Eines vorweg: eine sehr schöne Lage und ich freue mich, dass ihr auch solche schwierigen Themen zur Sprache bringt.
Aber Huiuiui, ihr krazt hier ganz schön nonchalant am Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen („Atomwaffensperrvertrag“). Wenn Frankreich nicht seinen Status als Nuklearmacht quasi an die EU überträgt, kann ich mir nicht vorstellen wie der Vertrag weiter eingehalten werden soll. Ob eine solche Übertragung überhapt möglich ist und ob Frankreich mitmachen würde sind andere Fragen. Es sollte Grundsatz sein, dass nicht noch mehr Länder oder Organisationen Atomwaffen bekommen, weil damit die Gefahr eines absichtlichen oder unabsichtlichen Einsatzes derselben steigt.
Eine andere Frage wäre die Kontrolle. Es muss eine Person die Berechtigung haben einen Zweitschlag auszulösen, ansonsten wirkt die Abschreckung nicht. Soll heißen: Wenn festgestellt wird, dass sich Nuklearwaffen im Anflug auf die EU befinden muss der Befehl zum Zurückschlagen innerhalb von Minuten ergehen, ansonsten sind alle tot, die diesen Befehl geben könnten. Das ist ja das, was den Kalten Krieg so gefährlich gemacht hat, die Angst vor einem Enthauptungsschlag. Es muss also der Befehlshaber der theoretischen EU-Abschreckungsmacht den Code-Koffer haben und wer ist das dann? Von der Leyen? Charles Michel? Ein Gremium kann es auf alle Fälle nicht sein.
Die aktuelle Haltung der NATO ist eine der Ambiguität des Atomwaffeneinsatzes, es wird also nicht klar gesagt, welche Aggression mit Atomwaffen bekämpft werden würde. Es wäre also ein taktischer Einsatz gegen Angriffstruppen im Baltikum möglich. Ich halte die Schwelle jedoch für so hoch, dass eigentlich nur eine existenzielle Bedrohung nuklear beantwortet werden würde, für den Rest muss die konventionelle Abschreckung ausreichen. Zudem sehen die meisten Experten den taktischen Einsatz (also auf dem Schlachtfeld gegen Truppen) von Atomwaffen als wenig sinnvoll (es gibt bessere Mittel) mit hohem Eskalationspotential an. Wenn ich Dr. Sauer im letzten Politikteil-Podcast richtig verstanden habe, dann sind die Bomben der nuklearen Teilhabe vor allem als Antwort auf einen russischen Einsatz von taktischen Nuklearwaffen gedacht.
Übrigens: Gegen Interkontinentalraketen kann man sich kaum verteidigen, auch wenn die USA sehr viel Geld investieren, um das zu ermöglichen. Das führt am Schluss nur zu Aufrüstung. Letzten Endes gab es Stabilität im Kalten Krieg nur durch die eigene Verwundbarkeit: Ich werde keinen Großangriff ausführen, weil ich weiß, dass mein Gegner mein Land trotz allem in eine strahlende Wüste verwandeln kann.
Am Schluss bleibt mir zum Thema zu sagen: Ich denke eine strategische Kooperation mit Frankreich ist am zielführendsten. Frankreich muss nur irgendwie glaubhaft versichern, dass ein russischer nuklearangriff auf die EU einen französischen Nuklearangriff auf Russland zur Folge hat. Frankreich hat übrigens nukleare Marschflugkörper, die man taktisch einsetzen könnte (ist z.Zt. nur nicht Doktrin)