viel). Die absolute Menge an CO2, die den 3% zugrunde liegt, muss übrigens noch mit dem Faktor 3 multipliziert werden, um die Nicht-CO2 Effekte des Fliegens zu berücksichtigen! Zusammen mit der Wachstumsdynamik der Passagierzahlen, der mittelfristig mangelnden technologischen Lösungen und der fehlenden Regulierung ist das eine Katastrophe mit Ansage.

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