LdN 372 - Deutsche Soldaten in die Ukraine

Etwa ab Minute 35 redet Ulf davon (sinngemäß), naja wenn die Briten schon Soldaten in der Ukraine haben, und Putin nicht den dritten Weltkrieg gestartet hat, wieso gibt es dann eigentlich noch eine rote Linie deutsche Soldaten für die Bedienung von Taurus in die Ukraine zu schicken.

(Vorne weg für den Taurus brauch man keine deutschen Soldaten vor Ort. Das weiß ich. Bevor mir das um die ihre gehauen wird).

Ich möchte versuchen die Frage zu beantworten wieso das für Deutschland ein größeres Problem wäre als für Briten und Franzosen.

In Frankreich haben wir, wie in den USA, den Präsidenten als Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er kann ohne Parlamentsbeschluss Soldaten auf Einsätze schicken wo er will. Einzig allein für zusätzliches Geld muss er das Parlament fragen (in den USA weiß ich das sicher).

Die Briten haben dafür (meines Wissens nach) nur einen kleinen, geheimen Parlamentsausschuss.

In Deutschland muss der Bundestag für jeden Bundeswehr Einsatz ein Mandat festlegen. Da steht alles drin: wie viele Soldaten, was ist deren Auftrag, Bewaffnung, was dürfen sie, was nicht, Ort und Zeit etc…Der Bundeskanzler hat nur im Verteidigungsfall mehr Exekutive rechte.

Selbst wenn es eine Mehrheit für so einen Einsatz, selbst mit wenigen Soldaten, gäbe, dann würde darüber öffentlich diskutiert.

Das ist schon mal der erste Unterschied zwischen Deutschland und den Briten. Die machen das nämlich nicht öffentlich

Jetzt mal angenommen deutsche Soldaten wären jetzt vor Ort.
Was würde passieren wenn ein deutscher Soldat dort verletzt werden würde oder schlimmeres? Das wäre nicht nur tragisch für den Menschen es hätte auch massive politische und juristische Konsequenzen. Die öffentlich ausgetragen werden würden.

Britische Soldaten werden auf einem “geheimen” Einsatz geschickt. Hinterbliebene würden nie erfahren wo die gestorben sind. Die britische Regierung würde es einfach abstreiten können dass es in der Ukraine war.

Zuletzt noch ein Grund wieso Deutschland das nicht einfach mal machen kann: ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts es brauch für eine deutsche Beteiligung ein “System Kollektiver Sicherheit”. Das bietet bspw. Ein NATO Einsatz oder ein UN Mandat. Beides ist in der Ukraine nicht gegeben.

Die Bundeswehr hat in Afghanistan, Mali und anderen Einsatzorten regelmäßig Verletzte und Tote zu beklagen gehabt, auch durch Kampfhandlungen. Das wurde natürlich Teil der politischen Debatte, aber ich verstehe nicht, warum das ein grundsätzlicher Hinderungsgrund sein sollte.

Im Gegenzug gab es auch in den USA eine massive Debatte, nachdem vor ein paar Jahren einige Elitesoldaten bei einem (öffentlich wenig bekannten) Einsatz im Niger durch Feindbeschuss ums Leben gekommen sind. Einen Zusammenhang zwischen der juristischen Grundalge für die Entsendung und der Öffentlichkeit kann ich erstmal nicht erkennen.

Könnte ein „System kollektiver Sicherheit“ nicht auch durch einen Beistandsvertrag mit der Ukraine entstehen? Es leuchtet mir nicht ein, dass Deutschland grundsätzlich nur dann Beistand gegen einen Angriffskrieg leisten darf, wenn ein Verteidigungsabkommen schon vor Ausbruch des Krieges bestanden hat.

Hier wird es ausführlich erklärt was damit gemeint ist: https://www.gsp-sipo.de/fileadmin/Daten_GSP/D-Kacheln_Startseite/B-Einblick/GSP-Einblick_10_2020_Näbig.pdf

Der entscheidende Absatz ist auf Seite 3 “was ist ein “System gegenseitiger Kollektiver Sicherheit”?

Ich verstehe das so: Wenn jetzt also die NATO oder EU sagen würden wir greifen militärisch in der Ukraine ein, dann ginge das (mit Parlamentsvorbehalt). Wenn jetzt aber nur Frankreich, bilateral mit der Ukraine, entscheidet Truppen zu schicken, dann reicht das nicht aus. Die Ukraine ist weder NATO, noch EU Mitglied.

Des Weiteren gibt es auch ganz praktische Gründe die gegen einen Bundeswehreinsatz sprechen: die Bundeswehr ist von ihrer Struktur her auf Verteidigung in Deutschland aufgebaut worden. selbst dafür ist fast nichts mehr übrig. Die Ausrüstung für so einen Einsatz in der Ukraine (also bezogen darauf was dafür benötigt würde) ist gar nicht vorhanden. Afghanistan etc…kann man nicht als Vergleich heranziehen. Die Einsätze dort sind eher auf kleine regionale Gebiete beschränkt gewesen. Keine schweren Fahrzeuge. Kleine Stoßtrupps. In der Ukraine sprechen wir von einem 1000 km langen Frontverlauf, verbunden mit Panzern, Flugzeugen und Infanterie… ohne die Einbindung in amerikanische/französische/britische Verbände wäre die BW aufgeschmissen.

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Danke für den Link.

Das die Bundeswehr grundsätzlich in der Ukraine nicht einsatzfähig wäre, würde ich so nicht stehen lassen. Zum einen, weil wir im Rahmen der NATO-Bündnisverteidigung zum Beispiel Verbände im Baltikum stationieren, die im Angriffsfall genau das selbe wie die ukrainische Armee heute schon machen müssten: Frontabschnitte gegen russische Angriffe verteidigen.

Zum anderen, weil nicht jede militärische Aufgabe im Schützengraben an der Front erledigt werden muss. Laut Wikipedia verfügt die Bundeswehr noch über 12 Waffenträger Ozelot als leichtes Flugabwehrsystem und 12 Staffeln mit je acht Startgeräten Patriot mit großer Reichweite. Würden diese Systeme von der Bundeswehr in der Ukraine auch fernab der Front betrieben, würde das die Luftverteidigung des Landes trotzdem extrem entlasten.

Für die Einrichtung einer Flugverbotszone, bzw. der Herstellung von Lufthoheit müsste die Bundeswehr überhaupt nicht „in“ der Ukraine stationiert sein, die Luftwaffe könnte einfach von Polen oder Deutschland aus fliegen.

Selbst wenn eine direkte Intervention Deutschlands wirklich nicht akzeptabel wäre, könnte man wenn man es wirklich wollte trotzdem kreativ helfen. Zum Beispiel indem man im Rahmen eines „Systems kollektiver Sicherheit“ Bundeswehrsoldaten und -Material in Polen stationiert und damit entsprechende polnische Ressourcen für den Einsatz in der Ukraine freimacht. Möglich ist vieles – wenn man will. An dem Willen die Ukraine tatsächlich noch ernsthaft zu unterstützen Zweifel ich aber zumindest bei der SPD massiv.

Im Nato Verbund ist die Bundeswehr leistungsfähig. Was, wenn wir den Fehdehandschuh aufnehmen aber die Nato kurz oder mittelfristig nicht mehr existiert (Trump)? Dann stehen wir blank da.

Laut dem Interview mit Frau Högl stehen wir mit der Bundeswehr grad eher auf Anschlag, personell wie materiell.
Bis die georderten Rüstungsgüter alle in der Truppe sind, dauert es eher Jahre, infrastrukturell ist auch vieles noch im Fluss.
Personell wird es auch eng, so attraktiv ist die Bundeswehr als Arbeitgeber offensichtlich nicht, und viele möchten auch keinen Dienst für die Gesellschaft leisten.
Ein aktueller Sachstand der Leistungsfähigkeit lässt eher vermuten, auch vor dem Hintergrund der Landes- und Bündnisverpflichtungen, das wir gar nicht so viel liefern könnten.

Und vielleicht auch gar nicht wollen?